Flucht vor Gewalt: Migration von Kindern und Jugendlichen aus Mittelamerika

(Fortaleza, 12. November 2014, adital/poonal).- Die Gewalt und die Verfolgung bedingt durch das organisierte Verbrechen sind die Hauptgründe für die Flucht von Kindern und Jugendlichen aus Guatemala, Honduras und El Salvador in Richtung Nordamerika und folglich nicht nur die prekären wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen oder die Trennung der Kinder von ihren Familien.

Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Hochkommisariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees). Auf Grundlage von Interviews ergab die Studie, dass mehr als 48 Prozent der Jungen und Mädchen ihre Herkunftsländer aufgrund von Gewalt verlassen haben. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen aus Mittelamerika, die internationalen Schutz benötigen, hat sich seit 2006 mehr als verdreifacht, als das UNHCR eine ähnliche Studie mit unbegleitet reisenden Minderjährigen an der Südgrenze Mexikos durchführte. Damals waren 13 Prozent auf internationalen Schutz angewiesen.

Bedarf nach internationalem Schutz stark angestiegen

Der Bericht „Arrancados por la Raíz” (dt. „An der Wurzel ausgerissen”), finanziert durch das Amt für Humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission ECHO (European Commission’s Humanitarian Aid and Civil Protection department), wurde am 11. November vorgestellt. Der Bericht versucht sowohl die Gründe festzustellen, weswegen die Kinder aus Guatemala, Honduras und El Salvador aufbrechen, als auch deren Bedarf an internationalem Schutz, einschließlich der Anerkennung des Flüchtlingsstatus. In der Studie wurde eine gemischte Methodologie angewandt, die auf individuelle und Gruppeninterviews basierte. Insgesamt wurden fast 280 Kinder und Jugendliche aus Mittelamerika befragt, die von Oktober bis Dezember 2013 in den Stationen für Migrant*innen in Mexiko-Stadt, Tapachula und Chiapas untergebracht waren.

„Arrancados por la Raíz” zeigt, dass Kinder, die ohne Begleitung von Erwachsenen reisen, unter verschiedenen Arten von Gewalt leiden: Darunter befinden sich körperliche Aggression, Einschüchterungen, Bedrohungen, häusliche und sexuelle Gewalt. Dies wiederum verdeutlicht das hohe Ausmaß an Unsicherheit, der die Kinder in bestimmten Regionen des nördlichen Dreiecks von Mittelamerika ausgesetzt sind. Die Ergebnisse der Arbeit bestätigen die Tendenz, die bereits in dem Bericht „Children on the Run” (dt. „Kinder auf der Flucht”) beobachtet wurde, den das UNHCR im März dieses Jahres veröffentlichte.

Hindernisse beim Zugang zu rechtlichen Mechanismen

Die aktuelle Situation vor Ort stellt Herausforderungen für den internationalen Schutz von Kindern dar, die von ihren Familienangehörigen getrennt sind. Zunächst wurde festgestellt, dass die Gewalt banalisiert wird. Das heißt, dass Kinder und Jugendliche, obwohl sie schwere Straftaten erlebt haben oder diesen zum Opfer gefallen sind, nicht um ihre Sicherheit fürchten. Außerdem ist der Wunsch, sich mit Eltern oder Verwandten in anderen Ländern wieder zu treffen, vielmehr eine weitere Folge der Gewalt als der Hauptauslöser für die Migration. Schließlich fand die Studie heraus, dass die unterschiedlich lange Internierung von Immigrant*innen [in Mexiko] bei den Mädchen und Jungen für große Unsicherheit sorgt. Vielfach entscheiden sie sich, lieber kein Asyl zu beantragen, um nicht während des gesamten Anerkennungsprozesses interniert zu sein. Stattdessen lassen sie sich nach einer Festnahme in ihre Herkunftsländer zurückschicken, was mit weiteren Risiken und Bedrohungen einhergeht.

„Mexiko verfügt über ein internationales Schutzsystem und den rechtlichen Rahmen, der den Schutz der Flüchtenden – ausgehend von einer erweiterten Definition des Begriffs ‘Flüchtlings’ – sowie ergänzenden Schutz vorsieht. Dies ermöglicht es den Jungen und Mädchen aus Mittelamerika, über die nötigen rechtlichen Mechanismen zu verfügen”, erklärte Hambi Bukhari, Vertreter des UNHCR in Mexiko. „Wir vertrauen darauf, dass die Umsetzung einer Migrationspolitik allen Personen, die Schutz benötigen, den Zugang zu den Mechanismen auf Anerkennung des Flüchtlingsstatus gewährt, vor allem den Kindern, die alleine reisen”, so Bukhari.

Empfehlungen zum Schutz der Kinder

Unter den Empfehlungen der Studie wird auf die Dringlichkeit hingewiesen, Mechanismen zur Identifikation der schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen einzuführen und zwar gemäß eines speziellen Ansatzes und der nötigen Sorgfalt für jede Altersgruppe. Auch seien wirksame Maßnahmen nötig, um in angemessener Zeit den Bedarf an internationalem Schutz festzustellen, um so zu garantieren, dass die Kinder nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Desweiteren wird es als wichtig angesehen, dass die Beamten, die in diesem Zusammenhang tätig sind, mit Einfühlungsvermögen den jeweiligen Bedürfnissen zuzuhören, diese zu verstehen und darauf zu reagieren, um die Deportierung und die erzwungene Rückkehr der Kinder und Jugendlichen zu verhindern und sicher zu stellen, dass diese Zugang zu dem von der mexikanischen Regierung eingeführten Mechanismus zum Antrag auf Schutz besitzen.

„Die humanitären Folgen des hohen Grades an Gewalt in Mittelamerika müssen sichtbar gemacht werden, so dass passende Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der Gewalt erarbeitet werden können. Der Bericht des UNHCR liefert wertvolle Daten, um die Situation der unbegleitenden Kinder und Jugendlichen zu verstehen, als auch sehr nützliche Empfehlungen, um sich deren Schutzbedürfnissen anzunehmen”, bestätigte Benoit Collin vom Amt für Humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission, das den Bericht finanzierte.

Der Bericht „Arrancados por la raíz” wurde von dem Sozialanthropologen Abbdel Camargo erstellt und ist in Spanischer Sprache einsehbar unter: www.acnur.org/mexico.

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