Fast überall geltendes Abtreibungsverbot zwingt tausende Frauen zu illegalen und gefährlichen Eingriffen

von Cristina Canoura

(Lima, 19. September 2009, semlac).- Im Raum Lateinamerika–Karibik lassen jährlich etwa drei Millionen Frauen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Diese Zahl entspricht fast der gesamten Bevölkerung von Uruguay. Hinzu kommen weitere drei Millionen Frauen aus Brasilien. Da Abtreibungen in fast allen Ländern verboten sind, wird der allergrößte Teil dieser Eingriffe illegal durchgeführt.

Mit Ausnahme von Kuba und dem mexikanischen Hauptstadtdistrikt, in dem 18 Millionen Menschen leben, sind Abtreibungen in allen anderen Staaten teilweise verboten oder gelten als Straftat, die je nach Land auf unterschiedliche Weise strafrechtlich geahndet wird.

Der Zwang, im Verborgenen zu Handeln, führt nicht nur dazu, dass viele Frauen die unter solchen Umständen durchgeführten Abbrüche erst gar nicht überleben, weil oft mit gesundheitsgefährdenden Methoden und unter unzureichenden hygienischen Bedingungen gearbeitet wird. Nach dem Eingriff droht den Frauen auch noch die strafrechtliche Verfolgung mit Haftstrafen, was den Druck auf sie noch zusätzlich enorm erhöht.

Eine von SEMlac durchgeführte Untersuchung der rechtlichen Situation in Argentinien, Bolivien, Kolumbien, Chile, Kuba, Guatemala, Mexiko, Nicaragua, Peru, der Dominikanischen Republik, Uruguay und Venezuela ergab, dass auf Druck der konservativsten Elemente der Zivilgesellschaft – wie der katholischen Kirche – immer restriktivere Regelungen des Strafrechts durchgesetzt werden.

Als 1989 die chilenische Diktatur in den letzten Zügen lag, wurde ein generelles Abtreibungsverbot verabschiedet, das bis heute fortbesteht. „Eine Mutter muss ihr Kind zur Welt bringen, auch wenn das Kind Entwicklungsstörungen aufweist, ungewollt ist, durch eine Vergewaltigung gezeugt wurde oder die Gefahr besteht, dass sie bei der Geburt stirbt“, erklärte seinerzeit Jaime Guzmán, eine der Schlüsselfiguren bei der Ausarbeitung einer neuen chilenischen Verfassung und Gründer der rechtsgerichteten Unabhängigen Demokratischen Union UDI (Unión Demócrata Independiente). In Chile wurden bisher drei Fälle bekannt, bei denen die Geburt eines Kindes für die Mütter tödlich verlief.

Neben Chile besteht auch in der Dominikanischen Republik, in Nicaragua und in El Salvador ein generelles Abtreibungsverbot. Die am 17. September dieses Jahres in der Dominikanischen Republik verabschiedete Verfassung garantiert ausdrücklich das Recht auf Leben vom Moment der Zeugung an, und stellt den Schwangerschaftsabbruch auf eine Ebene mit der Todesstrafe. „Das Recht auf Leben ist unverletzlich von der Zeugung bis zum Tod. Die Todesstrafe darf unter keinen Umständen angewendet werden“, so der Wortlaut von Artikel 30 in seiner neuen Version (vgl. Poonal 865).

Riskante Hausmittel, horrende Kosten

In den ländlichen Teilen der Dominikanischen Republik, nahe der Grenze zu Haiti, sei es unter armen Frauen, die sich einer ungewollten Schwangerschaft entledigen wolle, üblich, die „Flasche zu leeren“, erzählt Xiomara Peralta, Lehrerin, Frauenaktivistin und seit Jahrzehnten in verschiedenen Frauenorganisationen tätig, darunter in der Bäuerinnenorganisation CONAMUCA (Confederación de Mujeres del Campo) und der Gruppe CE–Mujer (Centro de Solidaridad para el Desarrollo de la Mujer). Die „Flasche“ enthält ein Gemisch aus Avocadoschalen, Melasse, Ingwer und Cuaba (eine Schale, die an getrocknetes Fichtenholz erinnert). Dazu gibt man Chinarinde und andere sehr bittere Wurzeln, die Durchfall hervorrufen und schließlich den Abbruch einleiten. Anschließend trinken die Frauen ein anderes Gemisch, um ihr Inneres zu reinigen. Es besteht aus Kalzium, Eisenstaub, Honig, Zuckerrübe, Kresse, Möhre und dem leuchtend roten Samen des Annattobaums.

Wie das seit Ende 1968 mit Bevölkerung und Reproduktionsrechten beschäftigte US–amerikanische Alan Guttmacher Institute herausfand, ist es bei guatemaltekischen Frauen auf dem Land üblich, ein Gemisch aus Koriander, Schnaps, Gewürznelke, mehr als 250 Gramm Kochsalz, 40 Tabletten Alka–Seltzer, Bittersalz mit Sulfat und Rizinusöl einzunehmen. „Mit 65.000 Fällen pro Jahr steht Guatemala nach Haiti auf Platz zwei der Länder mit der höchsten Rate illegaler Abtreibungen“, erklärt Senaida Escobedo, Leiterin des Referats für Frauen und Geschlechterfragen des Obersten Gerichtshofs gegenüber SEMlac.

Die Kosten für einen sicheren Abbruch variieren je nach Land zwischen 300 und 1.500 US–Dollar – eine völlig unerschwingliche Summe für arme Frauen. Die in Privatkliniken am häufigsten angewandte Methode ist das Absaugen. Immer öfter wird jedoch der Wirkstoff Misoprostol eingesetzt, der eigentlich zur Behandlung von Magenschleimhautentzündungen gedacht ist. Die Unterbrechung von Schwangerschaften ist eine der Nebenwirkungen des Medikaments mit dem Markennamen Cytotec. Zwar ist die Zahl der Frauen, die an den Folgen lebensgefährlicher Eingriffe sterben, dank dieser Methode gesunken, der Kauf des Medikaments muss in vielen Ländern allerdings genauso heimlich erfolgen wie ein chirurgischer Eingriff.

Angesichts dieser Situation fordern Frauen in ganz Lateinamerika seit Jahrzehnten die Legalisierung der Abtreibung. „Sexualerziehung, damit wir entscheiden können; Verhütungsmittel, damit wir nicht abtreiben müssen; straffreie Abtreibung, damit wir am Leben bleiben“, so lautet in Argentinien der Slogan einer landesweiten Kampagne für das Recht auf straffreie, sichere und kostenlose Abtreibung, der sich über 250 Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen aus dem Umfeld von Frauenverbänden und Menschenrechtsgruppen angeschlossen haben. „In einigen argentinischen Provinzen, beispielsweise in Santiago del Estero, wurden Frauen, die nach einer Abtreibung ein Krankenhaus aufsuchten, bis vor kurzem noch am Krankenbett verhaftet und mit Handschellen daran festgekettet“, erzählt Silvia Juliá von der Organisation „Katholikinnen für das Recht auf eine freie Wahl“ (Católicas por el derecho a decidir). Diese Situation hat die Frauenbewegung mit Unterstützung von Fachleuten aus dem Gesundheitswesen zweifellos verbessern können: Inzwischen folgt die Nachsorge schlecht durchgeführter Abtreibungen mehr dem Gebot der Menschlichkeit, und eine unmittelbare strafrechtliche Maßregelung ist verboten.

In Uruguay existiert seit 2004 eine inzwischen an das „Gesetz zum Schutz des Rechts auf Reproduktion und Sexualgesundheit“ angegliederte Verordnung, die eine Beratung der Frauen vor und nach einem Schwangerschaftsabbruch vorschreibt und den Wirkstoff Misoprostol als Methode empfiehlt. Das im November 2008 verabschiedete Gesetz enthielt auch einen Artikel, der Straffreiheit für Abtreibungen vorsah. Kurz nachdem das Parlament das Gesetz verabschiedet hatte, legte jedoch Präsident Tabaré Vázquez sein Veto ein. Daten der Abteilung Sexual– und Reproduktionsgesundheit der Klinik Hospital de la Mujer del Pereira Rossell besagen, dass sich 59 Prozent der uruguayischen Frauen zu einem Schwangerschaftsabbruch entscheiden, weil die von ihnen gewählte Methode zur Empfängnisverhütung versagt hat. Die meist genutzte Verhütungsmethode ist das Kondom. Nach Angaben des Alan Guttmacher Institute, ist der größte Teil der Frauen in Lateinamerika, die eine Abtreibung durchführen, über 20 Jahre alt, verheiratet und bereits mindestens einmal Mutter geworden. Im Vergleich dazu sind es in den Staaten der Ersten Welt überwiegend junge, ledige Frauen, die abtreiben, und nur etwa die Hälfte von ihnen hat bereits Kinder zur Welt gebracht.

Problematische Gesetzgebung

Zu den Ländern, die besonders rigoros gegen Abtreibungen vorgehen, zählt unter anderem Nicaragua. Im Oktober 2006 erklärte die Nationalversammlung sogar den Schwangerschaftsabbruch aus medizinischen Gründen für strafbar. Die so genannte medizinische Indikation war 1874 eingeführt worden und galt 132 Jahre lang. Durch die Abschaffung der medizinischen Indikation geraten die Ärzt*innen in eine Zwickmühle: Führen sie eine Abreibung durch, drohen ihnen Strafanzeige, Gerichtsverfahren und Verurteilung. Führen sie jedoch keine durch, droht ihnen ebenfalls die strafrechtliche Verfolgung, da sie gegen Paragraph 160 desselben Strafrechts verstoßen, wenn sie einer Person medizinische Unterstützung verweigern und dadurch deren Gesundheit massiv gefährden.

Ganz anders ist die Situation in Kuba, wo Abtreibung weder gerichtlich verfolgt noch bestraft wird und noch dazu eine große Bandbreite an Verhütungsmitteln zur Auswahl steht. Strafbar macht sich nur, wer eine Abtreibung gegen den Willen der Schwangeren oder außerhalb einer medizinischen Einrichtung durchführt, wer nicht über die entsprechende ärztliche Lizenz für die Durchführung eines Abbruchs verfügt oder sich durch den Eingriff zu bereichern sucht. Schwangerschaftsabbrüche werden in Krankenhäusern unter angemessenen Bedingungen von qualifiziertem Personal und auf den Wunsch der Frauen durchgeführt. Diese machen von dieser Möglichkeit häufig Gebrauch. Laut Infomed, der offiziellen Website des staatlichen Gesundheitswesens, wurden 66.008 Abtreibungen im Jahr 2007 durchgeführt. Somit kommen 58,4 Abbrüche auf 100 Geburten und 36,9 Abbrüche auf 100 Schwangerschaften.

Vergleichbar ist diese Regelung nur mit der Regelung im Distrikt der mexikanischen Hauptstadt, wo seit einem Beschluss des Regionalkongresses der Hauptstadt vom April 2007, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Schwangerschaftswoche gesetzlich erlaubt sind. Die Krankenhäuser sind angehalten, den Eingriff auf Wunsch der Schwangeren durchzuführen. Diese muss dazu keine weiteren Erklärungen abgeben. Seither wurden in den verschiedenen Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsamts 1.300 Anfragen nach Beratung zum Ablauf des Eingriffs registriert, was etwa 5,5 Nachfragen täglich entspricht.

Anlässlich des Internationalen Aktionstags zur Frauengesundheit wurden vergangenen Mai von etwas mehr als 230 Fällen, die von dem Recht auf Abtreibung während der ersten 12 Schwangerschaftswochen Gebrauch machten, 140 Fälle näher untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass der Anteil von Analphabetinnen und mittellosen Frauen gerade einmal 0,7 Prozent beträgt, während 54 Prozent der Frauen den mittleren Gesellschaftsschichten angehören und über Berufsausbildungen und mittlere oder höhere Schulbildung verfügen. Über 80 Prozent der Frauen waren katholisch und nur 10 Prozent der Frauen minderjährig. 56 Prozent der Frauen waren zwischen 20 und 29 Jahre alt.

Erhebungen der Nationalen Autonomen Universität Mexikos (UNAM) aus dem Jahr 2008 zufolge, werden in Mexiko jährlich eine Million Abtreibungen durchgeführt. Die strafrechtliche Regelung bei Abtreibungen ist je nach Bundesstaat unterschiedlich. Es gibt insgesamt sieben verschiedene Fälle, in denen ein Abbruch legal ist: Schwangerschaftsabbrüche sind erlaubt, wenn die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung oder einer unfreiwilligen künstlichen Befruchtung ist, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, wenn der Fötus Missbildungen aufweist und schwere gesundheitliche Schäden zu fürchten sind oder wenn es aus Unbesonnenheit oder aufgrund des Versagens der empfängnisverhütenden Mittel zur Schwangerschaft gekommen ist. Ferner können wirtschaftliche Probleme einen Abbruch rechtfertigen. Doch in keinem Bundesstaat gelten alle Indikationen. Außerdem wurden bis zum 18. September in 16 mexikanischen Bundesstaaten ähnliche Regelungen verabschiedet, wie in der Dominikanischen Republik. Schwangerschaft als Folge einer Vergewaltigung ist die einzige Indikation, die im ganzen Land anerkannt ist, doch auch diese steht unter dem ständigen Druck der katholischen Kirche. Würde sie abgeschafft, hätte man in Mexiko dieselbe Situation wie in Chile, in El Salvador und in der Dominikanischen Republik. Trotz der gesetzlichen Regelung, Abtreibungen unter den genannten Umständen nicht als Straftat zu verfolgen, werden Frauen und Mädchen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, immer häufiger von reaktionären Kräften verfolgt.

In Staaten wie Kolumbien und Bolivien besteht kein generelles Abtreibungsverbot. Der Eingriff kann dort unter bestimmten Umständen straffrei durchgeführt werden. Im Mai 2006 erklärte das kolumbianische Verfassungsgericht Abtreibungen für erlaubt, wenn das Leben der Schwangeren gefährdet ist, wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung oder Inzest entstanden ist und wenn der Fötus so schwer geschädigt ist, dass er außerhalb des Mutterleibs keine Überlebenschancen hätte. Zuvor hatte in Kolumbien ein generelles Abtreibungsverbot bestanden. Dieses einschneidende Gerichtsurteil war das Ergebnis einer Eingabe der Anwältin Mónica Roa, die eine leitende Funktion im Women’s Link Worldwide (Sektion Kolumbien) innehat.

Zwar gilt die kriminologische Indikation – Straffreiheit im Falle, dass die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung ist – auch in Bolivien. Es werden jedoch faktisch keine Abtreibungen durchgeführt. Frauen und Mädchen sind daher in der Regel auch nach einer Vergewaltigung dazu gezwungen, das Kind auszutragen. Seit der Strafrechtsreform von 1999 wurde keine einzige straffreie Abtreibung durchgeführt, ebenso wenig wie vor der Reform, als Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und Gefährdung des Lebens der Schwangeren einen straffreien Abbruch rechtfertigen konnten.

In Guatemala, Argentinien und Uruguay besteht ein generelles Abtreibungsverbot. bei der strafrechtlichen Verfolgung können sich jedoch die Gefahr für das eigene Leben und eine vorangegangene Vergewaltigung strafmildernd auf die Urteilssprechung auswirken. In Uruguay können auch wirtschaftliche Notlagen und Ehrverletzungen als strafmildernde Umstände geltend gemacht werden. Dennoch wird von diesen Ausnahmen hauptsächlich deshalb kaum Gebrauch gemacht, weil die Anwendung des Artikels 328 des Strafgesetzbuchs niemals im Detail geregelt wurde. Außerdem existieren keinerlei Mechanismen, die den Frauen den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch in irgendeiner Weise erleichtern würden.

In Venezuela finden derzeit intensive Bemühungen um eine Ausweitung des Rechts auf straffreie Abtreibung zu erreichen. Diese ist gegenwärtig nur erlaubt, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Weder bei der im Jahr 1999 verabschiedeten Verfassung, die den Beginn des bolivarianischen Prozesses kennzeichnet, noch im Rahmen des Referendums im Jahr 2007, wurde dieses Anliegen der Frauenbewegung aufgegriffen. So gilt schließlich weiterhin das Strafgesetz aus dem Jahr 1915, das weder Vergewaltigung noch Inzest als Gründe für eine Abtreibung akzeptiert. Wird eine Abtreibung vorgenommen, um die Ehre der Frau oder eines Mannes zu retten, so wird dies als strafmildernder Umstand gewertet.

Nach Ansicht der mexikanischen Ärztin Sandra Peniche, Gründerin und Vorsitzende der Initiative Humanitäre Unterstützung im Bereich Sexualgesundheit und Reproduktion (Servicios Humanitarios en Salud Sexual y Reproductiva), findet die strafrechtliche Ahndung von Abtreibungen „ausschließlich im Interesse der Männer statt. Schließlich sind sie es, die den Eingriff durchführen und daran verdienen. Und die Frauen werden nicht einmal über Verhütungsmethoden informiert.”

Für Rossina Guerrero, Psychologin und Projektkoordinatorin des peruanischen Zentrums für Sexual– und Reproduktionsrechte Promsex (Centro de Promoción y Defensa de los Derechos Sexuales y Reproductivos), liegt es auf der Hand, dass „die strafrechtliche Verfolgung des Schwangerschaftsabbruches als Methode, Abtreibungen vorzubeugen oder diese zu verhindern, völlig versagt hat (…) Die Frauen riskieren ihre Gesundheit, ihr Leben und ihre persönliche Integrität aufs Spiel – abgesehen von der Illegalität ihres Handelns”, erklärt sie gegenüber SEMlac. Somit tragen die größte Last dieser strafrechtlichen Regelungen jene Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen und nicht die Frauen, die abtreiben lassen. Denn rein rechtlich müssten aufgrund von Abtreibungen eigentlich jedes Jahr mehrere Millionen Frauen ins Gefängnis gebracht werden.

Zugang zu Verhütungsmitteln

In der Mehrzahl der von uns betrachteten Länder gibt es kaum Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln oder der so genannten „Pille danach“. Regierungswechsel, die jeweils wieder zu einer veränderten Gesundheitspolitik führen und der Druck, den die Konservativen und die Kirche ausüben führen dazu, dass zwischenzeitliche Erfolge nicht unbedingt von Dauer sind.

Peru gilt beispielsweise als ein Land, in dem moderne Verhütungsmittel kaum zur Anwendung kommen. „Einer Erhebung aus dem Jahr 2008 zufolge, benutzten etwa 48 Prozent der Frauen Verhütungsmittel. In Kolumbien betrug dieser Anteil hingegen 78 Prozent. In Uruguay nutzten 75 Prozent, in Kuba 72 Prozent und in Brasilien 70 Prozent moderne Verhütungsmitte“, so die Psychologin Guerrero gegenüber SEMlac.

In Bolivien ergab die letzte landesweite Umfrage zum Thema Gesundheit ENDSA (Encuesta Nacional de Demografía y Salud), dass 35 Prozent der Frauen in den Jahren zwischen 2003 und 2008 Empfängnisverhütung betrieben, was in etwa dem Anteil in Guatemala entspricht. Demgegenüber sei die Nutzung so genannter natürlicher Methoden, wie allgemeine Abstinenz und Aussparung der fruchtbaren Tage, im gleichen Zeitraum von 23 auf 26 Prozent angestiegen waren, erklärte Ramiro Claure, Leiter des Netzwerks Marie Stopes International.

Wenn in Uruguay das „Gesetz zur Verteidigung des Rechts auf Sexualgesundheit und Reproduktion“ (Ley de Defensa del derecho a la salud sexual y reproductiva) verabschiedet worden ist, müssen sämtliche staatlichen und privaten Gesundheitszentren die gesamte Bandbreite von Verhütungsmethoden anbieten.

Die dominikanische Ärztin Lilliam Fondeur hat sich vehement der Aufnahme des Artikels 30 in die dominikanische Verfassung vehement entgegengestellt. Ihr Buch „Niemandes Töchter“ (Las hijas de nadie) enthält Erlebnisberichte von Frauen, die Opfer von Vergewaltigung oder Inzest wurden oder sich mit extremen Fällen von Anenzephalie des Fötus konfrontiert sahen. Als Anenzephalie wird die schwerste Variante eines Neuralrohrdefekts im zentralen Nervensystem des Fötus bezeichnet. Dabei fehlt ein Teil des Schädeldachs, der Kopfhaut und des Gehirns. „Zu meinen Aufgaben als Ärztin gehört für mich auch, in einer solchen Situation zum Abbruch der Schwangerschaft zu raten. Angesichts der gesellschaftlichen Haltung zum Thema und zusätzlich bedingt durch die Tatsache, dass man nicht wirklich offen reden kann, ist das nicht gerade ein angenehmer Job. Auch wenn ich nicht bestreite, dass man gut verdient, sofern die Frau Geld hat“, erklärt sie. „Ich zum Beispiel muss mich immer ganz genau rückversichern, wer die Frau ist und wer den Kontakt zu mir hergestellt hat, damit die Konservativen mich nicht zu fassen kriegen. Im Übrigen bin ich verpflichtet, nach einer Schwangerschaftsunterbrechung eine Spirale einzusetzen.“

Die Lebensrealität vor Ort zeigt jedoch, dass auch ein besserer Zugang zu Verhütungsmitteln den Frauen noch nicht die volle Kontrolle über ihre Sexualität garantiert. So berichtet zum Beispiel die Psychologin Denise Ampuero aus Bolivien gegenüber SEMlac: „Die Frauen benutzen keine Verhütungsmittel, weil ihre Männer es nicht erlauben. Sie schlagen und beschimpfen sie und tun so, als sei es ein Zeichen von Wahnsinn, Empfängnisverhütung praktizieren zu wollen. Was also nützt uns eine spektakuläre Kampagne, die den Frauen die Funktionsweisen von Verhütungsmitteln nahe bringen soll, wenn ihnen ihre Partner anschließend verbieten, diese Mittel anzuwenden?“

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