Empörung über Verhaftung von Yaqui-Sprecher Luna – politische Motive vermutet

von Gerd Goertz, Mexiko-Stadt

(Berlin, 17. September 2014, npl).- Mexiko ist um einen weiteren Fall reicher, in dem Führungspersonen aus sozialen Bewegungen kriminalisiert werden. Am vergangenen Donnerstag (11. September) nahmen in Zivil gekleidete Sicherheitskräfte in Ciudad Obregón, Bundesstaat Sonora, Mario Luna Romero fest. Luna gehört dem indigenen Volk der Yaqui an. Er ist Sprecher der Yaqui-Opposition gegen den Bau und Betrieb eines Aquäduktes im Bundesstaat. Außerdem gehört Luna zu den traditionellen Autoritäten von Vícam, dem Hauptort der acht Yaqui-Völker in Sonora.

Anklage wegen Entführung und Raub

Vícam ist zum Symbol des Widerstandes gegen die Wasserpläne des Gouverneurs geworden. Carlos Navarro Sugich, der Generalstaatsanwalt von Sonora, bestätigte die Festnahme. Gegen Luna Romero läge eine Anklage wegen der „wahrscheinlichen Verantwortung” für die Vergehen Entführung und Raub vor. Im August 2013 hatten die Yaqui zwei Tage lang einen ebenfalls zu ihrem Volk gehörenden Mann festgehalten, der mit seinem Auto absichtlich in eine Protestbarrikade gefahren war. Mario Luna befand sich damals nach mehreren Zeugenaussagen nicht am Ort des Geschehens.

Mehrere Dutzend zivile Organisationen und namhafte Einzelpersonen sprechen von einer fabrizierten Anklage und sehen sie als „Teil einer Kriminalisierungsstrategie gegen den Kampf der Yaqui“. Sie forderten Sonoras Gouverneur Guillermo Padrés Elías von der konservativen Partei der Nationalen Aktion PAN (Partido Acción Nacional) auf, die „repressive Eskalation gegen die Vertreter der Yaqui zu stoppen“. Zu dieser Strategie gehörten in den vergangenen Monaten auch direkte Drohungen von Polizeifunktionären gegen die Protestierenden.

Proteste gegen Wasserleitung

Amnesty International drückte in einer Eilaktion seine Sorge über die politische Motivation der Verhaftung aus, weil Mario Luna eine Führungsrolle bei den Protesten gegen die Wasserleitung innegehabt hätte. Die landesweite Organisation Nationaler Indigena-Kongress forderte in einer gemeinsamen Erklärung mit der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) die sofortige Freilassung von Luna.

Die Proteste gegen die Festnahme reichen vereinzelt sogar bis in die in Mexiko regierende Partei der Institutionellen Revolution PRI (Partido Revolucionario Institucional) hinein. Dies ist allerdings eher der Tatsache geschuldet, dass Sonoras Gouverneur der auf Bundesebene der oppositionellen PAN angehört. Zudem versuchen Padrés und Zentralregierung derzeit, sich gegenseitig die Verantwortung für das lange Zeit laxe Vorgehen gegen den Bergbaukonzern Grupo México zuzuschieben, dessen Filiale vor wenigen Wochen eine Umweltkatastrophe in Sonora verursachte. Eine besondere Note bekommt der Konflikt noch dadurch, dass drei hochrangige Regierungsfunktionäre den Gouverneur vor wenigen Tagen beschuldigten, auf seiner großen Ranch illegal einen privaten Staudamm gebaut zu haben.

Luna: „Nicht auf das perverse Spiel der schlechten Regierung einlassen“

Mario Luna beantwortete aus dem Gefängnis heraus schriftlich gestellte Fragen der Tageszeitung La Jornada. Der 43-jährige vierfache Familienvater sieht sich selbst als politischen Gefangenen. Er lässt auch durchblicken, dass er die Verhaftung zum aktuellen Zeitpunkt für ein Ablenkungsmanöver hält.

Da die Anklage gegen ihn schon länger bestünde und er häufig öffentlich auftrete, wäre seine Verhaftung lange vorher möglich gewesen. Er mahnte auch: „Wir dürfen uns nicht auf das perverse Spiel der schlechten Regierung einlassen, indem wir meiner Freilassung Vorrang geben, dabei aber den Kampf um das Wasser und das Territorium vernachlässigen.“

Regierung will Aquädukt und missachtet Gerichtsurteile

Unter Missachtung mehrerer Gerichtsentscheidungen, die sogar den vollständigen Rückbau der Wasserleitung vorsehen, will die Regierung von Sonora mit aller Macht den Betrieb des Aquäduktes durchsetzen. Die Leitung soll Wasser aus dem in den Yaqui-Fluss gebauten Staudamm El Novillo bis in Sonoras Hauptstadt Hermosillo führen. Die Yaqui verteidigen die Wasserrechte auf ihrem Territorium mit dem Hinweis auf ein Präsidentendekret aus dem Jahr 1940. Wie viele Landwirt*innen in Sonora befürchten sie zudem, dass die Wasserentnahme eine akute Wasserknappheit für große Teile der Landwirtschaft in Sonora bedeuten wird.

Die Proteste gegen das Vorhaben gehen weit über die Yaqui hinaus und finden Ausdruck in der Bürgerbewegung für das Wasser. Der Gouverneur begründet sein Vorgehen mit der Versorgung der Stadtbevölkerung. Es ist aber kein Geheimnis, dass vor allem die in Hermosillo und der Region angesiedelte Bier- und Autoindustrie ein besonderes Interesse an einer gesicherten Wasserzufuhr hat.

Der indigene Anwalt Francisco López Bárcenas, Angehöriger des Volkes der Mixtecos aus dem Bundesstaat Oaxaca und ein Experte der indigenen Geschichte Mexikos, schreibt in einem Zeitungskommentar: „Sonora brennt.“ Er warnte davor, „noch mehr Holzscheite ins Feuer zu werfen“.

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