“El Chapo” am Pazifik gefasst

von Wolf-Dieter Vogel

(Berlin, 24. Februar 2014, taz).- Er ist einer der reichsten Männer der Welt und war der meist gesuchte Kriminelle der US-Antidrogenbehörde DEA. Nun sitzt „El Chapo“, der „Kleine“, wie Joaquín Guzmán Loera wegen seiner geringen Körpergröße genannt wird, im Gefängnis. Marinesoldaten und Beamte der US-Antidrogenbehörde DEA haben den mexikanischen Mafia-Boss am Samstag in der Hafenstadt Mazatlán im Bundesstaat Sinaloa festgenommen. Der 56-jährige Chef des Sinaloa-Kartells wurde daraufhin in den Hochsicherheitsknast Altiplano nahe Mexiko-Stadt gebracht.

Für die Ergreifung Guzmáns hatten US-Behörden fünf Millionen US-Dollar ausgesetzt, die Mexikaner zudem 30 Millionen Pesos (ca. 1,8 Mio Euro). Nach Informationen der mexikanischen Zeitung „proceso“ geht die Festnahme des 56-jährigen auf Initiativen der DEA zurück. Die US-Beamt*innen hätten Guzmán eine Woche lang in Mazatlán observiert und dann die Marine informiert. Daraufhin wurde „der Kleine“ mit seiner Frau in einer Hotelanlage des Pazifik-Badeortes verhaftet. Bei dem Einsatz sei kein einziger Schuss gefallen, sagte Generalstaatsanwalt Jesus Murillo Karam.

Das Sinaloa-Kartell zählt zu den wichtigsten kriminellen Organisationen Mexikos und verfügt weltweit über gute Strukturen. Es ist in den Drogen- und Menschenhandel ebenso involviert wie in Waffenschmuggel sowie Geldwäsche. Mit den Rivalen der „Zetas“, der „Tempelritter“ und des Golf-Kartells liefert sich Chapos Organisation blutige Kämpfe um Transportrouten und Einflusszonen.

Guzmán, der aus einer armen Familie stammt, hat sich in der Organisation hochgedient. 1993 wurde er in Guatemala verhaftet, konnte aber 2001 aus einem mexikanischen Gefängnis in einem Wäschewagen fliehen. Danach baute er seine Macht immer mehr aus, 2009 nannte er laut der US-Zeitschrift Forbes mehr als eine Milliarde US-Dollar sein Eigen. Experten gehen davon aus, dass „der Kleine“ beste Kontakte zu Politiker*innen und Sicherheitskräften hat. In seiner Heimat im Bundesstaat Sinaloa konnte er sich recht frei bewegen. So feierte er dort unbehelligt in einem ausgiebigen Fest seine Hochzeit.

Einiges spricht dafür, dass das Kartell zeitweise von höchster Ebene gedeckt wurde. Bis heute ist der Verdacht nicht ausgeräumt, dass der damalige Präsident Vicente Fox bei der Gefängnisflucht die Finger im Spiel hatte. Zudem verweist der Sicherheitsexperte Edgardo Buscaglia darauf, dass im seit 2006 erklärten „Krieg gegen die Mafia“ kaum gegen das Sinaloa-Kartell vorgegangen worden sei. Der langjährige DEA-Mann Phil Jordan forderte nun, dass „El Chapo“ unmittelbar in die USA gebracht werden müsse: „Wenn er nicht ausgeliefert wird, flüchtet er bald wieder.“

Ob tatsächlich ein Fahndungserfolg oder Entscheidungen auf höchster Ebene hinter der Festnahme stecken, wird vielleicht nie bekannt werden. Unübersehbar ist aber, dass die Sicherheitsbehörden in letzter Zeit den Druck auf das Sinaloa-Kartell erhöht haben. In den letzten Tagen wurden mehrere Sinaloa-Mitglieder festgenommen. Man habe Guzmán schon früher verhaften wollen, erklärte der Strafverfolger Murillo Karam. Doch da die Anlage durch Tunnel mit zwölf weiteren Häusern verbunden gewesen sei, habe der „Kleine“ immer wieder entfliehen können.

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