Ein Brief von Milagro Sala aus dem Gefängnis

Von Milagro Sala

(Jujuy, 17. Januar 2018, desinformémonos).- Am 16. Januar sind seit meiner willkürlichen Verhaftung zwei Jahre vergangen. Seither ist der Machtapparat aus Justiz und Presse damit beschäftigt der Welt klarzumachen, dass ich die Schlimmste von allen bin. In Wahrheit ist es jedoch so, dass mit mir die blindwütige Verfolgung aller Andersdenkenden begonnen hat. Im Laufe der Zeit verlieren wir mehr und mehr den Überblick über die aktuelle Zahl politischer Gefangener, die inzwischen schon bei über 20 liegt. Sie sind Gefangene, weil sie eine bessere Welt wollen, weil sie für die Rechte der am stärksten Entrechteten eintreten, weil sie der Politik des Hungers und der Ausgrenzung – vorangetrieben durch die Regierung der Cambiemos-Funktionär*innen – die Stirn bieten. Und auch, weil sie die Brutalität gegenüber ihren Genoss*innen nicht verschweigen.

Besonders schmerzt mich der Fall Héctor Timerman. Mich erschüttert die menschliche Verkommenheit derer, die dafür gesorgt haben, dass sein Visum nicht anerkannt wurde und vor allem derer, die sich darüber freuen (Hector Timerman, Ex-Außenminister der Kirchner-Regierung, verhaftet und angeklagt u.a. wegen Landesverrat, wurde zunächst aus gesundheitlichen Gründen aus dem Gefängnis entlassen. Der schwer an Krebs Erkrankte wollte sich in den USA einer Operation unterziehen, ihm wurde jedoch das Visa verweigert, Anm.d.R.).

Zwei Jahre der Ohnmacht

Für mich persönlich waren das zwei sehr schwierige Jahre, die insbesondere von dem Gefühl der Ohnmacht geprägt waren. Wer mich in Freiheit kannte, weiß, dass ich nichts anderes getan habe, als mich für die Belange meiner Genoss*innen einzusetzen, manchmal auch für die von Menschen, die ich gar nicht kannte. Und nie ging es dabei um meinen eigenen Vorteil. Von den Aktionen im Einzelnen zu reden macht nicht viel Sinn, das habe ich schon oft gemacht.

Obwohl sie uns so sehr hassen und immer wieder versuchen alles dem Erdboden gleich zu machen, bleiben die von der Bevölkerung errichteten Bauten bestehen. Die Häuser, die Fabriken, das Kulturzentrum, die Schule – es ist alles noch da, real und sichtbar. Wobei ich zugeben muss, dass es mich wütend macht, wie sie die Gesundheitszentren eingestampft haben, die Tausenden von Menschen kostenlose Versorgung geboten haben, oder wie sie die Schwimmbäder und Sportzentren zerstört und niedergebrannt haben. Die waren für die Kinder aus den Wohnvierteln. So sehr hassen sie die Ärmsten der Armen, dass es ihnen nicht ausreicht, mich meiner Freiheit beraubt zu haben. Sie müssen auch noch Tausende Menschen aus Jujuy ihrer Grundrechte berauben.

Doch trotz des permanenten Drucks und der Verhaftungen bleiben meine Genoss*innen und ich unseren Überzeugungen treuer denn je. Sie haben geglaubt, sie würden uns kleinkriegen. Sie dachten, sie würden uns unsere Freude und unsere Würde nehmen. Es ist ihnen nicht gelungen. Sie sollen wissen, dass sie uns nur noch stärker gemacht haben.

Mein Dank gilt allen Aktivist*innen des „Komitees Freiheit für Milagro Sala“ sowie den Tausenden von Genoss*innen und Freund*innen, meiner Familie und allen mir unbekannten Personen, die in Menschenrechtsverbänden, in Kultur, Politik, in sozialen Initiativen, Gewerkschaften und anderen Organisationen solidarisch und ohne eine Gegenleistung zu verlangen an der Seite der politischen Gefangenen gekämpft haben.

Genoss*innen, lasst uns weiterkämpfen, bis aus den Bedürfnissen endlich Rechte werden.

Milagro Sala

Politische Gefangene. Jujuy. Argentinien

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