Die Sojakette – Globales Wirtschaften zu Lasten lokaler Bevölkerungen: Anbau in Südamerika und Masttieranlagen in Europa

von Laura Zierke

(Berlin, 07. Dezember 2009, npl).- Dass Sojamonokulturen in Paraguay und Argentinien mittlerweile die Landschaften bestimmen, ist wahrscheinlich keine Neuigkeit. Und dass Schweinemastanlagen zum Beispiel in Ostdeutschland in großem Stil aufgezogen werden, hat der eine oder die andere vielleicht auch schon mitbekommen. Welcher Zusammenhang aber besteht zwischen diesen beiden Entwicklungen? Es ist die so genannte Sojakette. Soja wird in Südamerika produziert, dann über den Ozean nach Europa verfrachtet und schließlich aufgrund seines hohen Proteinanteils an Masttiere verfüttert.

Immer mehr Gemeinden verschwinden in Paraguay und anderen lateinamerikanischen Ländern für den Anbau von Soja. Dafür werden Mio. Hektar Wald gerodet. So wurde in Paraguay im Jahr 2008 auf 2,6 Mio. Hektar Land Soja kultiviert – bei insgesamt nur 4,2 Mio. Hektar an ausgewiesener anbaufähiger Agrarfläche im Land. Der Verlust von Lebensraum und Arbeitsmöglichkeiten durch die stark industrialisierte Landwirtschaft macht den Menschen in Südamerika schwer zu schaffen.

In Mariscal Lopez, in Paraguay, wird in großem Umfang Soja angebaut. Die Bewohner*innen kennen die Folgen des Sojaanbaus: viele paraguayische Gemeinden sind bisher aufgrund der Ausweitung der Produktionsflächen verschwunden. Sie fürchten, dass auch sie ihre Heimat verlieren werden und in die größeren Städte abwandern müssen. Schon jetzt sind sie nicht mehr sicher, was sie von ihren eigenen Feldern ernten. Durch die Anwendung des Pestizids Roundup–Ready, das beim Sojaanbau eingesetzt wird, werden ihre Felder direkt belastet. Der Abstand zwischen besprühten Sojafeldern und den Gärten der Einheimischen liegt teilweise bei knapp zehn Metern. Die Folgen sind unter anderem die Wasser– und Bodenvergiftung und dramatische Gesundheitsprobleme. Nicht selten leiden Bewohner*innen der Anbaugegenden unter Kopfschmerzen, Durchfall und Hauterkrankungen. Die Krebs– und Fehlgeburtenrate ist höher als in anderen Gebieten. Auch gab es bereits Todesfälle, die direkt mit den Sprühungen des Pestizids in Verbindung gebracht werden können.

Der Anbau von Monokulturen festigt gleichzeitig auch die ohnehin schon ungleiche Verteilung von Land in Paraguay. Dreiviertel des Landes sind im Besitz von nur 1 Prozent der Bevölkerung. Landflucht und Armut sind die Folgen. Immer mehr Land wird an ausländische Investoren verkauft, während den Campesin@s nicht einmal genug Anbaufläche für die eigene Versorgung bleibt.

Die Menschen in Mariscal Lopez demonstrieren gegen den exzessiven Anbau von genmanipuliertem Soja, gegen die massiven Pestizidsprühungen und für eine intakte Umwelt und die Zukunft ihrer Kinder. In den letzten Monaten ist es dabei immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen mit Spezialeinheiten der Polizei gekommen. Schwerverletzte und Tote sind auf der Seite der Demonstrant*innen zu verzeichnen.

Am anderen Ende dieser Sojakette wird das in Paraguay angebaute Soja an Masttiere verfüttert. So zum Beispiel in den Schweinemastanlagen in Deutschland. In den letzten Jahren geraten immer mehr ostdeutsche Gemeinden ins Visier von niederländischen Investoren. Auf dem Gelände von ehemaligen LPG–Tierproduktionsbetrieben werden nun wieder Schweinezucht– und Schweinemastanlagen geplant. In Alt–Tellin in Mecklenburg soll eine Anlage für 250.000 Ferkel entstehen, die von 10.000 Muttersäuen „produziert“ werden. In Immenrode im Kyffhäuserkreis leben 500 Menschen, der Investor Henry von Asten plant eine Mastanlage mit 14.000 Tieren.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative Immenrode befürchten, dass die Böden und das Wasser infolge der Güllemassen vergiftet werden, der Gestank und das hohe Verkehrsaufkommen die Tourist*innen in Zukunft fern halten wird und kleinere Betriebe aufgrund der Preiskonkurrenz eingehen werden. All das kann nicht durch die angekündigte Schaffung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt werden: Faktisch sollen nur 4,5 Arbeitsplätze entstehen.

Die Politiker*innen stehen auf kommunaler Ebene hinter den Immenroder*innen, die Landesregierung jedoch ist in gutem Kontakt mit dem niederländischen Investor Henry von Asten: Bauland wird van Asten zugesprochen, dass noch kurz zuvor als Aufforstungsgebiet genutzt werden sollte. Die Landesregierung kann damit nur glänzen. Schließlich wird das BIP in Thüringen gesteigert, wenn die Ferkel werden in Nordhausen „produziert“, in Immenrode gemästet und schließlich in Weimar geschlachtet werden. Seit Jahren wehren sich die Immenroder*innen – bislang erfolgreich – dagegen, dass diese Politik auf ihrem Rücken ausgetragen wird.

An beiden Enden der Sojakette gibt es – wenn auch in unterschiedlichem Maße – Arbeitslosigkeit, Vertreibung, Umweltverschmutzung und entgegengesetzte Positionen von Bürger*innen auf der einen und Politiker*innen auf der anderen Seite. Und auf beiden Seiten der Welt gibt es den festen Willen, sich gegen die Profitgier von einigen und für den eigenen Lebensraum einzusetzen. Mit einer Videobotschaften–Aktion der niederländischen NGO „A Seed“ konnten sich die betroffenen Bürger*innen in Paraguay und Deutschland und den Niederlanden gegenseitig ihre Lage erzählen und sich Mut machen – und sich somit trotz der Entfernungen solidarisieren.

(Vergleiche hierzu auch den Audiobeitrag der Autorin im Rahmen der Kampagne “Knappe Ressourcen? – Gemeinsame Verantwortung!” der unter der URL http://www.npla.de/onda/content.php?id=976 kostenlos angehört und heruntergeladen werden kann)

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