Die Militarisierung Oaxacas und die Lehrer*innenschaft

Kniffliger Hinterhalt

Außerdem gerieten sie in eine sehr besondere Art von Hinterhalt. Als sie sich vor der Leitung der weiterführenden Bundesschule Nummer 64 präsentierten, um sich nach den Bedürfnissen der Schule zu erkundigen, legte der Schulvorstand eine sehr genaue Liste vor: zwei neue Aulen, 30 Computer, einen Kunstraum und Verkabelungspläne. Die Antwort der Gendarmerie fiel ablehnend aus. Zwar kündigte die Regierung die Bereitstellung von 1 Milliarde Pesos (derzeit etwa 54 Millionen Euro) für die Reparatur von Infrastrukturmängeln an. Doch sie kann nur Personal anbieten, das Bäume stutzt, säubert und Wände anstreicht.

Für die Regierungsstrateg*innen war die Reaktion der Bundesschule 64 ein unerwarteter Reinfall. Sie begannen ihre Schulverschönerungskampagne gerade deswegen in Santa María del Tule, weil die Lehrer*innenbewegung dort relativ schwach ist. Die Beziehung zwischen örtlichen Behörden und den Lehrer*innen ist alles andere als glänzend. Das Lehrpersonal in dieser Gemeinde nimmt nur eingeschränkt an den Protesten teil. Normalerweise geschieht dies durch Kommissionen, denn der Landkreis erlaubt ihnen nicht, Klassen ausfallen zu lassen. Trotzdem ging in dieser weiterführenden Schule der Plan der Gendarmerie nicht auf.

„Wir haben absolut kein Interesse daran, dass sie in den Schulen sind“

Es handelt sich nicht um den einzigen Fall. Statt die Unterstützung der Schuleltern hervorzurufen, hat die Ankunft der Gendarmerie Unbehagen und Misstrauen provoziert. Soledad del Rocío Ramos, Sprecherin der Landeskoordination der Schuleltern, mahnte an: „Die Polizisten müssen auf der Straße sein und Kriminelle suchen, die Sicherheit garantieren. Wir haben absolut kein Interesse daran, dass sie in den Schulen sind. Wir werden das Eintreffen der Polizisten in den Schulen ablehnen.“ Für viele oaxaqueñische Gemeinden, die unter prekären Verhältnissen und Arbeitslosigkeit leiden, ist die Arbeit der Uniformierten ein Affront. In ihren Dörfern gibt es Gärtner Maurer, Klempner, Elektriker, Architekten und Ingenieure. Warum die Arbeit nicht ihnen geben?

Die Aktionstage für Würdige Schulen in Oaxaca sind die freundliche Seite der Militarisierung des Bundesstaates. Es ist der Versuch, den Widerstand der Lehrer*innenschaft gegen die Bildungsreform zu brechen. Und es handelt sich um ein weiteres Bindeglied einer in der Präsidentenresidenz Los Pinos entschiedenen Strategie. Mit dieser Strategie begann man eine Woche vor den Parlamentszwischenwahlen vom 7. Juni. Die Regierung des Bundesstaates will das verschleiern, indem sie im mexikanischen Senat und Abgeordnetenhaus a posteriori den Streifendienst und die Kontrolle durch Armee, Luftwaffe und Marine anforderte.

Ausnahmezustand bar jeder gesetzlichen Grundlage verschlimmert Situation

In der Praxis haben die Truppenentsendung und die Kontrollgänge in den Straßen eine Art Ausnahmezustand geschaffen, für den es keine gesetzliche Vollmacht gibt. Weit davon entfernt, für Sicherheit zu sorgen, hat die Präsenz von Soldat*innen und Polizist*innen in Einkaufszentren, Hotels und an Orten des gesellschaftlichen Zusammenlebens eine wachsende Irritation unter den Bewohner*innen von Oaxaca-Stadt erzeugt. Die Uniformierten beeinträchtigen das tägliche Zusammenleben. Die Zwischenfälle zwischen gewöhnlichen Bürger*innen und Militärs, die sich arrogant verhalten, sich betrinken oder Drogen konsumieren, nehmen mit jedem Tag zu.

Teil der Kampagne ist ebenfalls der Versuch, Funktionär*innen des Einwohnermeldeamtes sowie die kommunalen Behörden insgesamt in den Kreuzzug gegen die Lehrer*innen und für die Bildungsreform und das neue Staatliche Bildungsinstitut Oaxacas (IEEPO) einzubinden. Das Manöver hat keinen Erfolg gezeitigt.

Spaltungsstrategien der Regierung fruchten nicht

Bürgermeister*innen und Stadträte verweigern die Konfrontation mit den Lehrenden. Um die Beschäftigten im Erziehungssektor von ihren natürlichen Verbündeten, den Schuleltern und Gemeinden, zu isolieren, hat die Bundesregierung nicht gezögert, die Programme zur Armutsbekämpfung einzusetzen. Unter Drohungen und Druck sind bezugsberechtigte Mütter des Programms Progresa zu Versammlungen mit der Sozialministerin Rosario Robles herangekarrt worden, bei denen die Ministerin die Lehrer*innen attackiert.

Gleichzeitig tritt der PRI-Angehörige Héctor Pablo Ramírez Puga, Anwärter auf den Gouverneursposten in Oaxaca und ehemaliger Mitarbeiter von Ex-Gouverneur Ulises Ruiz, auf den Treffen gegen die demokratischen Lehrer*innen für das Ministerium auf. Er hat angekündigt, dass die vom staatlichen Verteilsystem Liconsa angebotene Milch einen Peso kosten wird [landesweit wurde erst im Juli eine Preiserhöhung von 4.50 auf 5.50 Pesos angekündigt].

Der manipulative Einsatz der Sozialprogramme durch Rosario Robles ist bei Lehrer*innen und Schuleltern schlecht angekommen. Einige der vom Sozialministerium einberufenen Versammlungen wurden aufgrund der Lehrer*innenproteste abgesagt. Auf anderen prangerten die Progresa-Bezugsberechtigten an, unter Druck und Drohungen zur Teilnahme bewegt zu worden sein. Die Elternsprecherin Soledad del Rocío Ramos nahm gegenüber der Sozialministerin kein Blatt vor den Mund: „Es ist traurig, dass es die Stimme einer Frau und Mutter ist, die sich nicht um unsere Kinder kümmert und sich für das perverse Spiel von Bundes- und Landesregierung in diesem Krieg gegen die Lehrer*innen hergibt.“

Zehntausende Bildungsangestellte protestierten im Juli und August

Bisher ist die Regierungsstrategie, den Bundesstaat zu militarisieren und die Schuleltern gegen die Lehrer*innen aufzustellen, gescheitert und kontraproduktiv gewesen. Trotz der massiven Präsenz von Uniformierten und Hubschraubern demonstrierten am 27. Juli und 14. August zehntausende Bildungsbeschäftigte organisiert und diszipliniert in Oaxaca-Stadt, ohne sich auf Provokationen einzulassen. Trotz des repressiven Klimas gegen sich, bewahrt die Bewegung ihrer Kampfbereitschaft, Einheit und Mobilisierungskraft.

Das Bildungsproblem in eine polizeilich-militärische Angelegenheit zu verwandeln, die Feindseligkeit der Gemeinden gegen ihre Lehrer*innen anzustacheln und die Gereiztheit der oaxaqueñischen Gesellschaft zu nähren, verheißt nichts Gutes. Wie es hunderte Spruchbänder auf den Demonstrationen sagen: Der Drogenboss El Chapo befindet sich nicht in Oaxaca. Die Lehrer*innen sind ein Faktor zugunsten der Regierbarkeit im Bundesstaat. Wenn sie gedemütigt werden, könnte sich dies ins Gegenteil wandeln.

Dieser Artikel ist Teil unseres diesjährigen Themenschwerpunkts:

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