Die Homo-Ehe: Ein Gesetz mit Signalwirkung

von Martín Segura, Birgit Krug

(Berlin, 13. November 2010, npl).- Nun wurde also Argentinien zum ersten Land Lateinamerikas, in dem homosexuelle Paare heiraten dürfen – und zwar mit den gleichen Rechten wie heterosexuelle Paare.

 

Das entsprechende Gesetz, das eine Erweiterung des Zivilrechts bedeutet, wurde nach langer parlamentarischer Debatte im Juli dieses Jahr verabschiedet und umgehend durch die Exekutive in Kraft gesetzt.
 

Abbau von Diskriminierung

Karina Freire, Aktivistin und Teil des argentinischen Zusammenschlusses von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*personen ist überzeugt davon, dass das Gesetz große gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringt. Für die Aktivistin bedeutet es einen wichtigen Schritt in Richtung Abbau von Diskriminierung und Selbstdiskriminierung. “Jetzt haben wir keine Angst mehr, uns öffentlich zu küssen und zu umarmen”, versichert sie.

Dieses Gesetzesprojekt, für das die schwul-lesbische Community und verschiedenste andere Menschenrechtsorganisationen jahrelang kämpften und das drei Monate lang durch diverse Kommissionen des argentinischen Parlaments ging, bringt gesellschaftliche Gleichstellung nun bis in die Institution Ehe.

Für Karina Freire, die auch einer NGO vorsteht, die sich für die Rechte auf Gleichstellung in Argentinien einsetzt, bedeutet dieses Gesetz der Anfang vom Ende einer Debatte, die ihrer Ansicht nach in ein paar Jahren bereits anachronistisch anmuten wird. Die juristische Anerkennung von lesbischen und schwulen Paaren in Form der Homo-Ehe sei ein Gewinn für die ganze Familie, so Freire.

Rechtssicherheit für homosexuelle Paare

Wenn zum Beispiel zwei Frauen geheiratet haben und eine der Ehepartnerinnen stirbt, bleiben die Kinder, die mit ihnen gelebt haben automatisch bei ihrer Partnerin. Die Partnerin hat nun auch das Recht, das Erbe mit auszuhandeln und zu entscheiden, was mit dem Körper der Verstorbenen geschieht. Andere Vorteile, die das Gesetz bringt, sind die Vermögensaufteilung bei einer Scheidung oder auch der Zugang zur Sozialversicherung für die Ehepartnerin und ihre Familie.

Im ersten Monat nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur Homo-Ehe heirateten in Argentinien 103 Paare. Mehr als die Hälfte der frisch Vermählten war bereits über 50 Jahre alt. Karina Freire erklärt, dass es sich bei ihnen um Paare handele, die bereits mehr als 20 Jahre zusammen waren und die sich nun entschieden hätten zu heiraten, weil sie gerne eine Sozialversicherung teilen wollten, weil sie gesundheitliche Probleme hatten – oder einfach nur, weil sie sich nach so langer gemeinsamer Zeit einfach umeinander kümmern wollten.

Gesetz mit Signalwirkung

“Mit dem neuen Gesetz nimmt die ganze Welt homosexuelle Paare wahr und wir hören auf, eine heuchlerische Gesellschaft zu sein”, hebt die Aktivistin hervor. Die Grundlage für das Gesetz zur Homoehe in Argentinien bildeten ähnliche Gesetze in Spanien und Kanada. So ist die Homo-Ehe der heterosexuellen Ehe nun gleichgestellt, was auch das Recht auf Adoption beinhaltet.

Zudem erlaubt das argentinische Gesetz die Eheschließung von nicht-argentinischen Personen gleichen Geschlechts. Karina Freire versichert, dass das Gesetz bereits Vorbildcharakter für vergleichbare rechtliche Regelungen auf dem ganzen Kontinent hat.

Es wirke wie eine Gießkanne in ganz Lateinamerika und werde von den Brüdern und Schwestern in Chile, Kolumbien, Uruguay und Brasilien kopiert werden, so die Aktivistin. Anders gesagt: Das Gesetz zur Homo-Ehe geht weit über eine schlichte Reform des argentinischen Zivilrechts hinaus.

Von dem neuen Gesetz zur Homo-Ehe gehen noch viel mehr Impulse in Richtung anderer Kämpfe aus: durch diesen Erfolg erhalten Kampagnen zur Sexualaufklärung an Schulen oder der Kampf für ein Gesetz zur selbstbestimmten Identität von Trans*Personen Auftrieb. So war die Forderung nach dem Gesetz “Ley de identidad de género” auch Motto der “Marcha de orgullo”, einer Demonstration, die Anfang November in Buenos Aires stattfand und an der etwa 150.000 Menschen teilnahmen.

(Foto: Sebastián-Dario/Flickr)

 

Vergleiche hierzu auch den Audiobeitrag der Autor*innen im Rahmen der Kampagne „Menschen. Rechte. Stärken!“, der unter der URL http://www.npla.de/de/onda/serien/menschenrechte/content/1113 kostenlos angehört oder heruntergeladen werden kann.

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