Dem Rio São Francisco wird das Wasser abgegraben

von Astrid Schäfers

(Berlin, 17. Juli 2009, npl).- Die Idee, Wasser des 3.000 km langen Flusses São Francisco, im Nordostens Brasiliens, in die trockensten Gebiete der Region umzuleiten, gab es bereits im 19. Jahrhundert unter dem portugiesischen König Dom Pedro II.

Das Umleitungsprojekt der brasilianischen Regierung zielt jedoch nicht auf die Wasserversorgung der Bevölkerung ab. Es soll stattdessen die Shrimp–Industrie und Monokulturen tropischer Früchte in jenen Regionen mit Wasser versorgen, in denen bereits genügend Wasservorräte vorhanden sind. Der Gouverneur des stark von Großgrundbesitz und Monokulturen geprägten nördlichen Bundesstaates Ceará, Cid Gomes, ist besonders stark an der Umleitung interessiert. 2004 hatte er bereits einen Umleitungskanal am Castanhão, einem Nebenfluss des São Francisco bauen lassen.

Seit das brasilianische Militär im Juni 2007 mit dem Bau der beiden riesigen Umleitungskanäle am São Francisco begonnen hat, sind bereits 1.800 Familien zwangsumgesiedelt worden. Die Kanäle führen durch das Gebiet 32 indigener Gruppen. Mit dem Fortschreiten der Bauarbeiten stehen noch etliche Zwangsumsiedlungen bevor. Inzwischen hat sich ein breites Oppositionsbündnis aus – zum Teil nun ehemaligen –Flussanwohner*innen, NGOs und kirchlichen Gruppen gebildet. Da die Proteste gegen den Bau der Umleitungskanäle aber bisher von der brasilianischen Regierung ignoriert wurden, reiste Mitte Mai dieses Jahres der katholische Bischof Dom Luis Cappio nach Deutschland und Österreich und warb für internationale Unterstützung gegen das Projekt. Das Vorhaben der Umleitung des Rio São Francisco ist innerhalb des ehrgeizigen Wachstums–Programms der Regierung Lula bezüglich der Genehmigungsverfahren bereits am weitesten fortgeschritten. Die Euphorie in Zusammenhang mit der Produktion von Agro–Treibstoffen, vor allem von Ethanol aus Zuckerrohr, verstärkt noch zusätzlich den Druck in Richtung der Realisierung des Projektes.

Bischof Dom Cappio war bereits nach seinem Hungerstreik im Jahr 2005 zur Symbolfigur für den Erhalt des natürlichen Gleichgewichts des Flusses São Francisco geworden. Nachdem der oberste brasilianische Gerichtshof im Juli 2007 zugunsten der Fortführung der Bauarbeiten entschieden hatte, ging er erneut in den Hungerstreik. Angesichts des sichtlich geschwächten Zustands von Dom Cappio erklärte der brasilianische Präsident Lula vor der Presse, er müsse sich zwischen dem Leben des Bischofs und dem der Bevölkerung entscheiden. Inzwischen ist jedoch klar geworden, dass das Projekt der lokalen Bevölkerung in keinster Weise zugute kommt. Das Beispiel des Umleitungskanals am Nebenfluss Castanhão zeigt, dass die Bevölkerung infolge des Kanalbaus den natürlichen Zugang zu Wasser verloren hat und die am Fluss lebenden Gemeinden völlig zerstört wurden. Dort, wo sich vorher die Gemeinde “Kilometer 7” befand, wachsen heute auf dem Land von Großgrundbesitzer*innen tropische Früchte für den Export nach Europa.

Mit dem Forschreiten des Baus der Umleitungskanäle verlieren 12 Millionen Menschen im Einzugsbereich des Flusses den natürlichen Zugang zu Wasser. Sie sind dadurch vollkommen auf Wasser aus der Leitung angewiesen, dessen Kosten Schätzungen zufolge von 0,003 Cent auf 21 Cent pro Liter ansteigen werden. Der Priester Dom Tomás Balduino spricht vom teuersten Wasser der Welt. Die Weltbank lehnte die Förderung des Projekts mit dem Argument ab, es habe eine kommerzielle Ausrichtung und würde armen Bevölkerungsgruppen nicht zugute kommen.

In Freiburg erhielt Dom Cappio für sein Engagement zum Schutz des natürlichen Gleichgewichts des São Francisco und für dessen Erhalt als Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung den Kantpreis. In seiner Dankesrede unterstrich der Bischof, dass das Umleitungsprojekt lediglich der „sicheren Wasserversorgung riesiger Obstexportunternehmen, der Produktion von Agrotreibstoffen, von Krabben und Stahl“ diene.

Über die Verfassungsklage der Partei für Sozialismus und Freiheit, PSOL, muss erst noch entschieden werden. Wegen der Verletzung von in der Verfassung verankerten Rechten indigener Gruppen durch das Umleitungsprojekt, hatte die PSOL Klage eingereicht. Die Kampagne „Indigene Völker verteidigen den São Francisco Fluss gegen die Ableitung“ fordert eine öffentliche Anhörung vor dem obersten brasilianischen Gericht.

(vgl. auch den gleichnamigen Audiobeitrag im Rahmen der Kampagne „Knappe Ressourcen? Gemeinsame Verantwortung“ des NPLA: http://www.npla.de/onda/content.php?id=889)

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