Costa Rica steht ein schwieriges Jahr bevor

von Cesar Barrantes und Markus Plate

(San José, 17. Januar 2012, voces nuestras).- Costa Rica erwartet im neuen Jahr soziale Spannungen und eine sich weiterhin verschlechternde wirtschaftliche Konjunktur, auch wenn dramatische Einschnitte ausbleiben dürften. Das ist jedenfalls die Prognose namhafter costa-ricanischer Analyst*innen.

 

 

Die Soziologin Montserrat Sagot erwartet, dass die sozialen Spannungen und Proteste im neuen Jahr noch zunehmen dürften, zumal die costa-ricanische Regierung weiterhin keine Bereitschaft zeigt, soziale Programme auf den Weg zu bringen. Ob die zu erwartenden sozialen Proteste jedoch die Politik genügend unter Druck setzten können, bezweifelt Sagot. Die soziale Bewegung sei sehr fragmentiert, was ihre Schlagkraft auch im Jahr 2012 entscheidend zu schwächen droht.

Fragmentierte soziale Bewegung

„Wir haben durchaus sehr diverse aber eben auch sehr fragmentierte soziale Initiativen, die es bislang nicht geschafft haben, funktionierende Kommunikationskanäle untereinander zu etablieren. Deswegen sind wir weit entfernt von einer geeinten sozialen Bewegung, sondern wir sehen vereinzelte und nicht abgestimmte Aktionen“, sagt Sagot. Einige, wie die Umwelt- oder die Frauenbewegung hätten Tradition, seien gut organisiert und hätten auf ihrem Gebiet Gewicht, aber um wirklich etwas Grundlegendes bewegen zu können, dazu fehlte es den Organisationen auch an Raum zum Dialog untereinander und das mache insgesamt die Schwäche der sozialen Bewegung in Costa Rica aus.

Auf Regierungsseite seien nicht einmal Tendenzen oder Signale zu sehen, um der ernster werdenden wirtschaftlichen und sozialen Lage Herr werden zu wollen. Statt Strategien gegen steigende Arbeitslosenzahlen und die zunehmende Armut zu entwickeln, sei die von der Nationalen Liberalen Partei PLN (Partido Liberación Nacional) gestellte Regierung entschlossen, einen „Plan Fiscal“, eine große Steuerreform nach Möglichkeit mit Unterstützung der größten Oppositionspartei Partei der Bürgeraktion PAC (Partido Acción Ciudadana) durchzusetzen, um das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Doch diese Steuererhöhungen würden, wenn sie denn beschlossen werden, das Leben noch einmal deutlich verteuern und in der Folge würde die soziale Lage noch einmal angespannter.

Niedriges Wirtschaftswachstum

Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Luis Paulino Vargas erwartet für 2012 zwar ein geringes Wirtschaftswachstum, das aber nicht ausreichen werde, um die sozialen Probleme zu lindern oder das Haushaltsdefizit zu verringern. Vargas prognostiziert eine weitere Verschlechterung der sozialen Lage, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Während er kaum ein Jobwachstum erwartet, dürften sich die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern, die Reallöhne weiter sinken, während mangels Alternativen mehr und mehr Menschen informellen Beschäftigungen nachgehen müssten. Das prognostizierte Wirtschaftswachstum von maximal vier Prozent dürfte zudem nicht ausreichen, um das Haushaltsdefizit Costa Ricas bedeutend zu reduzieren.

Vargas kritisiert die Regierung und die Wirtschafts- und Medienelite des Landes scharf dafür, dass sie weiterhin an neoliberalen Konzepten festhält, obwohl gerade diese Konzepte in weiten Teilen der Welt geradewegs in Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzkrisen geführt hätten. Vargas schreibt das schwache Wirtschaftswachstum eben diesen neoliberalen Konzepten der letzten drei Jahrzehnte zu, die sich im Falle Costa Ricas einseitig auf Rohstoffexport in Richtung USA und Europa und das Anlocken von Tourist*innen aus diesen Ländern konzentriert hätte. Er erinnert daran, dass sich sowohl die soziale, wie auch die wirtschaftliche Lage auf Grund dieser Fokussierung vor allem in den letzten vier Jahren extrem verschlechtert hätten.

Gemeinsames Handeln von Regierung und Opposition erforderlich

Auf der politischen Ebene glaubt der Politikwissenschaftler Carlos Carranza, dass für die Regierung nun darauf ankommt, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik wieder die Kontrolle zurück zu gewinnen und sieht eine dringende Notwendigkeit für ein gemeinsames Handeln von Regierung und Opposition. Die Parteien seien gefordert, endlich ehrlich die Lage zu analysieren und dann zu verabreden, welche drängenden Themen in diesem Jahr und darüber hinaus angegangen werden sollen, anstatt sich gegenseitig im Kongress zu blockieren.

Wenn in diesem Jahr diesbezüglich keine Weichen gestellt werden, sehe er schwarz, denn ab nächstem Jahr sei Wahlkampf und dann gehe es nur noch darum, wer sich für die Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2014 in eine gute Position bringt.

Carranza hält die Probleme Costa Ricas durchaus für lösbar, das setze aber eine Reife der politischen Klasse voraus, die nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers jedoch im Moment nicht zu erkennen ist. Dem einstigen zentralamerikanischen Musterland Costa Rica stehen schwierige Monate bevor.

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