Calderón, der Wahlverlierer

von Salvador González Briceño

(Quito, 06. Juli 2010, alai).- Orientierungslos, wie es in den vergangenen Wochen der Fall war, wird Präsident Felipe Calderón ab jetzt der einsame Bewohner von Los Pinos (dem Amtssitz des mexikanischen Präsidenten in Mexiko-Stadt) sein. Zu feiern gibt es nichts, denn nach Ablauf von dreieinhalb Jahren seiner sechsjährigen Amtszeit hat Calderón keine größeren Erfolge vorzuweisen. Er hatte sich aber auch von Anfang an keine wichtigen Ziele vorgenommen. Dies wird jetzt noch weniger der Fall sein, da seine Partei der Nationalen Aktion PAN (Partido Acción Nacional) an Glaubwürdigkeit im Land verloren hat.

Calderóns hat ein Problem; wenn er das Hauptversprechen seiner Regierung, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, nicht einhalten kann, bleibt nichts mehr für ihn zu tun. Nebenbei hat er noch die Armee im Krieg gegen das organisierte Verbrechen verschlissen. Calderóns grundsätzlich kurzfristiger Blick hat ihn daran gehindert, Pläne zu erstellen, wie sich die dringendsten Probleme des Landes lösen lassen – und von diesen hat Mexiko zahlreiche.

Die Niederlage seiner PAN bei den Regionalwahlen vom 4. Juli hat dafür gesorgt, dass Calderón noch weniger politischen Rückhalt hat. Erst recht gilt dies für seinen jüngsten Versuch, die politischen Kräfte des Landes zusammenzurufen, um eine Lösung für die systematische Krise zu finden, die Mexiko erlebt. Deren Ursache ist zu einem großen Teil dem Mangel an Regierungsangeboten geschuldet, ebenso der gescheiterten Strategie im Kampf gegen das Drogenproblem seit Beginn von Calderóns Amtszeit. Der Präsident ist der große Verlierer.

Künftig bleibt dem Präsidenten wenig. Einen schonungslosen Kampf fortzusetzen mit dem Versprechen, das organisierte Verbrechen und den Drogenhandel zu bekämpfen und zu kontrollieren. Doch er wird weiterhin scheitern, er wird die Lage des Landes verschlechtern und sein eigener Verschleiß wird sich beschleunigen. Das heißt, die Präsidentschaft Calderóns wird sich schwächen und für Mexiko wird die Situation noch schwieriger.

An politischer Unterstützung hat ihm seine Partei in der jetzigen Lage wenig anzubieten. Mit der PAN geht es bergab. Dies ist vor allem die Konsequenz aus einer gescheiterten Regierung. Wenn die Partei der Institutionellen Revolution PRI (Partido Revolucionario Institucional) die Gewinnerin der Regionalwahlen vom 4. Juli war – sie wird neun von zwölf Gouverneuren stellen – so ist die PAN mit ihrem Präsidenten die Verliererin. Allerdings hat auch die Partei der demokratischen Revolution PRD (Partido de la Revolución Democrática) an Unterstützung verloren, vor allem konnte sie nicht das wichtige Gouverneursamt von Zacatecas behaupten.

Was die Siege des Wahlbündnisses aus PAN und PRD in den Bundesstaaten Puebla, Oaxaca und Sinaloa betrifft, so verdanken sie diese nicht einem erfolgreichen Wahlkampf, sondern sie waren eher das Ergebnis der schlechten Arbeit der bisherigen Amtsinhaber, die sich die Ablehnung ihrer Bevölkerung zuzogen.

Da ist auf der einen Seite das Klima der Gewalt und die blutige Bilanz der beträchtlichen Repression, für die Gouverneur Ulises Ruiz in Oaxaca verantwortlich zeichnet. Diese richtete sich nicht nur gegen die Volksversammlung der Völker Oaxacas APPO (Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca) und gegen die Lehrergewerkschaft SNTE im Jahr 2006, sondern gegen die Bevölkerung allgemein, und zwar während der gesamten Regierungszeit von Ulises Ruiz. In Puebla machte dem Gouverneur Mario Marín und seinen Kumpanen ein Skandal um ein Päderasten-Netzwerk zu schaffen, das die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Lydia Cacho aufgedeckt hatte. Beide Gouverneure, würdige Erben des Auftretens der alten PRI, herrschten nach Kazikenart und taten sich zusammen – mit der Folge, dass die Bevölkerung ihrer Bundesstaaten sich gegen sie vereinte und die angebotene Alternative wählte.

Diese Alternative stellten weniger die Parteien als deren Kandidaten dar. Generell gab es auch keine anderen Optionen. Dies ist der Fall bei Gabino Cué und Rafael Moreno Valle, sowie bei Mario López Valdés in Sinaloa, der auch für ein breites Bündnis aus PAN, PRD, Partei der Arbeit PT (Partido del Trabajo) und Convergencia kandidierte. Dabei ist hervorzuheben, dass der amtierende Gouverneur von Sinaloa den Kampf gegen das Drogenkartell praktisch aufgegeben hatte, das von Joaquín „El Chapo“ Guzmán angeführt wird.

Mit anderen Worten, weder PAN noch PRD haben die Wahlen dank eigener Verdienste gewonnen, sondern sie waren Nutznießerinnen der wohlverdienten Ablehnung, auf welche die Gouverneure der PRI mit ihrer Kazikenart stießen. Die PRI wiederum entriss ihren Konkurrentinnen wichtige politische Räume, wobei sie in Zacatecas vom internen Streit der PRD profitieren konnte. Hier konnten sich Amalia García und Ricardo Monreal nicht einigen, um gemeinsam gegen einen schwachen gegnerischen Kandidaten erfolgreich zu sein. In den Bundesstaaten Tlaxcala und Aguascalientes trug der PRI den Sieg über den PAN davon, was in einem Fall durch eine Spaltung der PAN begünstigt wurde.

Der 4. Juli trug zur Klärung einiger wichtiger Hypothesen über den aktuellen politischen sowie den Wahl-Prozess im Land bei. Berücksichtigt man das Jahr 2011 mit Schlüsselwahlen wie jener für das Gouverneursamt des Bundesstaates Mexiko, beginnt sich deutlich abzuzeichnen, was 2012 geschehen wird, wenn ein Wechsel im Präsidentenamt fällig ist. Die deutlichste Tendenz scheint die zu sein, dass die PRI wieder in Los Pinos einziehen wird. Noch ist nichts sicher. Die Ergebnisse der Regionalwahlen lassen sich aber als eine allgemeine Ablehnung der PAN bilanzieren. Die PRD muss ihre Ernte erst noch einfahren. Welchen Preis diese Partei, die im linken politischen und ideologischen Spektrum Mexikos verortet ist, wird zahlen müssen, ist noch nicht klar. Man wird es dann sehen, wenn der Bürger der Partei die Rechnung dafür präsentiert, dass sie sich mit der Rechten verbündet und ihre Prinzipien hinten angestellt hat, nur um politischen Nutzen daraus zu schlagen.

Die Tendenz ist also klar. Mexikos Bevölkerung will die PAN nicht mehr an der Macht sehen. So sehr die Parteiführer César Nava von der PAN und Jesús Ortega von der PRD auch das Gegenteil versichern – für beide wird die Wirklichkeit hart sein. Dennoch arbeiten beide Parteien an funktionierenden Bündnissen, die bereits ab 2011 zu Wahlen antreten sollen. Etwas Ähnliches wird dann 2012 geschehen. Zwar sagt die PAN, dass sie alleine antreten werde. Aber die einzige Option, um das Präsidentenamt behalten zu können, ist: sich verbünden, egal mit wem. Also erneut mit der PRD.

Währenddessen sieht die PAN, umhüllt von Wahlkampf-Geschrei und verlogenen Bündnissen, noch nicht den Verschleiß ihres Präsidenten. Und dass Calderón nicht viele Möglichkeiten übrig bleiben, außer dem Regieren per Fernsehansprachen. Doch im Blick auf die Zukunft fehlen noch die Vorschläge der PRI. Als Wahlsiegerin kann auch sie nicht fortfahren mit dem Zuspruch und der Unterstützung für Gouverneure, die nach Kaziken-Art regieren, so wie jene, die jüngst die Wahl verloren.

Wichtig ist nun nicht, dass die PRI Wahlen gewonnen hat, sondern welcher Teil der PRI gewonnen hat und als solcher wieder in Los Pinos einziehen wird. In der Zwischenzeit gratuliert Felipe Calderón den siegreichen Kandidaten. Angesichts des Machtvakuums, das um ihn herum entstanden ist, bleibt ihm auch nichts anderes übrig. Jetzt allein und ohne Kurs. Dies sind einige der Lektionen aus dem Wahlprozess.

Salvador González Briceño ist mexikanischer Journalist.

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