Brief an die FARC

von ACIN

(Cauca, 16. Juli 2012, acin).- Wir indigenen Völker haben weder der Guerilla noch dem Staat den Krieg erklärt. Daher geht es bei unserer Minga immer um den Schutz der Gemeinde und wir achten gemäß dem Humanitären Völkerrecht stets darauf, keinem der bewaffneten Akteure einen militärischen Vorteil zu verschaffen. Wir werden niemanden angreifen, doch wir nutzen die Kraft unserer versammelten Gemeinschaft, unserer Worte und unserer Rechte, um unsere Territorien zurück zu gewinnen.

Miranda, 15. Juli 2012

Herr Timoleón Jiménez Kommandant der FARC

Es grüßt Sie die Vereinigung der Indigenen Räte des Cxhab Wala Kiwe (Nord-Cauca) ACIN. Wir schreiben Ihnen aus unserem Widerstand gegen Krieg heraus und aus unserem unbeugsamen Wunsch nach Frieden.

Vor zwei Wochen haben wir Indigenen des Cauca die Aktionen zur Befreiung und Harmonisierung unserer Territorien wieder aufgenommen und damit das Mandat des Leitungsgremiums des Regionalen Rates der Indigenen des Cauca CRIC (Consejo Regional Indigena del Cauca) vom 20. Juli 2011 erfüllt, wo wir uns eine „Minga des Widerstands für Autonomie und territoriale Harmonie sowie für das Ende des Krieges“ beschlossen hatten. Die ersten Maßnahmen zur Befreiung und Harmonisierung bestehen aus dem Abbau der ständigen Militärstützpunkte aller bewaffneten Akteure, der Zerstörung von Schützengräben und dem Abbau von mobilen Wehranlagen der Armee und der Aufständischen sowie der massiven Mobilisierung der Frauen und Männer aus den Gemeinden in jene Orte, wo die Guerilla versammelt ist, um zu verhindern, dass die Bevölkerung von ihnen drangsaliert wird (sei es durch Angriffe, Straßenblockaden oder Drohgebärden).

Wir indigenen Völker haben weder der Guerilla noch dem Staat den Krieg erklärt. Daher geht es bei unserer Minga immer um den Schutz der Gemeinde und wir achten gemäß dem Humanitären Völkerrecht stets darauf, keinem der bewaffneten Akteure einen militärischen Vorteil zu verschaffen. Wir werden niemanden angreifen, doch wir nutzen die Kraft unserer versammelten Gemeinschaft, unserer Worte und unserer Rechte, um unsere Territorien zurück zu gewinnen.

Wie wir es immer schon sagten, und Ihnen formell seit der Deklaration von Vitoncó übermittelten: Wir akzeptieren ihre Guerilla nicht in unseren Territorien. Wir wollen sie nicht und wir brauchen sie nicht.

Wir wollen keine Präsenz der Guerilla – und auch nicht die irgendeiner Armee – denn diese Territorien gehören uns, seit undenklicher Zeit. Wenn die Gebiete sich heutzutage in Kolumbien befinden, dann deshalb, weil man seit der spanischen Eroberung versucht, sie uns zu stehlen.

Wir brauchen Ihre Anwesenheit nicht, den die Guerilla bringt uns keine Ruhe; Sie greifen die Zivilbevölkerung an; Sie missachten unsere Würdenträger und unsere Rechtsprechung. Sie sind keine Hilfe für die Autonomie: All das, was an eigener Regierung aufgebaut wurde, haben wir selbst geschaffen. Wir indigenen Völker haben damit bewiesen, dass wir in der Lage sind, unsere eigenen Systeme für Wirtschaft, Bildung, Justiz und Gesundheit aufzubauen. Die Guerilla schützt uns nicht vor den Übergriffen der Armee; wenn das Militär kommt, verschwinden die Guerilleros und schützen sich gegenseitig. Sie verhindern auch nicht, dass transnationale Konzerne hierher kommen; um Ressourcen zu erhalten, die Ihre Armee benötigt, treffen Sie Absprachen mit ihnen.

Verlassen Sie die indigenen Territorien des Cauca. Entfernen Sie sich von bewohnten Orten und Häusern. Hören Sie auf, die Zivilbevölkerung anzugreifen. Führen Sie keine Attacken mehr durch, mit hundertprozentiger Sicherheit die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehen, auch wenn Sie vorgeben, lediglich die Armee anzugreifen. Verwenden Sie keine Waffen mit undifferenzierter Wirkung, wie die so genannten Splitterbomben und Antipersonenminen. Verwenden Sie keine Häuser als Schutzschilde. Sagen Sie den Milizionären, dass sie weder Waffen noch Bomben in den Häusern von Familien deponieren sollen.

Wir hoffen, dass die FARC freiwillig den Forderungen der Gemeinden nachkommt. In jedem Falle werden die indigenen Anführer und Institutionen, die Indigene Wache und die Gemeinden fortfahren, unsere Territorien von bewaffneten Akteuren zu befreien, die Mutter Erde und unser Leben in Disharmonie bringen.

Vor vier Monaten haben wir Ihnen geschrieben, damit Sie uns Auskunft über die Militärpolitik der FARC gegen der CRIC, ACIN und den Räten geben. Wir warten noch immer auf Ihre Antwort. Zudem hatten wir Ihnen in diesem Brief einen humanitären Dialog vorgeschlagen, der vier Punkte betrifft: Keine Rekrutierung von Minderjährigen; keine sexuelle Gewalt gegen Frauen als politische Waffe; keine Verwendung von Waffen mit undifferenzierter Wirkung (etwa Splitterbomben und Landminen); sowie das Respektieren der völligen Autonomie der indigenen Regierungen und Organisationen. Wir hoffen, dass wir diese Debatte führen können, die für uns Indigene des Cauca notwendig ist, ebenso wie für das ganze Land.

Kommandant Jiménez:

Der Krieg muss beendet werden. Wir alle verlieren ihn. Es war gut, dass Sie die Soldaten und Polizisten freigelassen haben, die sich in Ihrer Gefangenschaft befanden und, dass Sie das Ende von Geiselnahmen zu wirtschaftlichen Zwecken bekanntgaben, denn das waren Schritte des Friedens. Doch muss man und entschiedener sein. Erfüllen Sie die humanitären Forderungen, die wir Ihnen stellen; das ist ein Grundstein auf dem Weg zum Frieden. Entscheiden Sie sich für ein Ende des Krieges und für die Aufnahme politischer Verhandlungen, um diesen Konflikt zu beenden. Das ist unabdingbar, um Frieden zu schaffen. Sie sollten verstehen, dass Kolumbien mehr, viel mehr ist, als Guerilla und Armee und, dass der Frieden von allen Kolumbianern und Kolumbianerinnen geschaffen werden muss. Zählen Sie auf uns, für den Frieden. Nie für den Krieg. CXHAB WALA KIWE – TERRITOIRE DEU GRAND PEUPLE ASOCIACION DE CABILDOS DEL NORTE DEL CAUCA, ACIN-CXHAB WALA KIWE.

 

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