Bergbau mit allen Mitteln

von Wilwer Vilca Quispe

(Quito, 05. Januar 2010, alai).- In Peru beharrt die Regierung von Alan García weiterhin auf ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik und ist dabei, diese noch zu vertiefen. Bergbauprojekte werden ebenso wie Erdöl- und Erdgasvorhaben oder forstwirtschaftliche Projekte von oben herab durchgesetzt. All dies geschieht innerhalb der Territorien von Gemeinschaften und indigenen Völkern. Vorfahrt wird den Interessen der Unternehmen gegenüber kommunalen Eigentumsrechten eingeräumt, da erstere angeblich für Wachstum und wirtschaftliche Entwicklung sorgen würden.

Um ihre Interessen durchzusetzen, ist sich die Regierung nicht zu schade Gesetze und Dekrete zu verabschieden, die der peruanischen Verfassung zuwider laufen. Schlimmer noch – sie greift auch auf Einsätze von Militär- und Polizeikräften zurück, bei denen indigene Führer und Autoritäten zu Tode kommen. Dies ist wohl die Umsetzung der „Regierungsphilosophie“, die Präsident Garcia im Jahr 2007 in seinem Artikel mit dem Titel „Das Syndrom des Hundes im Gemüsegarten“ in der peruanischen Zeitung El Comercio beschrieb. Die dort geäußerte Position Garcías scheint bereits Regierungsprogramm geworden zu sein (Anm. d. Red.: vgl. hierzu. „Ergeht es uns wie Amazonien?“, ebenfalls poonal 886).

Ein Paradebeispiel dieser Regierungspolitik ist das Bergbauprojekt Rio Blanco. Es liegt in den Händen der Unternehmen Xiamen Zijin Mining (China) und Monterrico Metals (Großbritannien). Der peruanische Staat stellt ihnen Polizei- und Militärkräfte zur Verfügung, um die unternehmerischen Aktivitäten zu schützen. Dieser „Schutz“ hat unter den indigenen Einwohner*innen der Region bisher fünf Tote gefordert, darunter waren auch lokale Führungspersönlichkeiten. Es gab zudem viele Verletzte infolge von Auseinandersetzungen mit den staatlichen Einsatzkräften. Auch Bauern wurden schon entführt, festgehalten und gefoltert. Währenddessen ergeht sich die staatliche Justiz darin, indigene Führungspersonen der Region anzuzeigen und gegen sie zu prozessieren. Diese fordern jedoch nur, dass der Staat ihre territorialen Rechte und Entwicklungsmodelle respektieren solle. Zudem verweisen sie auf eine lokale Befragung vom 16. September 2007, bei der mehr als 90 Prozent der Bevölkerung bergbauliche Aktivitäten in der Region abgelehnt hatten.

Die internationale Gemeinschaft weiß sicher zur Genüge, dass die Wirtschaft der Länder Lateinamerikas primär auf dem Export von mineralischen Rohstoffen basiert. Die Regierungen bieten auch die Lebensräume der indigenen Völker interessierten Unternehmen an, damit diese Konzessionen kaufen können, um Rohstoffvorkommen zu erkunden und abzubauen. Diese wirtschaftlichen Aktivitäten genießen höchste Priorität. Bei jedem ökonomisch machbaren Projekt wird erklärt, es sei von „nationalem Interesse“, um so mit gesetzlichen Mitteln die Verletzung der Rechte der betroffenen Gemeinschaften und indigenen Völker zu decken. Ein Blick auf die Statistik der Bergbaukonzessionen in Peru zeigt, dass innerhalb von nur einem Jahr, zwischen November 2008 und November 2009, der Anteil der Landesfläche, auf die Bergbaukonzessionen vergeben worden sind, von 13,46 Prozent auf 15,38 Prozent angestiegen ist. Das heißt, gegenwärtig gibt es Konzessionen für rund 19,5 Millionen Hektar Land. Und diese Zahl berücksichtigt noch nicht die Konzessionen für Erdöl- und Erdgas, welche aktuell über 75 Prozent der Fläche des peruanischen Amazonasgebietes betreffen. Diese Gesamtsituation führt immer wieder zu sozialen Konflikten im ganzen Land. Die staatliche Ombudsstelle registrierte im Oktober des letzten Jahres landesweit insgesamt 286 Konflikte. Bei allein 132 Konflikten (46 Prozent) handelte es sich um soziale Umweltkonflikte.

Die wahllose staatliche Verkaufspolitik von Lebensräumen indigener Völker wird begleitet durch eine staatliche Politik, die diese Völker kriminalisiert, deren Territorien militarisiert und die Rechte dieser Völker verletzt. Das Nationale Bündnis der vom Bergbau betroffenen Gemeinden Perus CONACAMI (Área de Incidencia de la Confederación Nacional de Comunidades del Perú Afectadas por la Minería) hat zur Zeit Kenntnis von 242 verfolgten indigenen Autoritäten und kommunalen Führungspersönlichkeiten, darunter 162 Männer und 80 Frauen. Sie werden unterschiedlicher Delikte beschuldigt: Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit; allgemeine Gefährdung infolge der Nutzung von Waffen; fahrlässige Tötung; Vergehen gegen das Leben, Körper und Gesundheit durch schwere Körperverletzung; Sachschäden an Privateigentum; Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit durch Angriffe auf Transportfahrzeuge, Kommunikationsstrukturen und anderes. Hinzu kommen noch Anklagen wegen Veruntreuung von Finanzmitteln. Die Anzeigen wurden in der Regel von Angestellten der Bergbaufirmen gestellt. In einigen Fällen werden sie von Vertreter*innen des Staates vorgebracht.

Im Falle des Projektes Río Blanco werden von der Justiz 173 Führungspersönlichkeiten von Bauern und Bäuerinnen bzw. Indígenas mit Strafprozessen verfolgt, darunter 156 Männer und 17 Frauen. Ihr Vergehen bestand im Widerstand gegen das Projekt in Form von Protestaktionen zum Schutz der Umwelt. Das Bergbauprojekt gefährdet unter anderem einen bedeutenden Zufluss des Amazonas. Der Liste der Verfolgten sind noch die fünf durch Polizeikräfte ermordeten lokalen Bauernführer hinzuzufügen. Und auch 30 entführte und, in einem Camp des zu Monterrico Metals zugehörigen lokalen Bergbauunternehmens, gefolterte Bauern und Bäuerinnen sind zu erwähnen. Peruanische Polizeikräfte und Mitglieder der Sicherheitsfirma des Unternehmens zeichneten im Juli und August 2005 für die Taten verantwortlich.

Alle diese Entwicklungen vollziehen sich auf der Basis einer Regierungspolitik, die soziale Konflikte „lösen“ will, indem sie das Strafrechtssystem erweitert. An eine differenzierte Politikgestaltung für die indigenen Völker und den Aufbau eines demokratischen und einschließenden Staates denkt die Regierung hingegen nicht. Auf diese Weise werden durch die Verfassung gesetzte Grundrechte wie das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit oder das Recht Organisationen zu gründen, verletzt.

Angesichts dieser Situation bestehen viele und mühsame Herausforderungen für die indigenen Gemeinschaften in Peru, insbesondere für jene indigenen Organisationen, die anerkannte, legitime Repräsentant*innen indigener Forderungen und Interessen sind. Die im laufenden Jahr anstehenden landesweiten lokalen und regionalen Wahlen sowie die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in 2011 lassen die Herausforderungen weiter wachsen. Unumgänglich und notwendig sind jetzt Politikvorschläge der Kandidat*innen, die den Respekt gegenüber den Territorialrechten der indigenen Völker ebenso berücksichtigen wie einen Kontrollmechanismus, mit dem gewährleistet werden kann, dass Wahlversprechen eingehalten werden. Denn die Erfahrung mit Kandidaten, die den Wähler*innen all das versprechen, was diese hören wollen, ist umfassend. Einmal in Amt und Würden, lassen die Gewählten dann jedoch oftmals ihren eigenen Entwicklungslogiken freien Lauf. So wie die politische Kraft voran schreitet, die sich aus den bäuerlichen und indigenen Organisationen nährt und entwickelt, muss sie in einen Prozess münden, der sich von dem der traditionellen Parteien unterscheidet. Erreicht werden muss eine kollektive Struktur, damit die Bewegung nicht in das Bild von ein oder zwei Personen zurückfällt.

Andere Herausforderungen zielen darauf damit fortzufahren, ein kollektives Bewusstsein mit Blick auf die Möglichkeiten und Mechanismen aufzubauen, Rechte einfordern und ausüben zu können. Es geht unter anderem um Rechte auf Selbstbestimmung, Territorium, vorherige und informierte Befragung, Leben in einer gesunden Umwelt, politische Teilhabe. Am wichtigsten ist es das Modell kommunaler Entwicklung als Mechanismus zu definieren und zu intensivieren, um den Lebensraum zu schützen.

Der Autor ist Mitglied des Beratungsgremiums des Andinen Koordination der Indigenen Organisationen CAOI Consejo Consultivo de la Coordinadora Andina de Organizaciones Indígenas) und vom Nationalen Bündnis der vom Bergbau betroffenen Gemeinden Perus CONACAMI PERU.

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