Bei Präsident Mujica ist besetzt

von Luis Rómboli

(Montevideo, 17. August 2012, la diaria).- Am Morgen des 16. August kamen sechs Landarbeiter*innen der Zitrusfarm Forbel de Paysandú zum Eingang des Bauernhofes von Präsident José Mujica in Rincón del Cerro, um dort ein Protestcamp einzurichten und so lange zu bleiben, bis sie vom Präsidenten empfangen würden. Die Mitglieder der Gewerkschaftsorganisation der Landarbeiter OSDOR (Organización Sindical de Obreros Rurales) fordern die Wiederanstellung von 180 Landarbeiter*innen, die Mitte Juni entlassen worden waren. Deshalb hatten sie bis zum 16. August die Plantagen besetzt, auf denen sie die Zitrusfrüchte ernteten.

Die aus drei Frauen und drei Männern bestehende Delegation war vergangene Woche in Montevideo eingetroffen, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Sie versuchten zudem, sich mit Regierungsvertreter*innen treffen. Da das Treffen im von den Gewerkschafter*innen geforderten Zeitraum nicht zustande kam, entschieden sie, sich vor dem Haus von Präsident Mujica niederzulassen.

Nachbarin von Mujica bietet Platz für ein Camp an

Gegen 7 Uhr morgens kamen sie ans Grundstück, wurden jedoch von den präsidialen Leibwächtern abgewiesen. Die Polizei, die ob des spontanen Besuchs bereits alarmiert war, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Straßensperre an der O’Higgins-Straße errichtet. Einige Aktivist*innen stellten dort ihre Transparente auf und begannen erste Gespräche mit der Presse. Die Polizei verbat den Demonstrant*innen jedoch das Campieren an dieser Stelle. Eine Nachbarin kam den Protestierenden dann zur Hilfe und bot ihnen eine Stelle auf ihrem etwa 50 Meter entfernten Grundstück an, wo tatsächlich ein kleines Camp errichtet wurde.

Unter den Demonstrant*innen waren Irma Leites, von der Vollversammlung Erinnerung und Gerechtigkeit (Plenaria Memoria y Justicia) sowie weitere Personen, die den Landarbeiter*innen aus Paysandú nicht bekannt waren, manche mit Rucksäcken, andere, die die Pressevertreter*innen fragten, von welchem Medium sie seien. Manche der entlassenen Arbeiter*innen gaben an, dass diese Leute gekommen seien, „um den Landarbeiter*innen das Ohr abzukauen“.

Am Abend gab der Anführer Suárez bekannt, dass nur Arbeiter*innen von OSDOR im Camp übernachten würden. Auf dem Weg zur Versammlung waren zahlreiche Fahrzeuge mit Personen in Zivil zu sehen, die das Geschehen beobachteten, zum Teil mit Ferngläsern. Das Camp vor dem Grundstück von Mujica ist „unser letztes Mittel“, sagte Suárez. „Wenn der Präsident uns empfängt und anhört, gehen wir zurück nach Paysandú.“

Der Hintergrund des Konflikts

Die Gewerkschaft OSDOR und das Unternehmen Forbel S.A., eine Tochter des belgischen Univeg-Konzerns, hatten stets jährliche Verträge abgeschlossen und seit Dezember über die Gehälter für die Ernte von 2012 verhandelt. Das Unternehmen bestand nach Angaben von Suárez jedoch auf eine Lohnsenkung und berief sich dabei auf Schwierigkeiten, die Zitrusunternehmen zurzeit beim „Platzieren der Produktion auf dem Weltmarkt“ hätten. OSDOR habe diese Lohneinbußen nicht akzeptiert, so dass kein neuer Vertrag zustande gekommen sei.

Als dann die Ernte anstand, „zwang Forbel die Arbeiter*innen dazu, individuelle Verträge abzuschließen, die die halbstündige Mittagspause nicht mehr vorsahen“, und jene, die „lieber eine Pause wollten“, wurden dann entlassen. In dieser Konfliktsituation entschied sich das Unternehmen für eine Auslagerung der Vertragsfrage an das Unternehmen Sercos aus Salto, das sich um die Anstellung von Arbeiter*innen für die Mandarinenernte kümmerte.

Besetzung mit Volksküche

Nach Abschluss dieser Arbeit gelang es Forbel und Sercos nicht, sich nochmals zu einigen, woraufhin der Vertrag gekündigt wurde. Forbel wandte sich nun an „Subunternehmer, die Leute aus Salto ankarrten“, wodurch „diejenigen arbeitslos wurden, die wir hier seit Jahren in der Ernte arbeiten“, sagte Suárez.

Die Arbeiter*innen von Forbel entschieden am 2. Juli, die Ländereien Constancia und Esperanza zu besetzen. Kurz darauf richteten sie direkt im Verpackungswerk des Unternehmens in Paysandú ein Camp mit zugehöriger Volksküche ein.

Forbel klagte vor Gericht gegen die Besetzungen. Das Urteil in erster Instanz fiel jedoch zugunsten der Arbeiter*innen aus. Die Besetzung wurde dabei als Fortsetzung des Streikrechts gewertet. Das Unternehmen legte Berufung ein und am 15. August hob das Berufungsgericht das Urteil des Richters Javier Gandini wieder auf. Die Räumung der Ländereien wurde verfügt und die Arbeiter*innen kamen dem am Abend des Folgetages friedlich nach. Suárez erklärte, dass sie die „Volksküche und das Camp“ vor dem Gelände des Verpackungswerks von Forbel fortsetzen würden.

„Schaffung von Dialogräumen“ gescheitert

Der Parlamentsabgeordnete für Paysandú, Gustavo Rombys, sagte, dass es verschiedene Anläufe zur Beilegung des Konflikts gegeben habe, hauptsächlich durch das Arbeitsministerium initiiert. „Es wurden Verhandlungsspielräume gesucht und wir arbeiteten mit den Abgeordneten der drei Parteien in der Region und dem Gouverneur zusammen bei der Schaffung von Dialogräumen“, erklärte Rombys.

Aufgrund des Konflikts waren in Paysandú „die Delegierten der Kommission für die Arbeitsgesetzgebung und sogar der Exekutivsekretär der PIT-CNT“. Beim letzten Verhandlungstermin „eröffneten sich Lösungsperspektiven“, es sei jedoch „eine Räumung der Ländereien als Signal seitens der ArbeiterInnen“ erwartet worden, das nicht gekommen sei, so Rombys.

Dieser Beitrag ist Teil unseres Themenschwerpunkts:

 

 

 

 

 

Kurzes Video von einer Straßenblockade der Landarbeiter*innen (Spanisch)

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