Ayotzinapa: Verschärfter Tonfall der Regierung zu Zweifeln an offizieller Version

von Gerd Goertz

(Berlin, 17. Februar 2015, npl).- Wenn es um das internationale Image geht, versteht die politische Führung Mexikos keinen Spaß. Entsprechend deutlich äußerten sich Außen- und Innenministerium in einer gemeinsamen Erklärung am Wochenende zum Bericht des UNO-Komitees gegen gewaltsames Verschwindenlassen. Die Empfehlungen spiegelten die Anfang Februar vor dem Ausschuss in Genf vorgetragenen Informationen „nicht adäquat“ wieder, hieß es da. Sie brächten keine zusätzlichen Elemente für die ergriffenen Aktionen und eingegangenen Verpflichtungen bei. Außenminister José Antonio Meade legte am Montag noch einmal nach: Der Bericht enthalte „einige Ungenauigkeiten“ statistischen und faktischen Charakters.

Diplomatisch kaum verklausulierte Ohrfeige

Das UNO-Komitee hatte Mexiko Ende vergangener Woche aufgefordert, mehr gegen das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen zu tun und von einem „allgemeinen“ Phänomen in einem Großteil des mexikanischen Territoriums geschrieben. In Mexiko gelten mehr als 22.000 Menschen als verschwunden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Das Komitee empfahl unter anderem die Gründung einer speziellen Sucheinheit sowie die Einrichtung einer umfassenden Datenbank über Verschwundene. Der Bericht ist eine diplomatisch kaum verklausulierte Ohrfeige für die mexikanischen Behörden – zumal er die Verwicklung staatlicher Funktionär*innen in die Verbrechen anspricht.

Bei der Anhörung zu Monatsanfang ließ der Ausschuss neben der Regierung die Familienangehörigen der Opfer ausführlich zu Wort kommen. Unter anderem sprachen Angehörige der in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 in der Stadt Iguala von der örtlichen Polizei verschleppten 43 Studenten der ländlichen Lehreruniversität von Ayotzinapa. Nach der von der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft (PGR) mit Vehemenz vertretenen Version wurden sie an das Drogenkartell „Guerreros Unidos“ übergeben, umgebracht und verbrannt. Nicht nur die Familienangehörigen, auch Expert*innen zweifeln diese Darstellung in wesentlichen Punkten an. Der UNO-Bericht nimmt ausdrücklich auf den Fall Ayotzinapa und durch ihn aufgezeigte „ernsthafte Herausforderungen“ Bezug.

Regierung bezeichnet Zweifel von Forensiker*innen als „Spekulationen“ und „realitätsfremd“

Amnesty International Mexiko nannte die Reaktion der mexikanischen Regierung „empörend“. Die Ablehnung der Empfehlungen hinterlasse „einen enormen schalen Nachgeschmack“. Sie zeige erneut, dass „die Regierung von Enrique Peña Nieto jede kritische Darstellung ihres Regierungshandelns ablehnt“. Vor einer Woche hatte die mexikanische Bundesgeneralstaatsanwaltschaft schon heftig auf eine Erklärung des argentinischen Teams für Anthropologische Forensik (EAAF) reagiert. Die international erfahrenen Forensiker*innen, die in Iguala auf Bitten der Eltern der verschwundenen Studenten vor Ort waren, hatten in einer Erklärung auf verschiedene Schwachpunkte der PGR-Darstellung hingewiesen. Darauf antwortete diese, es handele sich um „Spekulationen“, die „hypothetisch“ und „realitätsfremd“ seien. Sie werde nicht akzeptieren, dass jemand Zweifel säen wolle.

Allerdings muss die Regierung mit weiteren Zweifelnden rechnen. Am 1. März wird eine internationale ExpertInnengruppe der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH), einem Instrument der Organisation Amerikanischer Staaten, ihre Arbeit in Mexiko aufnehmen und den Fall Ayotzinapa untersuchen. Die Kommission hat bereits angekündigt, nicht a priori von der offiziellen Darstellung eines Massakers, sondern von Verschwundenen auszugehen.

Auf der Grundlage ihrer Autonomie und Unabhängigkeit werde sie zu ihren eigenen Schlussfolgerungen kommen. Der Einsatz der Expert*innen ist Folge einer am 18. November 2014 geschlossenen Vereinbarung über „fachliche Unterstützung“ zwischen der CIDH und dem mexikanischem Staat. Die Gruppe wird mindestens sechs Monate in Mexiko sein. Für Mai ist ein Zwischenbericht der Untersuchungsergebnisse vorgesehen.

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