Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition gehen weiter

(La Paz, 19. März 2009, bolpress).- In Bolivien gehen die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition im Zeichen der nahenden Präsidentschaftswahlen im Dezember weiter. So wird Eddy Fernández, Präsident des Obersten Gerichtshofs von Bolivien, von der Regierung verdächtigt, das Verfahren gegen Expräsident Gonzalo Sánchez de Lozada wegen Völkermords und Verfassungsbruch unnötig hinauszuzögern. Aus diesem Grund diskutiert die Verfassungskommission des bolivianischen Abgeordnetenhauses, gegen Fernández ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Wenn die Kommission des Abgeordnetenhaus den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs für schuldig befindet, wird der Fall an das Plenum des Abgeordnetenhauses weitergegeben, wo über eine Einstellung des Verfahrens bzw. die Klageerhebung entschieden wird.

Gonzalo Sánchez de Lozada lebt seit 2003 in den USA. Im Jahr 2008 hatte die bolivianische Regierung einen Auslieferungsantrag gestellt, dem die USA bis heute nicht nachgekommen sind. Der Ex-Präsident Boliviens verlies das Land im Jahr 2003 fluchtartig, als ein Aufstand in El Alto ihn dazu zwang. Die Bewohner*innen der bolivianischen Stadt erhoben sich gegen die Pläne Lozadas, bolivianisches Gas über chilenische Häfen in die USA zu exportieren.

Die Verzögerung gerichtlicher Aktivitäten ist ein Straftatbestand, der in Bolivien bisher noch nie verhandelt worden ist. Nach Ansicht des Oppositionellen Bernardo Montenegro von der Partei Podemos hat der Vorstoß demnach auch nur das Ziel, „die Justiz zu entmachten“.

Gleichfalls steht in Bolivien der Prozess gegen den im September 2008 verhafteten Ex-Präfekten des Departements Pando, Leopoldo Fernández, unmittelbar bevor. Fernández gilt als Verantwortlicher des Massakers von Pando im September 2008 (siehe Poonal Nr. 813, 815), Staatanwalt Félix Peralta fordert 30 Jahre Haft ohne Bewährung für ihn.

Auch Ernesto Suárez, Präfekt von Beni, hat derzeit keinen guten Stand. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, die Geschäfte des Departements unwirtschaftlich geführt und Verträge unterzeichnet zu haben, die sich für den Staat nachteilig auswirken. Suárez habe sein öffentliches Amt zum Abschluss von Handelsgeschäften missbraucht, die mit seiner öffentlichen Stellung unvereinbar sind. Er soll u.a. für die Gemeinden San Lorenzo, Esperanza, San Pedro, San Miguel, Puerto Bolívar und San Francisco nicht nutzbare, weil veraltete Generatoren gekauft und damit einen Verlust von Staatsgeldern in Höhe von 6,7 Millionen Bolivianos (ca. 750.000 Euro) verursacht zu haben.

Schon mittem im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen im Dezember, geht die bolivianische Regierung in die Offensive und versucht Opponenten, bei denen ein Verdacht auf illegale Aktivitäten vorliegt, durch die Justiz zu belangen. Das trifft bei der rechten Opposition auf Widerspruch und Empörung.

„Die Abgeordneten Martínez und Silva sind zwei frustrierte Anwälte, die die Rechtsprechung mit Füßen treten. Sie wollen die Justiz entmachten, auf dass bloß niemand die Fälle von Korruption und die Rechtsverletzungen aufdeckt, die sich im Umfeld der Regierung abspielen“, erklärte so Bernardo Montenegro von Podemos im Zusammenhang mit dem Fall Eddy Fernández. Ihm stimmt sein Parteikollege, Senator Luis Vásquez, zu: „Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass hier eine Situation erzeugt werden soll, die einem Sturz der Rechtsprechung Vorschub leistet.“

Die rechte Opposition hat eine internationale Kampagne gegen Evo Morales lanciert, in der der Präsident beschuldigt wird, die Menschenrechte zu verletzen, zu gewalttätigen Aktionen gegen die Opposition aufzurufen und vor allem die Bevölkerung zur „eigenmächtigen Inbesitznahme von fremdem Eigentum“ anzustacheln.

Öl in dieses Feuer gießt unter anderem Senator Roger Pinto von Podemos. Pinto hat sich in den letzten Wochen mehrfach gegen die Landreform und die Enteignung von Großgrundbesitz gewandt, mit dem die bolivianische Regierung versucht, der seit Jahrhunderten extrem ungleichen Landverteilung beizukommen. Eine Landreform ist von der Bevölkerung mit Annahme der neuen Verfassung mehrheitlich abgesegnet worden. Pinto und andere Oppositionelle reisten in den vergangenen Tagen, angeblich besorgt um ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Besitztümer, nach Washington, um sich mit der Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten zu treffen. Dort versuchte Pinto die OAS davon zu überzeugen, die Regierung nehme privates Eigentum in Besitz und bedrohe das Leben von Menschen, „wie zum Beispiel meins. Die internationale Gemeinschaft weiß nun Bescheid, dass ein Minister Auftragskiller engagiert, damit sie einen Senator ermorden“, so Pinto nach seiner Rückkehr. Beweise für diese Anschuldigungen legte er allerdings nicht vor.

Auch die Übergriffe einer Gruppe von wütenden Indígenas auf das Haus und die Familie von Ex-Vizepräsident Victor Hugo Cárdenas (1993-1997) dienen der Opposition dafür, Stimmung gegen die Regierung zu machen. Am 7. März hatte mehrere Hundert indigene Kleinbauern das Haus von Cárdenas in Sankajahuira, rund 50 km westlich von La Paz, angegriffen. Cárdenas war an diesem Tag nicht zu Hause, wohl aber seine Frau und Kinder, das trotz der Ankündigung der Angriffe, die Cárdenas selbst bekannt gegeben hatte. Bei den Angriffen wurden Cárdenas Frau und Kinder verletzt, sie mussten in einem Krankenhaus behandelt werden. Die Angreifer auf das Haus erklärten, Cárdenas habe das bolivianische Volk betrogen. Cardénas ist ein erklärter Gegner von Präsident Evo Morales, er hatte u.a. die Kampagne der Opposition gegen das Verfassungsreferendum mitgetragen.

Die Angriffe auf das Haus von Cárdenas wurden von Präsident Evo Morales in einer Konferenz bedauert, man habe damit nichts zu tun. Morales soll Pressequellen zufolge später auch gesagt habe, das Volk vergebe Verrätern nicht. Dafür wurde er u.a. von Human Rights Watch kritisiert. Die Opposition jedoch, so u.a. der Präsident des Kollegs der Anwälte des Friedens (Colegio de Abogados de La Paz) Bernardo Wayar, verdrehen die Vorkomnisse insofern, als sie behaupten, die Regierung stehe hinter den Angriffen auf das Haus von Cárdenas und sei grundsätzlich für solche ein Vorgehen. So Wayar: „Es scheint fast, als sei mit der Verabschiedung der neuen Verfassung den indigenen Gemeinden und bäuerlichen Gemeinschaften ein Freibrief zur beliebigen Inbesitznahme von Privateigentum ausgestellt worden, ganz so, als existiere ein umfassendes Gemeinschaftsrecht, was jedoch nicht der Fall ist“.

Bis zu den Präsidentschaftswahlen im Dezember dürften sich solche Auseinandersetzungen weiter zuspitzen. Die Opposition hat mit ihren Kandidaten einen schlechten Stand. So haben neue Umfragen ergeben, dass Evo Morales sogar in den Städten, der Hochburg der Opposition, mit 40 Prozent Zustimmung rechnen kann. Weit abgeschlagen dahinter liegt der Präsidentschaftskandidat und Ex-Präsident Carlos Mesa mit nur 7 Prozent.

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