Anhaltende Straflosigkeit: Staatsanwalt stellt Verfahren wegen Zwangssterilisierung unter Fujimori ein

(Fortaleza, 14. Februar 2014, aditalnoticias aliadas).- „Sie brachten uns auf LKWs dorthin. Wir gingen ahnungslos und voller Vertrauen hinein. Dann hörten wir Schreie, und ich begann zu rennen. Die Türen waren mit Vorhängeschlössern gesichert. Sie packten mich auf eine Bahre, banden mir die Füße fest und begannen, an mir herumzuschneiden (…). Wir waren ungefähr 30 Frauen in diesem Gesundheitszentrum. Wir alle dachten, es ginge um eine allgemeine Gesundheitsuntersuchung.“

Warten auf Gerechtigkeit

Die vorherige Sequenz könnte ganz gut aus einem Horrorfilm stammen. Leider haben Tausende peruanische Frauen sie wirklich erlebt. Noch heute leiden viele unter den Folgen. In diesem Fall ist es die Geschichte von Micaela Flores Bañares. Sie lebte in der Provinz Anta in der Region Cusco, als sie Opfer der Zwangssterilisationswelle unter der Regierung von Alberto Fujimori (1990-2000) wurde. Micaela war damals Mutter von sieben Kindern.

Laut einem Bericht von Amnesty International warten etwa 2.000 indigene Landfrauen, die unter Fujimori zwangssterilisiert wurden und deren Fälle vor Gericht anhängig sind, seit über zehn Jahren vergeblich auf Gerechtigkeit, während die Justiz ihnen die Anerkennung ihrer Rechte strikt verweigert. Insgesamt, so berichtet die Nachrichtenagentur Noticias Aliadas, seien 346.219 Frauen in den Jahren von 1993 und 2000 sterilisiert worden.

Regierung Fujimori: Zwangssterilisation als Teil der „Geburtenkontrolle“

Die Zwangssterilisationen in Peru gehörten seinerzeit zu einem bevölkerungspolitischen Konzept zur Geburtenkontrolle, das sich explizit gegen die wirtschaftlich ärmeren Sektoren der Bevölkerung richtete. Frauen, die nicht bereit waren, an dem Programm teilzunehmen, wurden mit Geldstrafen, Gefängnis oder der Streichung staatlicher Zuwendungen unter Druck gesetzt.

Andere, wie Micaela, hatten keine Ahnung, was mit ihnen geschah. Viele Frauen erhielten nicht einmal die nötigste postoperative Nachsorge und litten anschließend unter schweren gesundheitlichen Problemen. 18 Frauen überlebten den Eingriff nicht. Eine von ihnen war María Mamérita Mestanza Chávez, die 1998 verstarb, nachdem die OP gegen ihren Willen vorgenommen worden war.

Staatsanwalt Guzmán stellt Verfahren in 2.073 Fällen ein

Der Staatsanwalt der Zweiten Überregionalen Staatsanwaltschaft von Lima, Marco Guzmán Baca, sieht allerdings keine Beweise dafür, dass es sich dabei um eine politische Maßnahme handelte, die von Fujimori angeordnet und von den Gesundheitsministern jener Jahre, Eduardo Yong, Marino Costa und Alejandro Aguinaga, umgesetzt worden sei. Am 22. Januar dieses Jahres ordnete er die Schließung des Falles an.

Obwohl die Klage die Fälle von 2.074 zwangssterilisierten Frauen umfasst und Guzmán 600 von ihnen befragte, fand er lediglich Belege für Straftaten im Fall von María Mamérita Mestanza Chávez, die von sechs Medizinern im nördlichen Departement Cajamarca begangen worden sein sollen. Laut Unterlagen verschiedener Regierungsstellen, die die Fälle untersucht hatten, waren die Ärzte gehalten, bestimmte Quoten zu erfüllen. Für die durchgeführten Eingriffe erhielten sie Prämien; für den Fall, dass die vorgegebenen Quoten nicht erfüllt wurden, mussten sie mit Sanktionen rechnen.

Nur die Mediziner sollen im Fall María Mestanza strafrechtlich verfolgt werden

Die Staatsanwaltschaft hat nun entschieden, ausschließlich in diesem einen Fall tätig zu werden, dabei jedoch ausschließlich gegen die Ärzte vorzugehen, die die Zwangssterilisation vorgenommen hatten.

„Es ist wirklich eine Schande, dass nach so einer langen Zeit des Wartens die Staatsanwaltschaft schließlich beschlossen hat, in genau einem Fall das medizinische Personal formal zur Verantwortung zu ziehen, statt auf allen Ebenen gegen sämtliche Verantwortliche zu ermitteln, und das in sämtlichen 2.000 Fällen und nicht nur in einem“, kritisiert Amnesty.

Der verantwortliche Staatsanwalt Marco Guzmán Baca hielt dagegen, dass im peruanischen Strafrecht Zwangssterilisation nicht als Tatbestand vorgesehen sei, daher gebe es auch keine rechtliche Handhabe, und entsprechend seien die Eingriffe auch nicht als Verbrechen gegen die Menschheit zu betrachten.

Amnesty International „Absurde Entscheidung“ muss zurückgenommen werden

Dieser Ansicht widerspricht die Anwältin der Betroffenen, Rosy Salazar, mit dem Argument, die internationale Staatengemeinschaft habe bereits Anfang 1990 Zwangssterilisationen als Verbrechen kategorisiert. Die Anwältin, die für die Frauenorganisation DEMUS arbeitet, führt weiter an: „Der Staatsanwalt kann nicht sagen, es gebe keine Beweise. Es gibt amtliche Mitteilungen, Schreiben der Minister, in denen Fujimori informiert wird, ob die Ziele erreicht wurden oder nicht und wo obendrein auch die Quoten von Frauen aufgeführt werden, die aufgegriffen und sterilisiert werden mussten. Dort ist auch von Sanktionen und Entschädigungen die Rede, die ihnen zuteil werden würden“.

Auch Amnesty International kritisiert in seinem Bericht die Entscheidung der Behörden scharf und fordert: „Es ist höchste Zeit, dass die peruanischen Behörden diese absurde Entscheidung zurücknehmen und im Hinblick auf die Sexual- und Reproduktionsrechte ihren Verpflichtungen nachkommen. Es gehört zu ihren unabdingbaren Aufgaben, das Recht auf Wahrheitsfindung, auf Gerechtigkeit und auf Entschädigung für alle betroffenen Frauen und ihre Familien zu garantieren“.

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