Änderung des Waldgesetzes gefährdet Flüsse

von Instituto Humanitas Unisinos

(Fortaleza, 31. August 2012, adital).- Interview mit dem Umweltbiologen Elvio Sérgio Medeiros, der an der Universidade Estadual da Paraíba in Campina Grande lehrt. Er äußert sich zu den Änderungen am umstrittenen Waldgesetz (Código Florestal).

 

 

Was ist die Besonderheit der so genannten intermittierenden* Flüsse?

Es handelt sich um Flüsse, die während einer oder mehrerer Perioden im Jahr zu fließen aufhören. Sie reagieren sehr sensibel auf klimatische Schwankungen. Die intermittierenden Flüsse werden üblicherweise mit trockenen Regionen in Verbindung gebracht. Sowohl in gemäßigten Zonen wie in den Wüsten der USA aber auch in Spanien, als auch in tropischen Zonen, wie im Norden Australiens, in Afrika und im Nordosten Brasiliens. In Brasilien kommen andere Wasserquellen hinzu, wie vorübergehend bestehende Lagunen oder vom Menschen angelegte Reservoirs.

Die intermittierenden Flüsse sind Bestandteil der Landschaft der Caatinga und prägen den Alltag der Menschen im brasilianischen Nordosten. Sie dienen als Wasserquelle, als Erholungsorte, zum Anbau von Gemüse und zur Zucht von Nutztieren. Die Bewohner*innen entwickeln Überlebensstrategien für die Dürreperioden, die sich aus ihrer jeweiligen Wahrnehmung der Veränderungen des Wasserverlaufs der Flüsse ableiten. Das Ganze spiegelt sich auch in der Sertanejo-Kultur wider, viele Künstler*innen nehmen darauf Bezug, etwa die großen brasilianischen Schriftsteller Euclides da Cunha, João Cabral de Melo Neto, José Lins do Rego und Guimarães Rosa.

Wie geht die derzeitige brasilianische Umweltgesetzgebung mit dem Problem des Erhalts der dauerhaften Schutzgebiete APP (Áreas de Preservação Permanente) um?

Die geltenden Gesetze unterscheiden nicht speziell zwischen intermittierenden und normalen Wasserläufen. Wälder und andere als nützlich angesehene Vegetationsformen zählen zu den dauerhaften Schutzgebieten, von denen Sie sprechen. Die Erlaubnis für die Abholzung an intermittierenden Flüssen verstößt gegen zahlreiche Bestimmungen des Waldgesetzes, das sich dem Schutz der Vegetation entlang von Flüssen und anderen Wasserläufen verpflichtet. Diese Vegetation erfüllt eine wichtige Funktion für den Erhalt der Wasserressourcen. Auwälder an intermittierenden Flüssen leisten genau diesen Beitrag.

Wie beurteilen Sie die Änderung am Waldgesetz, welche die dauerhaften Schutzgebiete entlang intermittierender Flüsse abschafft?

Dies stellt einen klaren Rückschritt für die brasilianische Umweltgesetzgebung dar und ist eine Bedrohung für die ökologische Unversehrtheit sämtlicher Flüsse. Vor allem gilt dies für die Caatinga, in der sich der überwiegende Teil der intermittierenden Flüsse befindet. An diesem Beispiel werden die Gleichgültigkeit und die Rücksichtslosigkeit der brasilianischen Regierung gegenüber der Umwelt und ihrem Erhalt deutlich.

Wie viel Prozent der brasilianischen Flüsse sind von der Verkleinerung der dauerhaften Schutzgebiete betroffen?

In der halbtrockenen Zone Brasiliens, wo die intermittierenden Flüsse vor allem anzutreffen sind, leben etwa 20 Millionen Menschen. Der Anteil an der Gesamtzahl der Wasserbecken im Land beträgt rund 18 Prozent. Die Verkleinerung der dauerhaften Schutzgebiete, vor allem der Auwälder, wird zu einem ökologischen Verfall beitragen und mittel- bis langfristig schwerwiegende sozioökonomische Folgen für die Region haben, da der Wassermangel noch zunimmt.

Die Mehrzahl der intermittierenden Flüsse befindet sich wie gesagt in Brasiliens Nordosten. Erkennen Sie einen Zusammenhang zwischen der Änderung am Waldgesetz und den Entwicklungsplänen der Regierung für die Region?

Der neue Text des Waldgesetzes bringt gut zum Ausdruck, wohin der Trend generell geht. Der Druck auf kultivierbare Gebiete nimmt zu, es geht um den schnellen Profit, für die Märkte müssen kurzfristige Antworten gefunden werden. Das geht natürlich zu Lasten nachhaltigerer Optionen mit einem weiteren Zeithorizont, welche langfristig den Erhalt der natürlichen Ressourcen ermöglichen, damit auch künftige Generationen aus ihnen Nutzen ziehen können.

Kann sich der mangelnde Schutz der intermittierenden Flüsse auch negativ auf die anderen Flüsse auswirken?

Ja. Die intermittierenden Flüsse sind Teil der Wasserbecken des brasilianischen Nordostens und auch der Mehrzahl der Wassersysteme Südamerikas. Es geht aber auch um den Erhalt von Biodiversität.

* Intermittierende Flüsse sind Flüsse mit jahreszeitlich begrenzter Wasserführung, während der Regenzeit oder Schneeschmelze.

 

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