Verschärfte Repression gegen Landlosenbewegung MST

von Silvia Ribeiro

(Montevideo, 31. August 2008, comcosur).- Im Juni 2008 gab die Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) die Existenz eines gegen sie gerichteten Geheimpapiers bekannt. Dieses soll im Auftrag der Militärbrigade aus dem Bundesstaat Río Grande do Sul (einer Militärbehörde mit Polizeibefugnissen, d. Red.) und mit Unterstützung einiger Staatsanwälte aufgesetzt worden sein.

In diesem, im Dezember 2007 vom Rat des Innenministeriums dieses Bundesstaats „abgesegneten“ Dokument, beschlossen die beteiligten Institutionen, gemeinsam darauf hin zu arbeiten, dass die MST, eine der einflussreichsten sozialen Bewegungen Lateinamerikas, zur „illegalen Organisation“ erklärt und anschließend aufgelöst werden soll.

Die MST wurde 1985 in Rio Grande do Sul gegründet und hat zurzeit mehrere Millionen Mitglieder in ganz Brasilien. Dem Anwalt der MST, Leonardo Scalabrin zufolge, „stehen wir vor der größten zivil-militärischen Verschwörung seit dem Ende der Diktatur“.

Hinter dieser repressiven Konspiration und im Rahmen eines Bündnisses mit den alten Großgrundbesitzer*innen aus Río Grande do Sul, dem Militär und der Marionettenregierung unter der Gouverneurin Yeda Crusius, stecken die großen multinationalen Konzerne aus der Holz- und Getreidewirtschaft, wie Stora Enso, Aracruz Celulose, Votorantim, Cargill und ADM.

Die multinationalen Holzkonzerne sind gerade dabei, in aggressiver Art und Weise genau jenes Land zu besetzen, das der Agrarreform zufolge von den Behörden enteignet und an Landlose übergeben werden sollte, also die großen, unproduktiven Latifundien. Sie weisen darauf hin, dass durch die Pflanzung von Tausenden Hektar Eukalyptusbäumen das Land wieder „nutzbringend“ verwendet würde. Doch von Nutzen sind diese Monokulturen nur den multinationalen Konzernen. Diese Bäume erzeugen nicht nur schlechtes Papier, sondern sie hinterlassen, nachdem sie in 20 Jahren zwei oder drei Mal geschlagen werden, toten Boden, ohne Nährstoffe, ausgedörrt und voller Baumstümpfe. Auf dem Land wird nichts mehr wachsen. Die Konzerne nutzen die Erde nicht, sie töten sie, damit sie niemand anders haben kann.

Der eigentlich geheim gehaltene Bericht über die MST umfasst darüber hinaus eines dieser typischen Merkmale von Berichten aus den früheren Militärdiktaturen auf dem lateinamerikanischen Kontinent: Er besteht ausschließlich aus Unwahrheiten. Unter anderem wird der MST vorgeworfen, Kontakte zur FARC-Guerilla in Kolumbien zu unterhalten. Zudem seien die MST-Schulen, in denen die Kinder von Bauern und Bäuerinnen auf Sekundär- und weiterführendem Niveau Schulunterricht erhalten, Trainingszentren für die Guerilla. Und der Kampf um das Land, der bereits seit 20 Jahren in Gange ist und dafür gesorgt hat, dass 650.000 Familien auf legalem Weg aus riesigen, unproduktiven Latifundien enteignetes Land erhalten haben, sei nichts weiter als ein Deckmantel für andere Aktivitäten. Welch ein Deckmantel, kann ich da nur sagen!

Die Landlosenbewegung sieht sich bereits seit zwei Jahren eine verschärften Repression gegen ihre legitimen (und vom nationalen und internationalen Recht garantierten) Aktionen ausgesetzt. Ihre Aktionen, wie z. B. Märsche, Demonstrationen und Camps, sollen die Regierung dazu zwingen, das Agrarreformgesetz umzusetzen.

Die neuesten repressiven Maßnahmen wurden bereits nach der im Geheimpapier entwickelten Strategie durchgeführt. Dazu gehört ein im März 2008 eingeleiteter Strafprozess gegen mehrere Mitglieder der MST, denen Delikte nach dem „Nationalen Sicherheitsgesetz“ (Ley de Seguridad Nacional) zur Last gelegt werden, einem Gesetz, das noch aus Diktaturzeiten stammt. Im Juli legte der Anwalt Nilo Batista im Namen der Angeklagten Rechtsmittel gegen den Prozess ein, damit er annulliert würde, da er auf einem bereits hinfälligen Gesetz basiere. Ein Bundesrichter lehnte das Ersuchen ab, und diese Parodie eines „rechtmäßigen“ Prozesses ist bereits in vollem Gange.

Diese Entwicklung ist auch deshalb als besonders kritisch einzustufen, da sie der Anwendung des Sicherheitsgesetzes der Diktatur nicht nur gegen die MST, sondern gegen alle sozialen Bewegungen und Formen sozialen Protestes in Brasilien den Weg ebnet. Falls diese Entwicklung weiter voranschreitet, wird die Regierung Lula eine weitere dieser „Volksregierungen“, die Gesetze aus Diktaturzeiten gegen soziale Bewegungen einsetzt. Das ist in Chile beispielsweise bereits der Fall, wo solche Gesetze gegen die Mapuche-Indígenas eingesetzt werden, die – selbst unter Zuhilfenahme von Hungerstreiks – gegen die Vereinnahmung ihres Landes durch Monokulturen der zur CMPC-Gruppe gehörenden Forstunternehmen Celulosa Arauco und Mininco protestieren. Auf Grundlage arrangierter Gesetze und einer repressiven Politik seitens der Regierung gegenüber Indígenas sowie Bauern und Bäuerinnen dehnen sich die grünen Wüsten immer weiter aus. Wenn wir es zulassen, werden diese neuen Feudalherren uns noch alle illegalisieren.

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