Varela, der neu gewählte Präsident Panamas

von Marco A. Gandásegui, jr*.

(Quito, 08. Mai 2014, alai).- Der Sieg von Juan C. Varela von der Partei Panameñista war zweifellos das wichtigste Ereignis der am vergangenen 4. Mai durchgeführten Wahlen. Vor allem Interessensgruppen des panamaischen Großkapitals reagierten erleichtert auf die Niederlage des Kandidaten der Regierungspartei, José Domingo Arias. Dabei waren nicht so sehr die Inhalte, die Arias vertrat, von Bedeutung.

 

Vielmehr werteten diese Interessensgruppen Arias’ Kandidatur von als einen Versuch des scheidenden Präsidenten Ricardo Martinelli, an der Macht zu bleiben. Auch Juan C. Navarro führte seine Partei, die Revolutionäre Demokratische Partei PRD (Partido Revolucionario Democrático), in eine vernichtende Niederlage, die politische Beobachter*innen nicht erwartet hatten.

Wahlprognosen lagen daneben

Mit anderen Worten: Die Wahlergebnisse passten nicht zu den Analysen, die vor der Wahl durchgeführt worden waren. Wie aber konnte es zu diesem allgemein verbreiteten Irrtum kommen? Erstens: die Analyst*innen schenkten den Umfragen Glauben, die in ihren Prognosen ausnahmslos daneben lagen. Dieses Scheitern kann zwei Gründe haben. Die Stichproben der Umfragegesellschaften verwischten bzw. und entfernten sich einerseits von einer korrekten Häufigkeitsverteilung der Bevölkerung. Andererseits könnte die statistische Methode verändert worden sein, um vorteilhafte Ergebnisse für einen bestimmten Kandidaten oder eine bestimmte Kandidatin zu erzielen.

Eine andere Erklärung für die überraschenden Ergebnisse der Präsidentschaftswahl ist die „Protestwahl“, mit der die panamaischen Wähler*innen den Regierungspolitiker*innen immer die Quittung für ihre Politik präsentieren und sie abstrafen. In diesem Fall traf es dann Arias, den Fahnenträger der Regierungspartei.

Der noch amtierende Präsident Martinelli wetterte gegen die Undankbarkeit des panamaischen Volks. Er fügte ein „Gnade uns Gott“, für die Amtszeit seines Nachfolgers hinzu. Aber warum wählte die Bevölkerung den Kandidaten einer relativ schwachen Partei? Warum wählte sie nicht die PRD, die der damalige General und Junta-Chef Omar Torríjos vor 35 Jahren gründete (Omar Torrijos gilt als umstritten; die einen feiern ihn wegen der Re-Nationalisierung des Panama-Kanals als Nationalhelden, die anderen beschimpfen ihn als Diktatoren, (vgl. poonal 620).

Die PRD mit fast 600.000 Anhänger*innen hat in dieser Wahl nur 510.000 Stimmen gewonnen. Warum haben die traditionellen Wähler*innen der PRD sich für den Kandidaten der Panameñista, für Juan C. Varela, entschieden? Alles deutet darauf hin, dass die Protestwahl sowohl dem Präsidenten Martinelli wie dem Kandidaten der PRD, Juan C. Navarro, galt.

Linker Kandidat Jované: Wahlkampf ohne finanzielle Unterstützung

Bevor ich die Analyse zum Gewinner und den großen Verlierern fortsetze, muss ich anmerken, dass zum ersten Mal seit 30 Jahren (seit 1984) in der diesjährigen Wahl auch Mitglieder der panamaischen Linken kandidierten. Der unabhängige Kandidat Juan Jované, dem es gelungen ist, die Probleme des Landes in die Diskussionen bei den Wahlen zu integrieren, erreichte etwas weniger als ein Prozent der Stimmen. Genaro López, der Kandidat der Partei Breite Front für die Demokratie FAD (Frente Amplio por la Democracia), konnte nicht den erhofften Stimmanteil gewinnen.

Jované führte seinen Wahlkampf ohne finanzielle Unterstützung anderer durch, konnte aber in wichtige Bereiche der panamaischen Gesellschaft vordringen. Seine Kampagne konzentrierte sich auf die Ursachen der Probleme, an denen die Bevölkerung des Landes leidet. Er prangerte die Plünderung der Steuerkassen durch die Finanzoligarchie an, die die drei Mehrheitsparteien des Landes wirtschaftlich unterstützt. Jované versprach, die Korruption zu beenden, die das Land an den Rand seines materiellen wie moralischen Zusammenbruchs führe.

Die einzige Möglichkeit, die produktiven Sektoren der Wirtschaft, die Landwirtschaft und die Industrie vor dem Bankrott zu bewahren, sei, das Freihandelsabkommens mit den USA zu aufzukündigen. In seinem Wahlkampf hob er den verheerenden Zustand der staatlichen Bildungs- und Gesundheitspolitik hervor. Die Schulen seien sprichwörtlich zusammengebrochen, und die Gesundheitszentren verfügten weder über Personal noch Arbeitsmaterial.

Enttäuschendes Ergebnis für Genaro López

Genaro López, Gewerkschafts- und Arbeiterführer im Bausektor, gewann viel weniger Stimmen, als er erhofft hatte. Vier Prozent oder mehr wären notwendig gewesen, um die FAD zu festigen und damit mindestens eine KandidatIn in die Nationalversammlung gelangt. Möglicherweise schadete Lopez’ Diskurs, mit dem er Ausgewogenheit bei seinen Vorschlägen zu vermitteln suchte, seinen Zielen für die Wahlen.

Ähnlich wie Lula, Sánchez Cerén und Mujica positionierte er sich nicht offen als Linker und Befürworter radikaler Veränderungen. All diejenigen, die eine Alternative hätten wählen können, entschieden sich für die Protestwahl. Sie wollten sicherstellen, dass Martinelli nicht auf dem Rücken seines Mündels Arias oder an der Hand seiner Frau Marta Linares, der Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, zum Präsidentensitz zurückkehrte.

Varela ist Mitglied bei Opus Dei

Die Politik des jetzt gewählten Varela ist der Politik Martinellis sehr ähnlich, wenn nicht sogar identisch. Allerdings ist sein Stil ein anderer. Doch Varela ist der Politik unterworfen, die wirtschaftlich, sozial und militärisch von den USA ausgeht. Sogar seine Mitgliedschaft bei Opus Dei, einem konservativen Orden der katholischen Kirche wird in Washington gern gesehen.

In seiner ersten Pressekonferenz, noch in der Wahlnacht, mischte er sich gleich in die internen Angelegenheiten Venezuelas ein und wiederholte die Propaganda des Weißen Hauses gegen die Regierung Maduro. Im Wahlkampf ließ er die Probleme des Panamakanals, die wachsende ausländische Militärpräsenz in Panama und die Krise der Landwirtschaft außen vor. Dagegen fand sein Versprechen Beachtung, die Kosten Warenkorbs der Grundversorgung zu senken, die Korruption zu beenden und Projekte des sozialen Wohnungsbaus zu entwickeln.

„Soziales Gewissen“ des Landes

Jované erklärte in der Nacht des Wahlsiegs von Varela, dass sich die Unabhängige Bewegung für die nationale Neugründung MIREN (Movimiento Independiente por la Refundación Nacional) zum „sozialen Gewissen“ des Landes wandeln werde, um vom neuen Präsidenten die Erfüllung all seiner Versprechen während seiner Amtszeit 2014-2019 zu fordern.

Die Partei des Wahlsiegers gewann außerdem mit knapper Mehrheit das Bürgermeisteramt von Panama-Stadt. Es ist der zweitwichtigste Posten des Landes, der bei Wahlen bestimmt wird. Allerdings wird Varela nur mit einer Minderheitsfraktion von 12 der insgesamt 71 Abgeordneten rechnen können. Auch bei den Räten auf Gemeindebezirksebene stellt seine Partei nur eine Minderheit. Varela als Person gewann die Präsidentschaftswahlen, doch seiner Partei wurde eine zweitrangige Rolle in den restlichen Regierungsinstanzen zugewiesen.

In der Abgeordnetenkammer gewann die Partei Demokratischer Wechsel (Cambio Democrático) von Martinelli eine relative Mehrheit mit fast 30 Abgeordneten. Die PRD gewann 23 Sitze. Es wird spekuliert, dass die PRD ein Bündnis mit der Partei Panameñista (Varela) eingeht, um in der Amtszeit von 2014- 2019 eine Gesetzesagenda anzustoßen. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die nächste Regierung mit Martinelli und seinen 30 Abgeordneten verhandelt.

PRD: Weniger Stimmen als Parteimitglieder

Die PRD zeigte ihre Stärke in 75 Gemeinden, in denen sie die absolute Mehrheit der Bezirksräte gewann. Die Partei, die General Torrijos gründete, hat eine breite, gut strukturierte Basis, die gut mobilisiert werden kann. Doch diese lehnte den Präsidentschaftskandidaten und die weiteren Kandidat*innen ihrer eigenen Partei ab. Trotz der 570.000 eingeschriebenen Parteimitglieder konnte der Präsidentschaftskandidat nur 510.000 Stimmen gewinnen.

Der Triumph Varelas ist der Sympathie geschuldet, die seine Person in den weniger organisierten Teilen der Arbeiterklasse und in den Agrarregionen Panamas geweckt hat. Fünfzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind im informellen Sektor tätig. Martinellis Wahlkampf basierte auf Versprechen, Geschenken und Bargeld für diesen weniger geschützten Teil der Bevölkerung.

Protestwahl macht Varela zum Präsidenten

Die Wähler*innen Panamas lehnten Martinelli ab und reagierten mit einer Protestwahl. Die PRD wurde auch bestraft, weil sie die Begründerin einer neoliberalen Politik (während der Regierungszeit von Pérez Balladares, 1994-1999) war. Diese Politik hatte die meisten panamaischen Familien in eine Krise gestürzt, weil damals die Familienoberhäupter ihre Arbeitsstellen verloren und seither durch Arbeit im informellen Sektor überleben. Auch junge Panamaer*innen, die keine würdige Arbeit finden, bestraften Martinelli und die PRD bei der Wahl.

Wenn Varelas Regierung die panamaische Bevölkerung mobilisieren soll, muss er seine Aufmerksamkeit auf das Schlüsselproblem des Landes richten: Den Mangel an würdiger und rentabler Arbeit für die Jugend. Deshalb muss er die neoliberale Politik der letzten vier Regierungen (der letzten 20 Jahre) grundlegend ändern. Die Verteilung von Geschenken ist für konjunkturelle Notfälle geplant, aber Varela sieht in dieser Politik die Säulen seiner Regierung. Er wird diese Perspektive ändern und eine neue Politik entwickeln müssen, in der die jungen, arbeitenden oder studierenden Panamaer*innen zu Säulen seiner Regierungsarbeit werden.

Unternehmer soll Sozialkasse leiten

Es ist kein Geheimnis, dass die drei Präsidentschaftskandidaten der traditionellen Parteien gemäß den Interessen des Großkapitals in Panamas und den USA agieren. Auch Varela war da keine Ausnahme. Er deutete schon an, dass er einen Unternehmer zum Vorsitzenden der Sozialversicherungskassen (mit einem Budget von fast 2 Milliarden US-Dollar) ernennen wolle, der vor kurzem eine Umstellung der Sozialkassen auf individuelle Abrechnungen forderte. Jede andere Alternative sei „unmoralisch“.

Als Präsidentschaftsminister und Koordinator für die Umstellung der Regierungsverwaltung ernannte Varela einen konservativen Anwalt mit engen Verbindungen zu Firmen mit einer Monopolstellung in den USA. Es war das panamaische Großkapital, das die Wahlniederlage Martinellis und den Triumph des Kandidaten der traditionellen Opposition am meisten feierte. Jetzt ist es an ihnen, mit Varela zu verhandeln. Der ehemalige und der neu gewählte Präsident unterscheiden sich grundlegend in ihrer Persönlichkeit und ihrem Stil. Doch beide sind Unternehmer und vertreten im Grunde die gleichen Interessen jener Klasse, die Panama – bis auf wenige Ausnahmen – in den letzten zwei Jahrhunderten regiert hat.

Repressive Sozialpolitik

Die Regierungen Panamas, die nach der militärischen Invasion der USA 1989 an der Macht waren, verfolgten eine repressive Sozialpolitik. Das fällt besonders in der Arbeitspolitik auf. Einerseits wurden die Löhne gemindert, um die Gewinne der Unternehmer*innen zu verbessern. Andererseits wurden gewerkschaftliche Organisationen systematisch zerschlagen.

Auf dem Land hat diese Sozialpolitik landwirtschaftliche Siedlungen, Kooperativen und die Lebensgrundlage kleiner und mittlerer Produzent*innen zerstört. In den Bildungseinrichtungen machte sie die studentischen Organisationen zunichte; sie veränderte sogar den Inhalt von Schulbüchern in Geschichte und Sozialkunde, damit individuelle Figuren der herrschenden Klasse in einem besseren Licht erscheinen.

Unter Varela wird sich die repressive Politik der letzten Regierungen nicht verändern. Es bleibt nur zu abzuwarten, mit welcher Kraft er die sozialen Bewegungen, die für die Rechte der Arbeiter*innen, Landwirt*innen, Indígenas, Jugendlichen und Frauen des Landes kämpfen, zu unterdrücken gedenkt. Die Arbeiter*innen fordern bessere Arbeitsbedingungen und gerechtere Löhne.

Varela scheint keine Pläne zu haben, mit denen er diesen Forderungen entgegentreten will. Auch auf dem Land beabsichtigt Varela keine Veränderungen der bestehenden Politik, die bisher den landwirtschaftlichen Betrieben den Garaus macht. Und die indigenen Völker, die für den Erhalt ihrer Territorien kämpfen, haben bisher ebenfalls keinerlei Signale vom zukünftigen Präsidenten erhalten.

Keine inhaltlichen Überraschungen zu erwarten

In den politischen Bündnissen, die sich anbahnen, wird Varela eine Möglichkeit suchen, seine Regierung dem unternehmerischen Sektor anzunähern. Alles deutet darauf hin, dass er keine Forderungen der traditionellen Opposition nach sozialen und wirtschaftlichen Programmen, die Verbesserungen für breite Schichten der Bevölkerung zur Folge hätten, in seine Pläne integrieren wird.

Varela gewann die Präsidentschaft durch einen Überraschungserfolg an den Urnen. Es ist unwahrscheinlich, dass sich seine politische Laufbahn verändert und dem Land eine weitere Überraschung verschafft, indem er politische Maßnahmen fördert, die der panamaischen Bevölkerung zugute kommen würden.

* Marco A. Gandásegui jr, ist Soziologieprofessor der Universität Panama und Forschungsmitglied des Zentrums für lateinamerikanische Studien Justo Arosemena CELA (Centro de Estudios Latinoamericanos Justo Arosemena), www.marcoagandasegui14.blogspot.com, www.salacela.net 

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