Regierung genehmigt neokolonialen Auslöschungsversuch herkömmlicher Maissorten durch Anbau von genmanipuliertem Saatgut

von Silvia Ribeiro*

(Quito, 26. Oktober 2009, alai).- Die Zulassung des Anbaus von genetisch manipuliertem Mais durch die mexikanische Regierung ist ein Verbrechen von historischer Dimension. Mais ist eine von vier Getreidesorten, die für die Ernährung der Weltbevölkerung die Basis bilden. Eine Handvoll Politiker*innen, die nur für einige Jahre gewählt worden sind, gefährden mit ihrer Entscheidung 10.000 Jahre die gemeinschaftliche Arbeit unzähliger Generationen von Kleinbauern, Kleinbäuerinnen und Indígenas, zugunsten einiger weniger transnationaler Unternehmen. Wenn man also bedenkt, was auf dem Spiel steht, erscheint das abgrundtiefe Missverhältnis zwischen der Zahl derjenigen, die diese Entscheidung getroffen haben und denjenigen, die darunter leiden werden umso erschreckender.

Moratorium gegen Genmais außer Kraft gesetzt

Es ist schwer nachzuvollziehen, warum das Moratorium, das seit zehn Jahren den Anbau von genetisch manipuliertem Mais in Mexiko verboten hatte, außer Kraft gesetzt worden ist. Die Gründe, die damals zu dem Moratorium geführt hatten sind damit nicht gelöst bzw. haben sie sich sogar verschärft. Mangels besserer Argumente haben die Ministerien für Landwirtschaft und Umweltschutz vorgebracht, dass es sich nur um Pflanzungen zu Testzwecken handele und Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Vegetation unternommen würden. Diese Maßnahmen jedoch werden schwerlich geeignet sein, eine Kontamination zu vermeiden. Vielmehr stellt diese Etappe für die Politiker*innen – und die transnationalen Firmen – nur eine lästige Formalität dar, um später den Startschuss für den kommerziellen Anbau dieses Saatguts in großem Umfang durchsetzen zu können.

Saatgutschutz ist Farce

Spätestens dann wird sich das Versprechen des Umweltschutzes als Farce entpuppen. Denn selbst wenn einige der vorgeschlagenen Maßnahmen eingeführt werden, um den nicht genetisch manipuliertem Mais vor Kontamination zu schützen, werden sie bei der kommerziellen Verwendung des Saatguts wohl kaum dauerhaft und sorgfältig beachtet und noch weniger kontrolliert werden. Obendrein ist die Wirksamkeit dieser Maßnahmen von bekannten Wissenschaftler*innen, Techniker*innen und teils sogar von denjenigen, die diese Expert*innen ausgebildet haben – und die wesentlich besser Bescheid wissen als die Politiker*innen, angezweifelt worden.

Die Produzent*innen können sich sicher sein, dass die mexikanische Regierung weder willens noch fähig ist, die Ausführung dieser lästigen und teuren Schutzmaßnahmen zu kontrollieren. Schließlich ist die Regierung auch nie gegen den illegalen Anbau von Genmais vorgegangen. Warum auch, wenn sie ihn doch selbst angeordnet hat? Von einem „Anbau zu Testzwecken“ zu sprechen, kommt blankem Hohn gleich.

Gegner*innen der Freisetzung von Regierung überhört

Es lassen sich im Prozess, der zur Aufhebung des Moratoriums geführt hat, eine Reihe von Unregelmäßigkeiten nachweisen, die selbst den großzügigen Rahmen des Gesetzes zur Eindämmung genetisch modifizierter Organismen (Ley de Bioseguridad de Organismos Genéticamente Modificados) sprengen. So ist der im Gesetz festgelegte besondere Schutz der Maispflanze niemals durchgesetzt worden. Während öffentlicher Beratungen über die experimentellen Pflanzungen überhörte die Regierung geflissentlich die Meinung einer großen Mehrheit von Techniker*innen, Wissenschaftler*innen, sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich gegen die Freisetzung von genmanipulierten Pflanzen aussprachen.

Obwohl sich weite Teile der mexikanischen und internationalen Gesellschaft bereits seit zehn Jahren auf vernünftige Art und Weise und aus einer Vielzahl von Perspektiven – wissenschaftlich, wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich, historisch, geographisch – mit Protestbriefen, Demonstrationen und unendlich vielen Gründen gegen den Anbau von Genmais aussprechen, wurden ihre Argumente bei der Entscheidung nicht in Betracht gezogen.

Keine Vorteile aber satte Gewinne

In Wahrheit gibt es keinen Anlass für den Anbau von genetisch manipuliertem Mais in Mexiko: Der Anbau birgt enorme Risiken – ohne Aussicht auf Vorteile. Offizielle Statistiken aus den USA sowie verschiedene wissenschaftliche Studien haben aufgezeigt, dass genetisch manipuliertes Saatgut weniger Ertrag abwirft als natürlicher Mais, dafür aber gleichzeitig mehr Chemikalien benötigt werden. Darüber hinaus hat die Verwendung des genetisch manipulierten Saatguts nachweislich Resistenzen in über einem Dutzend schädlicher Pflanzen und Insekten erzeugt, die sie eigentlich bekämpfen wollten.

Und als ob dies noch nicht genug wäre, ist genmanipuliertes Saatgut teurer als jedes andere. Letztes Jahr haben verschiedene Wissenschaftler*innen, sowie zwei medizinische Organisationen (aus den USA und aus Irland) öffentlich vor dem Konsum genetisch manipulierter Nahrungsmittel gewarnt, weil eine Reihe von Studien schwere gesundheitliche Folgen belegt hatten.

10.000 Jahre kollektive Arbeit stehen auf dem Spiel

Diese Situation trifft auf alle Länder der Erde zu, doch steht in Mexiko besonders viel auf dem Spiel. Mexiko ist das Ursprungsland der vielen verschiedenen Maissorten. Die durch den Anbau von Gen–Mais unausweichliche Kontaminierung von Maissorten wird früher oder später das genetische Reservoir der Maispflanzen weltweit betreffen. Vor dem Hintergrund, dass der Mais das zentrale Element der bäuerlichen und indigenen Wirtschaft und Kultur ist, kann diese Politik nur als Angriff auf deren Rechte und als neokoloniale Aggression interpretiert werden.

Es war der mexikanischen Regierung wichtiger, der Forderung des Chefs von Monsanto, dem weltweit größten Produzenten von genetisch manipuliertem Saatgut nach Legalisierung des Anbaus genetisch veränderter Pflanzen nachzukommen, als 10.000 Jahre kollektiver Arbeit und indigenes Erbe zu schützen.

Es ist kein Zufall, dass die Regierung ausgerechnet am 16. Oktober, dem Welternährungstag, ihre Entscheidung zu Gunsten von Monsanto bekannt gegeben hat. Vielmehr haben die Machthaber*innen damit abermals auf zynische Art und Weise gezeigt, wie wenig dieser Regierung, die vor allem damit beschäftigt ist, Schlüsselsektoren der Wirtschaft an transnationale Unternehmen zu verscherbeln, das Recht der Bevölkerung auf Ernährungssouveränität wert ist.

Via Campesina reagiert mit Kampagne für Ernährungssouveränität

Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen, hat die internationale Organisation von Kleinbauern und Landarbeiter*innen Vía Campesina am 26. Oktober 2009 eine weltweite Kampagne gegen Monsanto ins Leben gerufen. Denn sie sehen in Monsanto den größten Gegner Ernährungssouveränität, der nachhaltigen kleinbäuerlichen Landwirtschaft, und der Versorgung aller Menschen mit Nahrungsmitteln. In vielen Ländern hat es Aktionen gegen dieses und weitere transnationale Unternehmen gegeben, die weltweit Monopole über Ernährungsindustrien zu errichten versuchen.

Die Legalisierung des Anbaus von genetisch manipuliertem Mais wurde von Wenigen gegen den Willen der Mehrheit und zum Nachteil der Allgemeinheit durchgesetzt. Die mexikanische Regierung und die transnationalen Firmen irren sich, wenn sie glauben, dass diese neokoloniale Aggression auf keinen Widerstand stoßen wird.

*Die Autorin Silvia Ribeiro ist Forscherin der ETC-Gruppe

CC BY-SA 4.0 Regierung genehmigt neokolonialen Auslöschungsversuch herkömmlicher Maissorten durch Anbau von genmanipuliertem Saatgut von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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