„Uribe ist Teil einer rechten Gegenoffensive der USA“

von José Manuel Martín Medem

(Madrid, 21. Februar 2015, otramérica).- Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) könnten in den Verhandlungen mit der Regierung von Juan Manuel Santos eine Einigung erzielen, wenn garantiert wird, dass der Paramilitarismus beendet wird und die Aufständischen nicht wie eine besiegte Armee behandelt werden. Das zumindest erklärte der kolumbianische Senator für den Polo Democrático, Iván Cepeda*. Er hat in Madrid mit José Manuel Martín Médem über den Friedensprozess gesprochen, über den gegenwärtig die kolumbianische Regierung und die FARC in Havanna verhandeln. Cepeda warnte zudem vor der internationalen Kampagne des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe gegen die Verhandlungen, die im Rahmen des Plans der US-Republikaner, einen dritten Bush aufzustellen stattfände, um die extreme Rechte in Lateinamerika von den USA aus zu verstärken.

Ist der Verhandlungsprozess von Havanna schon endgültig?

Cepeda: Wir stehen vor der größten historischen Chance, die Kolumbien gehabt hat, um eine Wende hin zu einer bürgernahen und demokratischen Alternative zu machen. Man muss sowohl optimistisch als auch verantwortungsbewusst handeln, denn es wird ein gewaltiger sozialer und politischer Kraftakt nötig sein, um die Abkommen auch umsetzen zu können. Ich glaube, dass die Verhandlungen konkreter werden, wenn garantiert wird, dass der Paramilitarismus ausgelöscht wird und wenn nicht versucht wird, die Aufständischen wie eine besiegte Armee zu behandeln.

Der kolumbianische Ex-Präsident Álvaro Uribe (2002-2010) ist der Kopf einer internationalen Kampagne in den USA und der EU gegen diese Verhandlungen. Seine Initiative hat eine transnationale Dimension. Uribe setzt auf einen dritten Bush als zukünftigen US-Präsidenten und er ist der Handlanger Washingtons für das, was der ecuadorianische Präsident Rafael Correa als konservative Restauration in Lateinamerika bezeichnet. Es ist eine Gegenoffensive der extremen Rechten gegen die demokratisch gesinnten Regierungen.

Dies ist Teil eines Projektes, das schon Kissinger als eine neue internationale Ordnung, die notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen sei, angekündigt hatte. Es ist die Weiterführung der Doktrin des 11. September für den ständigen Konflikt und die Destabilisierung mit Hilfe der militärischen Macht. In Lateinamerika gibt es nicht nur eine legale Opposition, sondern auch eine durch exportierten Paramilitarismus und “sanfte” Putsche. Den Schatten von Uribe sehen wir in Mexiko, Venezuela, Honduras und Paraguay. Sie könnten sogar einen Vorwand für einen neuen militärischen Konflikt in Lateinamerika suchen. Uribe will die Verhandlungen in Havanna zum Scheitern bringen – nicht nur, weil seine eigene politische Sicherheit in Gefahr ist, weil er der Komplizenschaft mit den Paramilitärs und mit Menschenrechtsverbrechen beschuldigt ist; sondern auch, um eine Destabilisierung in der Region zu provozieren. Der Frieden in Kolumbien ist für ganz Lateinamerika von strategischer Bedeutung.

Gibt es einen Anfang für den politischen und wirtschaftlichen Wandel in Kolumbien?

Wir machen uns keine Illusionen über eine Veränderung des neoliberalen Modells als Konsequenz eines Friedensabkommens. Der Entwicklungsplan der Regierung von Präsident Santos verstärkt das Modell des Extraktivismus (Ausbeutung von Bodenschätzen, d. Red.) – das ist gegen die Verfassung und gegen das, was in Havanna verhandelt wird; es stärkt die transnationalen Unternehmen, bis hin zur Räumung von Einwohner*innen. Das wäre eine neue Welle von gewaltsamen Vertreibungen, diesmal mit Geschäften, die zur Tarnung angeblich im öffentlichen Interesse liegen. Aber inzwischen gibt es zum ersten Mal eine Schnittmenge von linken Parteien und sozialen Bewegungen, die durch das Friedensabkommen gestärkt würde, um soziale, politische und institutionelle Macht zu erlangen.

Also von den sozialen Bewegungen hin zur parlamentarischen Mitbestimmung, wie es in den Demokratisierungsprozessen in anderen lateinamerikanischen Ländern stattgefunden hat?

Die bäuerliche Bewegung hat die wirtschaftliche und paramilitärische Auslöschung überlebt. Es sind sehr wichtige soziale, gewerkschaftliche, studentische und indigene Bewegungen entstanden, die ihre Kämpfe und Forderungen deutlich machen. Der Patriotische Marsch (Marcha Patriótica), der Kongress der Völker (Congreso de los Pueblos), der Agrargipfel (Cumbre Agraria), die Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen (Movimiento de las Víctimas de los Crímenes de Estado). Bis zu den Präsidentschaftswahlen 2018 kann daraus eine Partei einer breiten Bewegung für Frieden und Demokratie werden.

Und die Straflosigkeit?

Der Ex-Präsident César Gaviria spricht von einem Schlussstrich-Gesetz. Aber wir können nicht davon abrücken, dass es nur Frieden und Gerechtigkeit geben kann, wenn die historische Wahrheit ans Licht kommt und die Opfer entschädigt werden. Der Grad der Straflosigkeit wird von der Wechselbeziehung der Kräfte abhängen.

*Iván Cepeda ist Senator der linken Partei Polo Democrático und Sprecher der Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen MOVICE. Er ist der Sohn von Manuel Cepeda Vargas, Abgeordneter der Patriotischen Union UP, der 1994 von Unteroffizieren der Armee und Paramilitärs umgebracht worden ist.

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