Poonal Nr. 739

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 24. Oktober 2006

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

HONDURAS

COSTA RICA

KOLUMBIEN

ECUADOR

BRASILIEN

BOLIVIEN

BOLIVIEN-ARGENTINIEN

CHILE


MEXIKO

Atenco: Menschenrechtskommission CNDH veröffentlicht Empfehlungen

Von Lourdes González

(Mexiko-Stadt, 16. Oktober 2006, cimac-poonal).- Die Staatliche Menschenrechtskommission CNDH (Comisión Nacional de Derechos Humanos) veröffentlichte am 16. Oktober einen Bericht mit Empfehlungen, die sich auf die gewaltsamen Polizeieinsätze in den Gemeinden San Salvador Atenco und Texcoco Anfang Mai diesen Jahres beziehen. Darin werden das Ministerium für öffentliche Sicherheit, die Regierung des Bundesstaates Mexiko und das Nationale Institut für Migration INM (Instituto Nacional de Migración ) aufgefordert, ein Verwaltungsverfahren gegen die an den Vorfällen beteiligten Beamten einzuleiten. Bei den brutalen Einsätzen waren zwei Menschen ums Leben gekommen und etliche Frauen vergewaltigt worden.

Insgesamt seinen an jenem 3. und 4. Mai in den Gemeinden Texcoco und San Salvador Atenco im Bundesstaat Mexiko 26 Frauen Opfer von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung geworden, sagte der Präsident der CNDH José Luis Soberanes Fernández im Rahmen einer Pressekonferenz. Unter Androhung von Gewalt seien die Frauen zum Vollzug verschiedener sexueller Praktiken genötigt worden. Es lägen zudem mehrfach Hinweise auf den Straftatbestand „Vergewaltigung gleichgestellter Praktiken“ vor, heißt es im Empfehlungsbericht 8/2006. Gutachter der Menschenrechtskommission hätten im Rahmen ihrer Untersuchungen entsprechend den Vorgaben des Protokolls von Istanbul zur Untersuchung von Folteropfern 26 ärztliche Untersuchungsberichte vorgelegt, sagte Soberanes weiter. Es habe sich um die Fälle von elf Frauen und 15 Männern gehandelt.

Die Auswertung der Akten über die Vorfälle erlaube den Rückschluss, dass Mitglieder der Präventiven Einsatzgruppe der Bundespolizei PFP (Policía Federal Preventiva), der Landespolizei des Bundesstaates Mexiko sowie Beamte der Migrationsbehörde diverse Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Dazu zählten grausame, unmenschliche und/oder erniedrigende Behandlung, Hausfriedensbruch, willkürliche Festnahmen und Freiheitsberaubung, Folter, Verletzung der sexuellen Freiheit (sexueller Missbrauch und Vergewaltigung), Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit, Verletzung der Rechte von Minderjährigen sowie die Verletzung der Rechtssicherheit.

In dem neun Bände umfassenden Bericht mit insgesamt 1960 Seiten heißt es weiter, bei dem Polizeieinsätzen in Atenco seien insgesamt 207 Personen verhaftet, in die Haftanstalt„Santiaguito“ überführt und dort festgehalten worden. Bei der mehr als vierstündigen Überführung seien die Verhafteten geschlagen und mit dem Tode bedroht worden. Man habe sie auf den Boden der Fahrzeuge geschleudert, ohne Rücksicht auf ihren physischen Zustand, ihr Alter oder ihr Geschlecht. Die erlittenen Schläge, Drohungen und einschüchternde Behandlung, die jeder der Verhafteten individuell erfahren habe, seien nach den Definitionen des Istanbul Protokolls als Folterfälle zu bewerten, erklärte der Präsident der Kommission weiter.

Der Menschenrechtler betonte, das Personal von „Santiaguito“ habe die eindeutigen Hinweise auf die Gewalteinwirkung und sexuelle Nötigung in den Fällen der vergewaltigten Frauen nicht weitergegeben. In einigen Fällen, hätte man den Opfern ihre Kleidung ohne ihr Einverständnis entwendet und in anderen Fällen sie zur Reinigung der Kleidungstücke gezwungen.

Soberanes sagte weiter, die Untersuchungen der Kommission seien von Seiten der PFP und Angehörigen der Landespolizei des Bundesstaates behindert worden. Untersuchungsanträge seien nicht angemessen oder nur unzureichend bearbeitet worden und manche der Antworten widersprächen geradewegs den bereits erwiesenen Tatsachen.

Die an den Minister für öffentliche Sicherheit Eduardo Medina Mora gerichteten Empfehlungen fordern dazu auf, einen Verwaltungsprozess gegen die beteiligten Beamten der in die Vorfälle verwickelten Behörden anzustrengen. Auch dem Gouverneur des Bundesstaates Mexiko Enrique Peña Nieto wird nahe gelegt, die beteiligten Beamten der Abteilung für Staatliche Sicherheit mittels eines Disziplinarverfahrens zur Rechenschaft zu ziehen.

Unverzüglich sei mit der Auszahlung der Entschädigungsleistungen in den Fällen von Javier Cortes Santiago sowie Ollín Alexis Benhumea Hernández zu beginnen. Die beiden wurden durch die Polizeieinsätze getötet. Gleichfalls sei die Leitung der Haftanstalt „Santiaguito“ und das medizinische Gefängnispersonal einem Untersuchungsverfahren zu unterziehen.

Sowohl Peña Nieto als auch Eduardo Medina Mora wird nahe gelegt, Entschädigungsleistungen an diejenigen Personen zu zahlen, deren Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt wurde. Schließlich wird auch der Leiter der Migrationsbehörde Hipólito Treviño Licea dazu aufgefordert, ein Verwaltungsverfahren gegen die ihm unterstellten Beamten im Bundesstaat Mexiko sowie gegen die Generaldirektion für Kontrolle und Sicherung von Ein- und Ausreise anzustrengen. Diese Behörden seien verantwortlich für die mutmaßlich unrechtmäßige Abschiebung von fünf Personen (zwei Spanierinnen, eine Deutsche, eine Chilenin sowie ein Chilene). Die Rechtslage der ausgewiesenen Personen sei umgehend zu normalisieren und das Verfahren ihrer Abschiebung müsse überprüft werden.

Atenco: Kritik an Empfehlungen der CNDH

Von Lourdes González

(Mexiko-Stadt, 17. Oktober 2006, cimac-poonal).- Angehörige von Opfern des brutalen Polizeieinsatzes in San Salvador Atenco und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen sind nicht zufrieden mit den gestern (16. Oktober) veröffentlichten Empfehlungen der Staatlichen Menschenrechtskommission CNDH (Comisión Nacional de Derechos Humanos) zu diesem Fall.

Bei den Einsätzen vom 3. und 4. Mai seien 45 Frauen von Mitgliedern verschiedener polizeilicher Einheiten schikaniert, sexuell gefoltert und vergewaltigt worden. Es
seien Nachweise für die Vergewaltigungen und sexuelle Folter erbracht worden. Zudem gebe es Beweise für die körperliche Misshandlung von Männern und Frauen. Die CNDH berichte jedoch nur über 26 vergewaltigte Frauen. Die staatliche Organisation würde diese Zahl als zufällige und repräsentative Beweise für die Fälle von Vergewaltigungen und sexuelle Folter nehmen. Die Empfehlungen der CNDH blieben auf der behördlichen Untersuchungsebene und würden nichts über die geistige Urheberschaft des Einsatzes aussagen.

Die Schauspielerin Ofelia Medina sagte im Namen des Kollektivs „Frauen ohne Angst“, dass dieses sich als Teil einer geschändeten Gesellschaft sehe.  Als weder direkt betroffene noch vergewaltigte Frauen sei es ihre Aufgabe, zu helfen und die Untersuchungen zu begleiten, damit solch bedauernswerte, gewalttätige Übergriffe wie in Atenco nicht noch einmal vorkommen. Das Kollektiv „Frauen ohne Angst“ gründete sich auf Grund der gewalttätigen Polizeiübergriffe in San Salvador Atenco.

„Wir sehen die Glaubwürdigkeit in dieser Empfehlung zutiefst verletzt. Man will Enrique Peña Nieto, den Gouverneur des Bundesstaates in die  Beurteilung einbeziehen. Die CNDH ermahnt ihn, die gewalttätigen Vorfälle zu untersuchen. Er selbst hat jedoch seine Verantwortung für die Operation eingestanden. Peña Nieto erklärte in New York, dass er den Einsatz der bundesstaatlichen Polizeikräfte angeordnet habe,“ sagte Medina. Wo bleibe denn die Gerechtigkeit, fragte die Schauspielerin, wenn diejenigen, die den  Einsatz in Atenco angeordnet hätten, die gleichen seien wie die, die sich jetzt um die Untersuchung der Vorfälle kümmern.

Der Präsident der Staatlichen Menschenrechtskommission José Luis Soberanes Fernández gab in diesem Zusammenhang zu, dass dies einer der größten Fehler im mexikanischen Justizsystem sei. Er schlug deshalb vor, eine autonome, vom Kongress abhängige Staatsanwaltschaft zu gründen. Diese solle dann einen Staatsanwalt bestimmen, der nichts mit den anderen Staatsanwaltschaften zu tun habe, „um diese und Hunderte andere Fälle zu vermeiden, die wir in Hunderten von Empfehlungen dokumentiert haben.“

Katerstimmung für López Obrador nach Tabasco-Wahlen

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 21. Oktober 2006, npl).- Hoch gepokert und verloren. Die Niederlage seines Parteienbündnisses bei den Gouverneurswahlen vom 15. Oktober im mexikanischen Bundesstaat Tabasco hat dem linken Oppositionsführer Andrés Manuel López Obrador in den zurückliegenden Tagen die Sprache verschlagen. Nach dem vorläufigen Endergebnis liegt sein Kandidat César Raúl Ojeda mit 43 Prozent der Stimmen deutlich hinter den 53 Prozent von Wahlsieger Andrés Granier von der seit fast acht Jahrzehnten ununterbrochen in Tabasco regierenden Revolutionären Institutionellen Partei (PRI).

Das Ergebnis hat landesweite Bedeutung, weil es zugleich als Testwahl für López Obrador und dessen Protestformen gegen die Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli verstanden wurde. Damals hatte der aus Tabasco stammende Präsidentschaftskandidat López Obrador in seiner Heimat über 500 000 Stimmen erzielt. Weit mehr als PRI-Kandidat Madrazo, ebenfalls ein „Tabasqueño“, und als der offiziell zum Präsidenten ernannte Felipe Calderón von der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN). Dreieinhalb Monate später stürzte die linke „Koalition zum Wohle Aller“ auf gut 340.000 Stimmen bei der Gouverneurswahl ab. Die PRI dagegen verbesserte sich auf deutlich mehr als 400.000 Bürgervoten. Viele Menschen, die im Juli für López Obrador stimmten, gingen diesmal gar nicht zur Wahl.

Da die Gallionsfigur der parteipolitisch organisierten mexikanischen Linken die Gouverneurswahlen zu einer persönlichen Angelegenheit gemacht hatte, fällt das Resultat nun auf sie zurück. Dabei kalkulierte López Obrador nach Einschätzung einiger Beobachter mehrfach falsch und fabrizierte unnötig ein Eigentor. So war der reiche und nicht gerade für seine Nähe zu den Armen bekannte Unternehmer Ojeda nicht gerade der ideale Kandidat des Linksbündnisses. Das wesentlich bessere Abschneiden der Koalition bei den parallel abgehaltenen lokalen Abgeordnetenwahlen unterstreicht diese These. Die Omnipräsenz der Überfigur aus der Hauptstadt vor Ort in Tabasco ließ Ojeda zudem nicht als Politiker mit eigenem Handlungsspielraum erscheinen. Und nach dem formidablen Ergebnis im Juli fühlte sich das Bündnis wohl lange Zeit zu sicher.

Nicht vergessen werden darf aber auch, dass die PRI noch einmal alle Register aus ihrer Zeit als Staatspartei zog. Stimmenkauf im Vorfeld bis hin zu einer breit angelegten Einschüchterungskampagne, bei der zivil gekleidete Polizisten Oppositionsmitglieder kurz vor dem Urnengang festnahmen, verprügelten und in einigen Fällen sogar folterten, zeigten Wirkung. Da die konservative Zentralregierung der PAN auf Bundesebene die Unterstützung der PRI braucht, schaute sie weg. „Alles normal in Tabasco“, so die Position in Mexiko-Stadt.

Die Opposition will die Wahlen gerichtlich anfechten. Im Jahr 2000 annullierten Bundesrichter schon einmal die Gouverneurswahlen in Tabasco, weil der damals amtierende PRI-Gouverneur Madrazo den Wahlkampf massiv beeinflusste. Doch gewann die PRI auch im zweiten Anlauf, ebenfalls gegen den Kandidaten Ojeda. Eine Annullierung erscheint diesmal nicht wahrscheinlich. López Obrador wird nun seine weitere Proteststrategie überdenken müssen.

Oaxaca: Lehrer streiken weiter

Von Wolf-Dieter Vogel

(Mexiko-Stadt, 23. Oktober 2006, poonal).- Im Konflikt zwischen streikenden Lehrern und der Landesregierung im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca ist keine Entspannung in Sicht. Am Sonntag (22. Oktober) beschloss eine Versammlung der Pädagogen, ihren seit fünf Monaten andauernden Streik vorerst nicht aufzuheben. Zwar hatte sich der Verhandlungsführer der rebellischen „Sektion 22“ der Lehrergewerkschaft SNTE Enrique Rueda mit dem Bundesinneministerium auf einen Kompromiss geeinigt, doch nach einer harten und langen Debatte lehnten die Teilnehmer der Versammlung diese Vereinbarung dennoch ab. Die Oppositionellen warfen Rueda undemokratisches Verhalten und Fälschung des Abstimmungsergebnisses vor.

Die Regierung hatte höhere Löhne und bessere Lehrbedingungen angeboten, allerdings fordern die Streikenden zudem die Absetzung des Gouverneurs des Bundesstaates Oaxaca Ulises Ruiz Ortiz. Im Laufe der Woche soll nun eine Befragung der Gewerkschaftsbasis für Klarheit sorgen. Dann soll entschieden werden, ob und wann die Lehrer wieder in die Klassenzimmer zurückkehren.

Die streikenden Lehrkräfte und ihre Unterstützer kontrollieren seit Mitte Juni de facto die südmexikanische Touristenstadt. Ursprünglich waren die rund 70.000 Pädagoginnen und Pädagogen im Mai in den Streik getreten, um höhere Löhne und bessere Lehrbedingungen durchzusetzen. Doch nachdem Gouverneur Ruiz am 14. Juni mit einem brutalen Polizeieinsatz gegen die Streikenden vorging, schlossen sich zahlreiche Gruppen den Protesten an: Indígenas, Studenten, Linke. Organisiert in der „Versammlung der Bevölkerung Oaxacas“ (Appo) besetzten sie Radiostationen, errichteten Barrikaden und blockierten Regierungsgebäude. Ihre Forderung: „Weg mit Ulises Ruiz Ortiz“. Der Politiker der Partei
der Institutionellen Revolution (PRI) gilt vielen als Inbegriff der Korruption und des repressiven Vorgehens, mit dem sich die PRI sieben Jahrzehnte lang an der Macht gehalten hatte.

Die Aktivisten machen den Gouverneur für die bewaffneten Angriffe verantwortlich, durch die neun Menschen starben. Immer wieder haben Scharfschützen auf Appo-Mitglieder geschossen und diese tödlich verletzt. Am vergangenen Mittwoch (18. Oktober) traf es den indigenen Lehrer Pánfilo Hernández. Er wurde von Unbekannten aus einem Auto heraus durch Pistolenschüsse ermordet. „Meine Hände sind sauber, ich habe nichts zu verstecken,“ erklärte Ruiz am Samstag. Zugleich kündigte er an, dass der Konflikt in der nächsten Woche gelöst werde. Er schloss einen Einsatz der zahlreichen Polizei- und Militäreinheiten nicht aus, die in den letzten Wochen in dem Bundesstaat stationiert wurden. „Es geht nicht um Räumungen oder Repression, sondern darum, Ordnung zu schaffen,“ sagte Ruiz. Die konservative Bundesregierung lehnt bislang ein gewaltsames Vorgehen gegen den Aufstand ab.

Am vergangenen Donnerstag (19. Oktober) hatte der mexikanische Senat mit 74 zu 31 Stimmen gegen die Absetzung des Landeschefs gestimmt. Zugleich bestätigten die Senatoren in ihrer gemeinsamen Erklärung aber, dass Ruiz „nicht über die notwendigen Bedingungen verfügt, um die Normalität wieder herzustellen“. Selbst Parteifreunde hatten kein gutes Wort für den Gouverneur übrig. Sollte sich der umstrittene Politiker jedoch noch bis Dezember an der Macht halten, wäre er zwei Jahre im Amt. Anstelle von Neuwahlen könnte die PRI dann einen Interimspräsidenten einsetzen. „Die Senatsabstimmung war ein politisches Manöver. Alle wissen, dass Ruiz nicht mehr regieren kann“, sagte Gewerkschaftssprecher Alfredo Chíu Velásquez.

Doch auch die Lehrer stehen zunehmend unter Druck. Schließlich müssen rund 1,3 Millionen Kinder seit fünf Monaten auf ihren Unterricht verzichten. Nicht zuletzt deshalb einigten sich die Verhandlungsführer der Lehrer mit der Bundesregierung auf den Kompromiss. Demnach werden die Löhne erhöht und Verbesserungen im Schulsystem durchgeführt, im Gegenzug sollten die Pädagogen noch im Oktober wieder in die Klassenzimmer zurückkehren. Forderungen wie die Einstellung aller Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Streik wurden nicht zugestanden. Die Absetzung von Ruiz stand in diesen Gesprächen ohnehin nicht zur Debatte, da die Bundesregierung nicht befugt ist, diese Entscheidung zu treffen.

Die weitere Entwicklung bleibt offen. Innerhalb der Bewegung könnten die Vorkommnisse der letzten Tage eine Spaltung in „moderate“ und „radikale“ Kräfte beschleunigen. Kritiker blockierten die Versammlung, auf der über den Vorschlag abgestimmt werden sollte. Verhandler Rueda wurde bereits bei der Ankunft im Versammlungssaal als „Verräter“ beschimpft. Auch Flaschen flogen. Die „Oppositionellen“ werfen Rueda vor, sich mit der Bundesregierung auf einen Deal eingelassen zu haben. „Ruiz muss zurücktreten. Hinter diese Forderung gehen wir nicht zurück,“ erklärt Velásquez von der „Sektion 22“. Ein Hungerstreik, mit dem 20 Aktivisten in Mexiko-Stadt für die Absetzung von Ruiz kämpfen, werde ebenso weitergeführt wie das Protestcamp, in dem sich Vertreter der Lehrer und der Appo vor dem mexikanischen Senat niedergelassen haben. Auch die Barrikaden in Oaxaca werden nicht abgebaut, denn ein gewaltsamer Einsatz der Sicherheitskräfte bleibt weiterhin nicht ausgeschlossen.

GUATEMALA

Lynchmorde als gewalttätige Antwort auf das Klima der Unsicherheit

(Guatemala, 16. Oktober 2006, cerigua-poonal).- DieGruppe zur gegenseitigen Unterstützung GAM (Grupo de Apoyo Mutuo) wies darauf hin, dass es sich bei den Lynchmorden um ein Phänomen handele, das die Gemeinden als gewalttätige Antwort auf das Klima der Unsicherheit, in der die Bevölkerung lebe, bedrohe. In ihrem „Bericht über die Lage der Menschenrechte und Gewalttaten im Monat September 2006 („Informe sobre la situación de los derechos humanos y hechos de violencia ocurridos en el mes de septiembre de 2006“) hob die Organisation hervor, dass manche Gemeinden gegenüber Personen, denen Straftaten vorgeworfen werden,  körperliche Strafen anwenden, um weitere Lynchmorde zu vermeiden.

Im Monat September seien keine tödlichen Auseinandersetzungen gemeldet  worden. Allerdings habe es drei Versuche gegeben, Männer zu lynchen. Außerdem sei es zu Auspeitschungen gekommen. Der GAM-Bericht bewertet diese Art von Selbstjustiz als eine Form der Suche nach Sicherheit, die das Misstrauen der Bevölkerung in Bezug auf die Nationale Zivilpolizei PNC (Policia Nacional Civil) verdeutliche.

Die GAM erinnerte daran, dass es in den letzten Monaten Fälle von ausgepeitschten Männern und Frauen gegeben habe, die mit der Entführung und dem Verkauf von Kindern in Verbindung gebracht worden seien. Der Bericht erwähnt einen Mann und zwei Frauen, die im September geschlagen worden seien. Das Dokument berichtet über einen Vorfall am 6.September in San Pedro Carchá, Cobán, Alta Verapaz. Dort seien zwei Frauen verprügelt und insgesamt neun Personen bei einer Polizeiaktion zur Wiederauffindung eines entführten Kindes festgenommen worden. Laut Pressemitteilungen wurde der Vorfall mit der Langsamkeit der Ermittlungen der Sicherheitskräfte begründet. Die Anwohner seien in das Haus der Verdächtigten eingedrungen, hätten sie angegriffen und hätten dann gedroht, sie zu lynchen.

HONDURAS

Lehrer setzen Streik fort

(Buenos Aires, 19. Oktober 2006, púlsar).- DieLehrkräfte in Honduras setzen ihren Streik fort, um ihren Anspruch auf die seit acht Monaten ausstehenden Löhne zu untermauern. Seitens der Regierung wurden keine Lösungen angeboten. Nun werden Rufe nach einem Rücktritt des amtierenden Bildungsminister Rafael Pineda laut. Mehr als 6.000 Lehrer bekommen seit Februar keine Gehälter und die Schüler aus ca. 60 Bildungseinrichtungen erhalten ihre Transportbeihilfe nicht. Die Direktoren verschiedener Einrichtungen fordern eine kostenlose Immatrikulation auf nationaler Ebene.

Der Präsident der Pädagogenfachschule von Honduras Israel Moya meinte nach einem Tag mit etlichen Demonstrationen und Schulbesetzungen: „Das Finanzministerium ist informiert, zahlt aber, obwohl das Geld da ist, die Löhne nicht aus.“ Neben der Reklamierung der überfälligen Gehälter fordern die Lehrer die Amtsniederlegung des zuständigen Ministers Rafael Pineda. Dieser erklärte im Gegenzug, dass sich mit seinem Rückzug der Konflikt nicht auflösen werde. „Wenn einige meinen, das Problem könne gelöst werden, wenn ich gehe, dann ist das ein Irrtum.“

COSTA RICA

Proteste gegen Freihandelsabkommen

Von Torge Löding

(San José, 23. Oktober 2006, voces nuestras).- Streiks und Demonstrationen legten am Montag Teile des öffentlichen Lebens in Costa Rica lahm. Ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Studierenden, Umweltschützern und vielen anderen hatte zu den Protesten gegen das CAFTA-Freihandelsabkommen aufgerufen. In der Hauptstadt San José blockierten mehr als 20.000 Demonstranten stundenlang das Zentrum auf ihrem Weg zum Parlamentssitz. Costa Rica ist das einzige Land Mittelamerikas, das CAFTA noch nicht ratifiziert hat.

Proteste gab es nicht nur in San José. Dieses Mal setzte das Anti-CAFTA-Bündnis auf dezentrale Aktionen in allen Provinzen des Landes. Tausende Menschen folgten am Montag dem Demoaufruf. Entgegen den Befürchtungen vieler blieb es aber allerorts friedlich. Die rechtssozialdemokratische Regierung Oscar Arias hielt ihr Versprechen, die Proteste zu tolerieren und keine bewaffneten Polizeieinheiten einzusetzen. Aus der Hafenstadt Puerto Limón und vier anderen Provinzorten berichteten CAFTA-Gegner indes, dass Aufstandsbekämpfungseinheiten der Polizei aufmarschiert seien.

Am Montag meldete sich der Präsident auch mit einer Fernsehansprache zu Wort und appellierte an die Demonstranten, friedlich zu bleiben. Er kritisierte aber auch gleichzeitig die Gewerkschaftsführer dafür, die Bewegung für ihre Ziele einzuspannen. César Lopez von der Bewegung der Künstler gegen CAFTA weist diese Kritik zurück. Er fühle sich nicht vereinnahmt und der breite Charakter der Bewegung sei offensichtlich: “Es gibt viele Gründe gegen CAFTA zu sein, mehr als 100. In allen Bereichen wird neoliberale Politik vorangetrieben. Ich beziehe ich mich auf den Artikel 9.14. Dieser besagt, dass ein Land nur dann Gesetze zum Schutz von Mensch, Tier und Pflanzen verabschieden darf, wenn diese nicht den Handel beeinträchtigen. Das bedeutet, Handel wird über das Leben gestellt.“

Die CAFTA-Gegner hoffen darauf, den Erfolg der Antiprivatisierungsbewegung wiederholen zu können. Damals stoppten sie auf außerparlamentarischem Weg ein bereits beschlossenes Gesetz zur Privatisierung von Telekom und Elektrizitätswerken. Für Dienstag ist eine Fortsetzung der Proteste geplant.

Campesinas fordern ihr Recht auf Produktion

Von Torge Löding

(San José, 19. Oktober 2006, voces nuestras).- Mit bunten Marktständen auf dem Plaza de las Garantias Sociales im Herzen von Costa Ricas Hauptstadt San José machten sie auf ihre Forderungen aufmerksam: Am vergangenen Dienstag präsentierten mehr als 30 Frauengruppen aus dem ganzen Land ihre Produkte, Ideen und politischen Forderungen. Neben den überdachten Marktständen hatten sie ein Versammlungszelt aufgebaut, in dem Theatergruppen auftraten und Aktivistinnen von ihren Kämpfen berichteten. „In diesem Jahr fassen wir die internationalen Tage der Landfrau, der Ernährung und der Armut in einer Aktivität zusammen. Wir wollen mit der Vielfalt dieses alternativen Marktes zeigen, wie wichtig die Rolle der Frau bei der landwirtschaftlichen Produktion ist“, sagte Vilma Herrera Chavarría von der Landfrauenvereinigung C.M.C. (Coordinadora de Mujeres Campesinas) in Costa Rica.

Die Hälfte des fruchtbaren Landes in Costa Rica ist nicht landwirtschaftlich nutzbar, weil sich hier Regenwald und Naturschutzgebiete befinden. Ein weiteres Viertel gehört internationalen Fruchtkonzernen wie Dole und Chiquita sowie großen Fincas, die direkt im Auftrag dieser Konzerne arbeiten. Das letzte Viertel gehört Kooperativen oder Kleinbauern. Frauen können trotzdem kaum über fruchtbaren Boden entscheiden. Ein Grund dafür sei die Art und Weise, in der das zuständige Institut IDA Land vergibt. „Die Regierung ist verantwortlich für Geschlechterdiskriminierung. Die Entscheidung, wer welchen Landtitel erhält, fällt das IDA auf Grundlage eines Punktesystems. Und dabei zählt eine Frau nur halb so viel wie ein Mann“, erklärt Cynthia Reina Carr aus der Karibikprovinz Limón. Eine alleinstehende Frau hat demnach überhaupt keine Chance, eine Parzelle abzubekommen, ein nicht verheirateter Mann dagegen schon.

Die Karibikgegend gehört zu den ärmsten Regionen des Landes. Carr beklagt die fehlenden Investitionen in die Infrastruktur: „Es wird nichts getan, denn wo die Landflucht einsetzt, da kommen die multinationalen Bananen- und Ananaskonzerne und kaufen das Terrain. Die Regierung steht für diesen Ausverkauf unseres Landes und der damit verbundenen Umweltzerstörung“.

Trotz dieser Umstände schaffen es viele Frauen, zu produzieren. Auf dem bunten Markt in San José präsentierten sie eine Produktpalette von Bioobst und -gemüse über Süßigkeiten bis hin zu Kunsthandwerkartikeln. „Uns Landfrauen fehlt aber der Zugang zum Markt. Von der Regierung gefördert werden nur Exportprodukte wie zum Beispiel Zierpflanzen oder Ananas. Die Ernährungssicherheit unserer Familien wird darüber vergessen“, beklagt Orfa Dalila von C.M.C. Noch schlimmer werde alles, sollte das CAFTA-Freihandelsabkommen (bekannt als TLC) mit den USA ratifiziert werden. „Dann haben Kleinbauern überhaupt keine Chance mehr gegen die Konkurrenz der Agrokonzerne aus dem Norden“. Deshalb richtete sich die Aktion der Frauen auch gegen eine Ratifizierung des Abkommens.

KOLUMBIEN

Angriff auf Indígenas

(Buenos Aires, 19. Oktober 2006, púlsar-poonal).-Der Regionale Indigene Rat des Cauca (Consejo Regional Indígena del Cauca) erklärte, dass eine unbekannte Person am Samstag (14.10) eine Granate auf ein Haus auf dem Landgut La Alsacia in der Gemeinde Piendamó geworfen habe. Dort leben 30 indigene Familien. Die indigenen Vertreter klagten in einer am Montag (16.10.) veröffentlichten Erklärung an, dass vier Personen mit Motorrädern an dem Grundstück vorbeigefahren seien und eine von ihnen die Granate geworfen habe.

In dem Haus hätten sich etliche Erwachsene und Kinder aufgehalten. Die Granate sei „durch Glück“ einige Meter außerhalb des Wohnhauses explodiert. Dadurch sei nur die Vorderseite des Gebäudes beschädigt worden. Bei den Menschen, die sich in der Nähe befanden, habe der Angriff Panik ausgelöst.

Die 30 indigenen Familien nahmen das Landgut La Alsacia vor einem Jahr in ihren Besitz, nachdem es mehr als zehn Jahre nicht mehr bewirtschaftet wurde. Über die Eigentumsfrage des Landgutes wird in einem „unbefristeten juristischen Prozess“ verhandelt. Vertreter der Gemeinderegierung von Piendamó, Politiker und Grundbesitzer der Region würden jedoch versuchen, die Kontrolle über das Landgut zu bekommen, obwohl es keinen „offensichtlichen Besitzer“ gebe, heißt es in der Erklärung.

Die indigene Gemeinde „Wurzeln des Ostens“ (Raíces de Oriente) aus Cauca befindet sich in „ständiger Versammlung“, weil sie Drohungen der paramilitärischen „Vereinten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens“ AUC erhalten hat.

ECUADOR

Stichwahl zwischen Noboa und Correa

(Lima, 18. Oktober 2006, na).- Nach einem von denvorangegangenen Umfragen nicht erwarteten Wahlausgang werden der Bananenkönig Álvaro Noboa von der rechten Institutionellen Erneuerungspartei Nationale Aktion (Partido Renovador Institucional Acción Nacional), und der ehemalige Wirtschaftsminister Rafael Correa von der linken Partei Alianza País am 26. November in einer Stichwahl um das Präsidentenamt erneut gegeneinander antreten.

Nach dem vorläufigen offiziellen Ergebnis der ersten Wahlrunde vom 15.10.  setzte sich Noboa mit 26,7 Prozent der Stimmen durch, gefolgt von Correa mit 22,5 Prozent. Auf einem überraschenden dritten Platz landete Gilmar Gutiérrez – Bruder des gestürzten Ex-Präsidenten Lucio Gutiérrez (2002-2005) – mit 16,3 Prozent, gefolgt von dem Sozialdemokrat León Roldós vom Bündnis Demokratische Linke/Ethisches Netzwerk und Demokratie ID/RED (Izquierda
Democrática y Red Ética y Democracia), der 15,5 Prozent erhielt.

Die Konservative Cynthia Viteri von der christlich-sozialen Partei landete mit 9,1 Prozent der Stimmen abgeschlagen auf Platz fünf. Die übrigen acht Parteien, die zur Wahl angetreten waren, erreichten weniger als drei Prozent. Das Ergebnis stellt eine absolute Überraschung dar, weil Correa laut Umfragen als Sieger galt und Roldós ein zweiter Platz prophezeit wurde, während Noboa und Viteri jeweils auf ca. zehn Prozent der Wählergunst hoffen konnten.

Ungefähr 9,2 Millionen Wahlberechtigte beteiligten sich am Urnengang, um den Präsidenten und den Vizepräsidenten für die Amtszeit 2007 -2011 zu wählen. Gleichzeitig wurden 100 Abgeordnete für das Einkammersystem des Kongresses, fünf Andenparlamentarier, 67 Provinzräte und 697 Gemeinderäte gewählt.

BRASILIEN

Bundespolizei schließt mehr als 40 Radiostationen in São Paolo

(Buenos Aires, 18. Oktober 2006, púlsar).- DiePolizei durchsuchte im Bundesland São Paolo mehr als 40 Basisradios und beschlagnahmte deren technische Ausrüstung. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Agencia Brasil habe die so genannte „Operation Corasario“ darauf abgezielt „den Betrieb der Radiosender, die bislang noch ohne Lizenz senden, zu verhindern“.

Die brasilianischen Basisradios sind großem staatlichen Druck ausgesetzt. Die Beschlagnahmungen der Sendeausrüstungen verlaufen meist äußerst gewalttätig und werden von schwer bewaffneten Polizeibeamten durchgeführt. Oft werden dabei auch unschuldige Personen festgenommen. Tausende von Radiostationen warten bislang noch auf ihre Legalisierung durch das Ministerium für Kommunikation. Die Regierung lässt sich mit den Lizenzierungsverfahren jedoch sehr viel Zeit.

BOLIVIEN

Indígenas fordern Agrarreformen

(Buenos Aires, 18 de octubre 2006,púlsar-poonal).- Die Versammlung der Guaranis und die Landlosenbewegung fordern eine Änderung der Gesetzgebung des Staatlichen Institutes zur Agrarreform INRA (Instituto Nacional de Reforma Agraria), um eine gerechte Neuverteilung des Landes zu garantieren. Nachdem das INRA-Gesetz bereits zehn Jahre in Kraft ist, fordern die sozialen Organisationen vom bolivianischen Kongress nun, dass dieser der Reformierung des Gesetzes zustimmt. Ziel der Änderungen ist die Umsetzung eines Programms der Bodensanierung und der gerechten Neuverteilung des Landes.

Indigene Organisationen aus dem Osten des Landes wollen am Mittwoch Aktionen durchführen. Die Versammlung des Guarani-Volkes will die Straße zwischen Santa Cruz und Yacuiba blockieren. Sprecher der Landlosenbewegung MST (Movimiento Sin Tierra) betonten, dass die Regierung eine Zählung der landlosen Bauern und der verteilbaren Ländereien durchführen müsse. Nach Angaben der UN-Organisation PNUD (Programa de las Naciones Unidas) verfügen 100 Familien über 25 Millionen Hektar Ackerland, während zwei Millionen Bauernfamilien lediglich fünf Millionen Hektar bewirtschaften.

Das INRA-Gesetz wurde am 18. Oktober 1996 verabschiedet, um eine gerechte Landverteilung zu erwirken. Korruption und fehlender politischer  Wille der INRA-Funktionäre führten jedoch dazu, dass die Regelwidrigkeiten anhalten. Der regionale Direktor der INRA Santa Cruz, Dionisio Rivas, bezichtigt den Ex.Präsidenten Jaime Paz Zamora, während seiner Regierungszeit Ländereien unter seinen politischen Gefolgsleuten illegal verteilt zu haben.

BOLIVIEN-ARGENTINIEN

Bolivien und Argentinien unterzeichnen Energieabkommen

(Buenos Aires, 19. Oktober 2006, púlsar).-Argentinien wird in den nächsten 20 Jahren Erdgas aus Bolivien importieren. Die Präsidenten beider Länder unterzeichneten in Santa Cruz de la Sierra ein entsprechendes Abkommen. Gemäß der Vereinbarung wird Argentinien ab dem Jahr 2009 täglich 27,7 Millionen Kubikmeter Erdgas erhalten. Damit können fünf Provinzen im Norden des Landes versorgt werden. Die Umsetzung des Abkommens bedeutet für Bolivien Einnahmen in Höhe von 17 Millionen US-Dollar.

Das Abkommen sieht zudem den Bau einer Gaspipeline zwischen beiden Ländern vor. Die Kosten dafür werden mit 1,2 Milliarden US-Dollar veranschlagt und es ist eine Beteiligung privater Unternehmen vorgesehen. Der Vertrag, der im Januar 2007 in Kraft tritt, enthält auch eine Klausel, die Argentinien verpflichtet, das Erdgas nicht an Drittländer weiter zu verkaufen.

CHILE

Amnestiegesetz muss für nichtig erklärt werden

(Fortaleza, 19. Oktober 2006, adital).- Das alsAmnestiegesetz bekannte Gesetzesdekret 2.191 verstößt gegen internationale Menschenrechtsabkommen und internationalen Verpflichtungen des chilenischen Staates. Es muss deshalb für nichtig erklärt werden. Dies betonten die Menschenrechtsorganisation amnesty international sowie die Internationale Juristenkommission. Bereits im Januar 2001 veröffentlichten die beiden Organisationen einen entsprechenden Bericht. Darin wurde auf die Problematik der Unvereinbarkeit des chilenischen Amnestiegesetzes mit den internationalen Gesetzen und die Verpflichtung der chilenischen Gerichte eingegangen. Die Gerichte müssen gegen die Verantwortlichen für die während der Militärregierung begangenen groben Menschenrechtsverletzungen, unter anderem die außergerichtlichen Hinrichtungen, das „Verschwindenlassen“ und Fälle von Folterung, ermitteln und sie vor Gericht stellen.

Im April 1978 erließ die von General Augusto Pinochet geführte Militärregierung eine Amnestiemaßnahme durch das Dekret 2.191. Dieses Dekret untersagt die Verfolgung von Einzelpersonen, die zwischen dem 11.September 1973 und dem 10. März 1978 in bestimmte kriminelle Taten verwickelt waren. Hierbei handelt es sich um die Zeit des Ausnahmezustands, die von systematischen und verbreiteten Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet war. In dieser Periode kam es von Seiten der chilenischen Sicherheitskräfte zu Folter und außergerichtlichen Hinrichtungen sowie zum „Verschwindenlassen“ von  Gegnern des Regimes.

Obwohl viele Hunderte von politischen Gefangenen auch vom Amnestiegesetz von 1978 profitierten und freigelassen wurden, meinen Amnesty International und die Internationale Juristenkommission, dass dieses Gesetz tatsächlich ein rechtliches Manöver der Militärregierung war, um ihre Mitglieder gegen mögliche zukünftige Verfolgungen durch die Menschenrechtskommission zu schützen.

Die Organe der Vereinten Nationen, die mit der Überwachung der Einhaltung der Verträge beauftragt sind, sowie die Interamerikanische Menschenrechtskommission stellten fest, dass das Amnestiegesetz mit den internationalen Verpflichtungen des chilenischen Staates unvereinbar ist. Die Verpflichtungen des chilenischen Staates besagen, dass die während der Militärregierung begangenen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen und die Täter der Verbrechen zu bestrafen sind.

Amnesty ist der Auffassung, dass die Mehrheit der Verbrechen, die während der Militärregierung (1973-1990) begangen wurden, noch straflos geblieben sind. Nach internationalem Recht sind die systematischen und weit verbreiteten außergerichtlichen Hinrichtungen, das „Verschwindenlassen“ und die Folter, die in Chile während der Militärregierung stattf
anden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Die Organisation ist der Meinung, dass die chilenischen Behörden die Verpflichtung haben, das Schicksal der verschwundenen Menschen zu untersuchen und die Verursacher dieser Verbrechen zu richten und zu bestrafen. Diese Taten stellten ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar und unterlägen keiner Verjährung. Aus diesem Grund müssten die Behörden das Amnestiegesetz für nichtig erklären. Es sei mit den internationalen Verpflichtungen des chilenischen Staates unvereinbar.

Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

(Fortaleza, 18. Oktober 2006, adital-poonal).- Etwa 20junge Männer, die sich weigern den obligatorischen Militärdienst zu leisten, wurden jüngst im chilenischen Regierungssitz „Palacio de La Moneda“ von Vertretern und Vertreterinnen der Regierung empfangen. Sie überbrachten persönlich  Schreiben, in denen sie sich als Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen erklärten und hatten Gelegenheit, ihr Anliegen vorzutragen. Sie werden dabei vom Chilenischen Netzwerk für die Wehrdienstverweigerung aus Gewissengründen ROC (Red Chilena de Objeción de Conciencia) unterstützt.

Auch im neuen Einberufungssystem ist der Militärdienst obligatorisch und nicht – wie öffentlich beworben – freiwillig. Eine Wehrdienstverweigerung aus Gewissengründen, wie sie das ROC-Netzwerk seit mehr als zehn Jahren fordert, gibt es zwar in beinahe 100 Ländern weltweit, in Chile aber noch nicht. Im vergangenen Jahr war dieses Recht im Rahmen einer Reform des Wehrdienstes bereits in der Abgeordnetenkammer angenommen worden, scheiterte jedoch im Senat an der Mehrheit aus rechtsgerichteten und auf Lebenszeit ernannten Senatoren und Senatorinnen.

ROC hatte bereits seit einiger Zeit mit der damaligen Verteidigungsministerin und jetzigen Präsidentin Chiles Michelle Bachelet zusammengearbeitet, um die Wehrdienstverweigerung aus Gewissengründen offiziell anzuerkennen. Beim Scheitern des Gesetzesantrages im Jahre 2005 nahm Bachelet diesen Punkt in ihre Liste von „36 Maßnahmen für die ersten hundert Tage im Amt“ auf. Der neue Gesetzesantrag, der jetzt im Abgeordnetenhaus verhandelt werden soll, erkennt die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen als legitimes Mittel an, um den Militärdienst abzulehnen. Er sieht darüber hinaus die Schaffung einen alternativen sozialen Zivildienstes vor, der an Stelle des Wehrdienstes abzuleisten ist.

Der Zivildienst sollte aus Sicht des ROC in sozialen Organisationen geleistet werden, die in Bereichen arbeiten, die der Staat nicht oder nur ungenügend erreicht. „Wir stellen uns eine andere Form des Dienstes am Land vor, der von den Prinzipien der Gewaltfreiheit und der Menschenrechte geleitet wird. Es handelt sich um eine andere Form der Verteidigung, die keiner Waffen bei der Konfliktlösung bedarf, da Gewalt nur zu weiterer Gewalt führt“, beschreibt Luis Venega, Koordinator von ROC-Chile, seine Vorstellungen eines alternativen Zivildienstes.

Es wird davon ausgegangen, dass die Wehrdienstverweigerer aus dem Einberufungsprozess ausgenommen werden. Im gegenteiligen Fall würden sie vom ROC kostenlos juristisch unterstützt und durch den gesamten Prozess begleitet. Es gibt bereits 50 weitere junge Männer, die diese Woche in der Stadt Concepción den Militärdienst verweigern möchten. Auch sie sollen vom ROC unterstützt werden.

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