Poonal Nr. 707

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 28. Februar 2006

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

COSTA RICA

HAITI

KOLUMBIEN

PERU

PARAGUAY

BRASILIEN

LATEINAMERIKA


MEXIKO

Gouverneur von Puebla steht unter Druck

(Mexiko-Stadt, 27. Februar 2006, poonal).- “Wegmit dem Beschützer von Päderasten!” Unter diesem Motto demonstrierten am vergangenen Sonntag (26. Februar) über 30.000 Menschen in Puebla, der Hauptstadt des gleichnamigen mexikanischen Bundesstaates. Der Hintergrund: Der Gouverneur von Puebla Mario Marín Torres von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) steht unter dem Verdacht, den mutmaßlichen Hintermann eines Kinderpornorings unterstützt zu haben.

Die feministische Journalistin Lydia Cacho hatte im letzten Jahr in ihrem Buch “Die Teufel von Eden” ein solches Netz aufgedeckt, in das auch namhafte Politiker und Unternehmer Mexikos verstrickt sein sollen. Am 14. Februar veröffentlichte dann die linke Tageszeitung “La Jornada” Aufnahmen von Telefongesprächen, die diese Vorwürfe untermauern. Die Mitschnitte bestätigen zudem, dass Gouverneur Marín die Journalistin hatte verhaften lassen, um einen einflussreichen Textilfabrikanten zu schützen. Der Unternehmer hatte gegen Cacho geklagt, weil diese ihn beschuldigt, einer der Verantwortlichen für das Netz zu sein.

Seit der Veröffentlichung der Bänder fordern Politiker und Menschenrechtler den Rücktritt Maríns. Nicht nur die gegnerischen Präsidentschaftskandidaten Felipe Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) und Andres Manuel López Obrador von der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) machen sich gegen den PRI-Mann stark. Selbst der PRI-Anwärter fürs höchste Staatsamt Roberto Madrazo musste sich von dem Gouverneur lossagen, nachdem seine Umfragewerte für die Wahl am 2. Juli in den Keller gegangen waren. “Der Oberste Gerichtshof muss bis zur letzten Konsequenz gehen,” forderte Madrazo. Dem stimmte am vergangenen Dienstag (21. Februar) das Parlament fast einstimmig zu. Das höchste Gericht soll nun in dem Fall gegen Marín, die zuständige Staatsanwältin und einen weiteren Justizbeamten ermitteln lassen.

In der Kritik stand zunächst vor allem der abfällige Ton, mit dem sich Marín und der Textilunternehmer Kamel Nacif über die Feministin unterhalten hatten. “Um sich zu bedanken”, rief Nacif nach der Festnahme Cachos am 16. Dezember 2005 bei dem PRI-Gouverneur an. Ja, er habe “der alten Fotze gestern eine Lektion erteilt,” antwortete Marín. In einem weiteren der Telefonat bittet der als “Jeans-König” bekannte Fabrikant Nacif eine Bekannte: “Zahle doch eine Frau im Gefängnis, damit sie sie vergewaltigt.” Cacho selbst berichtet von entsprechenden Drohungen während ihrer Festnahme. Eine Gefängniswächterin habe die Journalistin davor gewarnt, dass man sie vergewaltige werde.

Die Feministin war an jenem Dezembertag auf Antrag der Staatsanwaltschaft von Puebla von einem Polizeikommando in Cancún, wo sie auch das Frauenrechtszentrum CIAM leitet, mit rüden Methoden festgenommen worden. “Sie haben mich gewaltsam ins Auto gestoßen,” erinnert sich Cacho. Man habe sie versteckt, damit ihre Anwältin nichts mitbekommt. Dann brachten die Beamten die Journalistin in den 1500 Kilometer entfernten Bundesstaat Puebla. Zwar musste sie nach 30 Stunden wegen des öffentlichen Drucks nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden, dennoch drohen ihr wegen einer Anzeige wegen Diffamierung von Nacif bis zu vier Jahren Gefängnis. Amnesty International (ai) bezeichnete die Festnahme als “Form der Drangsalierung”, um Cachos Engagement “für die Menschenrechte zu behindern”. In Sorge um ihre Sicherheit hatte ai eine “Eilaktion” ausgerufen.

Es kommt immer weider vor, dass Cacho und die anderen CIAM-Mitarbeiterinnen bedroht werden. So etwa vor zwei Jahren von einem ehemaligen Bundespolizisten, dessen Ehefrau und Kinder in dem Zentrum Schutz vor ihrem Mann gesucht hatten. Der Ex-Polizist erschien bewaffnet vor mehreren Einrichtungen des CIAM-Netzwerkes und drohte, die Aktivistinnen umzubringen. Die zuständige Staatsanwaltschaft legte Cacho nahe, sich „nicht mit ihm anzulegen”, da er „von oben geschützt” werde. Im Oktober 2003 beherbergte CIAM eine Gruppe von vergewaltigten Frauen und Mädchen. Dabei stellte sich heraus, dass hinter den Aggressionen eine internationale Bande steckte, die Kindersextourismus organisiert und Pornographie übers Internet vertreibt.

In ihrem umstrittenen Buch “Die Teufel von Eden” beschreibt Cacho genau diesen Ring, der seine Basis in Cancún hatte. Auch die Generalstaatsanwaltschaft bestätige die Existenz des Netzes, dem nach Informationen der Autorin auch der mexikanische Vizeminister für Innere Sicherheit Miguel Angel Yunes angehört. Der mutmaßliche Bandenchef, der Cancuner Hotelier Succar Kuri, sitzt derzeit im US-amerikanischen Arizona im Gefängnis. Mexiko fordert seine Auslieferung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, Kinderpornographie und Geldwäsche. Die letzte Woche veröffentlichten Telefongespräche lassen keinen Zweifel daran, dass Kuri und der “Jeans-Königs” Nacif einen sehr engen Kontakt haben.

Beobachter gehen davon aus, dass der Rücktritt des Nacif-Unterstützers Marín nur noch eine Frage von Tagen ist. Der PRI-Gouverneur selbst will davon nichts wissen und hält die Feministin Cacho für eine “Kriminelle”. Seine Parteifreunde kritisieren, dass die von Unbekannten bei “La Jornada” abgegebenen Mitschnitte widerrechtlich gemacht worden seien. Im mexikanischen Parlament wurde indes ein Gesetzentwurf diskutiert, der das Vertreiben von Kinderpornographie unter schärfere Strafe stellen soll.

Lateinamerikanisches Wassertribunal tagt

(Mexiko-Stadt, 21. Februar 2006, cimac-poonal).- DasLateinamerikanische Wassertribunal TLA (Tribunal Latinoamericano del Agua) wird in Mexiko-Stadt in seiner ersten öffentlichen Sitzung in Lateinamerika z
wischen dem 13. und 20. März sechs Konflikte um Wasser in Mexiko behandeln. Das TLA ist eine internationale und unabhängige Instanz, die sich mit Fragen des Umweltschutzes beschäftigt und unter anderem für die Verteidigung gemeinschaftlicher Güter wie Wasser zuständig ist. Das Tribunal wird über insgesamt 13 Fälle von Konflikten um Wasser entscheiden, in denen es um den Bau von Wasserkraftwerken, die Privatisierung von Wasser und dessen Verschmutzung durch Textilindustrie, Tourismus und Bergbau geht. Die Anklagen wurden von verschiedenen Organisationen der Region vorgebracht.

In einem der Fälle geht es um die industrielle Verschmutzung des im mexikanischen Bundesstaat Tlaxcala gelegenen Atoyac-Flusses, die durch Abwässer von Maquila-Betrieben verursacht worden sein soll. Ein weiterer Konflikt dreht sich um die Plünderung des Wassers des Cutzamala-Flusses im Bundesstaat Mexiko. Der Cutzamala deckt einen Großteil des Wasserbedarfs der nahegelegenen Hauptstadt Mexiko-Stadt. Die in Flussnähe lebenden Mazahua-Indígenas und Umweltschützer kritisieren das Projekt, da es für den Wassermangel in den Gemeinden verantwortlich ist. Die Wasserknappheit sei gerade für Frauen ein ernstes Problem, da diese weite Strecken zurücklegen müssten, um das lebenswichtige Gut zu holen.

Auch die mexikanische Bewegung von Staudammbetroffenen und für die Verteidigung der Flüsse MAPDER (Movimiento de Afectados por la Construcción de Represas y en Defensa de los Ríos) klagt gegen die übermäßige Ausbeutung und Verschmutzung des Sees Chapala und die Verschlechterung der Wasserqualität des Beckens. Diese sollen durch die unkontrollierte Entsorgung von industriellen und häuslichen Abfällen sowie durch Dünger und Pestizide hervorgerufen worden sein. Auch über den Fall des Staudammprojektes „La Parota“ im Bundesstaat Guerrero soll in der öffentlichen Sitzung beraten werden. Der Rat der Gemeinden gegen den Staudamm (Consejo de Ejidos y Comunidades Opositoras a la Construcción de la Presa) hat die Klage eingebracht. Durch den Staudammbau würden 17.300 Hektar Land und ein 192 Meter langer Schutzwall überflutet werden. 25.000 Bauern in den Bezirken Acapulco, San Marcos, Juan R. Escudero, Teconoapa und Chilpancingo würden betroffen sein.

Das Ableiten von Öl in den Fluss La Playa in Coatzacoalcos im Bundesstaat Vercruz wurde vom Mexikanischen Zentrum für Umweltrechte CEMDA (Centro Mexicano de Derechos Ambientales) offen gelegt. Das Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juárez (Prodh) und andere Gruppen kritisieren die Verschmutzung des Meeres in Zihuatanejo im Bundesstaat Guerrero. Verursacht wird die Kontaminierung durch organische Abfälle und die Hotelanlagen in der Bucht.

Kritik am Bericht der Generalstaatsanwaltschaft über Frauenmorde

Von María de la Luz González

(Mexiko-Stadt, 21. Februar 2006, cimac-poonal).- Verschiedene Nichtregierungsorganisationen kritisieren den jüngsten Bericht der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft PGR (Procuraduría General de la República) über die Frauenmorde in Ciudad Juárez und Chihuahua. Dem Dokument lägen viel zu niedrige Zahlen an Frauen verübter Morde zugrunde. Nach Einschätzung der Organisationen werde damit die bestehende Straflosigkeit in der Grenzregion von offizieller Seite zu verschleiern versucht. „Die Bundesregierung unternimmt hier einen weiteren Versuch, die Morde an Frauen unter den Teppich zu kehren. Der Bericht der PGR enthält weder stichhaltige Beweise, noch ist eine strukturierte Methode bei der Untersuchung der Fälle zu erkennen,“ heißt es in einem offenen Brief, der von der BürgerInneninitiative für die strafrechtliche Verfolgung der Frauenmorde in Ciudad Juárez und Chihuahua und Angehörigen der Opfer unterzeichnet wurde. In einer Pressekonferenz schlossen sich die Organisationen Amnesty International, Katholikinnen für das Recht auf Entscheidung (Católicas por el Derecho a Decidir), Gerechtigkeit für unsere Töchter (Justicia por Nuestras Hijas) und das Netzwerk für Sexuelle Selbstbestimmung und Reproduktionsrechte in Mexiko (Red por los Derechos Sexuales y Reproductivos) der Kritik der BürgerInneninitiative an.

Der am 16. Februar vorgelegte Abschlussbericht der Sonderstaatsanwaltschaft für Ciudad Juárez spricht für den Zeitraum von 1999 bis 2005 von 379 registrierten Morden an Frauen und von 47 als vermisst gemeldeten weiblichen Personen. Erheblich höher sind dagegen die Zahlen, von denen mexikanische und internationale Menschenrechtsorganisationen ausgehen: Hier weiß man von über 400 Morden und 4.456 verschwundenen Frauen.

Der Bericht ordnet 225 Morde, also über 60 Prozent der Fälle, innerfamiliären Konflikten zu und behauptet, in der Mehrheit der Fälle seien die Täter Familienangehörige, Freunde oder Bekannte, die zum näheren Umfeld der Opfer gehörten. Auf diese Weise werde die tatsächliche Dimension der Gewalt gegen Frauen heruntergespielt. Die Organisationen, zu denen auch die Soziologin Julia Monarréz gehört, die den Begriff der systematischen Ermordung von Frauen ins Spiel brachte, forderten von der mexikanischen Regierung, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die Regierung solle für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit ihrer Bürgerinnen eintreten sowie die Statuten der Verfassung und die von Mexiko unterzeichneten internationalen Abkommen wie die Konvention von Belém zur Abschaffung der Gewalt gegen Frauen erfüllen. Die Unterzeichner*innen des offenen Briefs sind empört darüber, dass die mexikanische Regierung auf die unzureichende Arbeit der Behörden mit einem laxen „in anderen Ländern gibt es noch mehr Morde“ reagierte. Solche Äußerungen seien eine Beleidigung gegenüber den Opfern und deren Angehörigen und spielten die Bedeutung der Mordfälle herunter.

„Wir haben die Vielzahl der Hintergründe der Ermordungen an den Frauen in Ciudad Juárez und Chihuahua niemals bestritten“, argumentierten sie. Alarmierend sei außerdem, dass der mexikanische Staat „die von den Organisationen der Zivilgesellschaft vorgeschlagenen politischen Instrumente, um die Morde an Frauen zu stoppen, nicht eingesetzt und die Empfehlungen mexikanischer und internationaler Menschenrechtsverbände nicht berücksichtigt hat. Die Frauen werden selbst in ihren eigenen vier Wänden umgebracht.“ Es sei ein unbestrittenes Faktum, dass weiterhin Frauen ermordet werden. Allein im Jahr 2005 wurden 31 weitere Frauenleichen gefunden.

Bankkonten von NGO in Chiapas gekündigt

(Fortaleza, 17. Februar 2005, adital-poonal).- DieKündigung der Bankkonten der Nichtregierungsorganisation Enlace Civil durch die HSBC-Bank hat in Mexiko zu Kritik geführt. Die Organisation, die indigene Projekte im Bundesstaat Chiapas unterstützt, gab an, dass die Konten ohne Erklärung aufgelöst worden seien. Sie bezeichnete die Aktion als erneutes politisches Attentat, das die indigene Bevölkerung diskriminiere. Schon im vergangenen Jahres hatte eine andere Bank in Mexiko die Konten der zapatistenfreundlichen Organisation gekündigt.

Die HSBC-Bank teilte Enlace Civil am 26. Januar ohne weitere Erklärung mit, dass die zwei Girokonten der Organisation ab dem 11. Februar aufgelöst würden. Sprecher der HSBC in Mexiko-Stadt erklärten gegenüber der Presse, dass sie nichts über die Kontenauflösung wüssten. E
nlace Civil wurde am Sitz der Organisation in San Cristobal de las Casas benachrichtigt. In einem Brief teilte der Rechtsbeauftragte der HSBC in Mexiko mit, dass man aufgrund der Interessen der Bank zwei Kontoverträge von zwei Mitarbeitern von Enlace Civil kündigen werde. Schon im Mai 2005 waren Konten der Organisation bei der BBVA Bancomer mit dem gleichen Argument aufgelöst worden.

Vertreter der NGO erklärten, dass eines dieser Konten für Überweisungen aus Mexiko und dem Ausland benutzt worden sei. Diese Mittel wurden zur Erweiterung des Trinkwassernetzes in San Andrés Sacam’chen de los Pobres, zum Kauf eines Tanklastzuges für die Wasserversorgung der zapatistischen Bevölkerung in der Gemeinde Zinacantán und für den Kauf von Lebensmitteln für produktive Frauenprojekte in den indigenen Gemeinden eingesetzt. Nach dem Hurrikan Stan wurden auf dieses Konto auch Spenden für die Opfer der Verwüstungen einbezahlt.

Auf das zweite Konto kamen Spenden aus Dänemark für Bauarbeiten und die Instandhaltung der Schulen in den zapatistischen Caracoles in La Garrucha, La Realidad und Roberto Barrios. „ Wieder einmal ist offensichtlich, dass man mit dieser Art von Maßnahme die stetige Solidarität mit den indigenen zapatistischen Gemeinden behindern will. Man will sie in lebenswichtigen Bereichen wie der Wasserversorgung beeinträchtigen. Komischerweise befinden sich viele dieser Gemeinden in der Region Los Altos. Dort schlossen im Dezember 2003 lokale Politiker der gemäßigt linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD), die einst Kaziken der damaligen Staatspartei der Institutionellen Revolution (PRI) waren, die zapatistische Bevölkerung von der Wasserversorgung in Zinacantán aus. Das war ein Vergeltungsschlag gegen die Zapatisten, die eine autonome Gemeinde innerhalb von Zinacantán aufbauten“, erklärte Enlace Civil in einer Pressemitteilung.

Journalisten leben gefährlich

(Fortaleza, 20. Februar 2006, adital-poonal).- DasUN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Mexiko drückte seine Besorgnis über „wiederholte Übergriffe auf Journalisten“ während der letzten Monate aus. UN-Vertreter Amerigo Incalcaterra sagte, dass seit November vergangenen Jahres zwölf Anschläge auf Mitarbeiter von Medien dokumentiert worden seien. Es handele sich dabei um zwei Morde, vier Überfälle und sechs Drohungen.

Incalcaterra erinnerte den mexikanischen Staat an seine Verpflichtung, das Recht jeder Person auf unparteiische Meinungsäußerung und Meinungsbildung zu respektieren und zu garantieren. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation CENCOS (Centro Nacional de Comunicación Social) ereignete sich der jüngste Anschlag am 6. Februar, als bewaffnete Männer das Büro der Zeitung „El Mañana“ aus Nuevo Laredo im Bundesstaat Tamaulipas überfielen. Die Angreifer gaben mehrere Schüsse ab und warfen eine Granate. Der Reporter Jaime Orozco wurde verletzt.

Das Komitee zum Schutz der Journalisten wies in Washington darauf hin, dass die Angriffe und Einschüchterungen, denen die mexikanischen Journalisten an der Grenze zu den Vereinigten Staaten zum Opfer fallen, zu Selbstzensur geführt hätten. In dem Bericht „Angriffe auf die Presse im Jahr 2005“ machte die Organisation darauf aufmerksam, dass der Norden Mexikos „eine der gefährlichsten Regionen für Journalisten in Lateinamerika“ sei. José Luis Soberanes, Ombudsmann der staatlichen mexikanischen Menschenrechtskommission, machte deutlich, dass „die Ineffizienz der Regierungsverantwortlichen die Journalisten zu einer verwundbaren Gruppe gemacht hat“.

GUATEMALA

Hinweise auf Beteiligung der Zivilpolizei an sozialer Säuberung

(Guatemala-Stadt, 21.Februar 2006, cerigua).-Verschwundene, willkürlich Verhaftete und Personen, die zum letzten Mal mit Mitgliedern der Nationalen Zivilpolizei PNC gesehen wurden, sind nur einige der Hinweise, auf die sich der Ombudsmann für Menschenrechte Sergio Morales bei seiner Annahme beruft, dass Sicherheitskräfte an Praktiken der sozialen Säuberung beteiligt seien. In einem der internationalen Gemeinschaft am 20. Februar vorgestellten Bericht zählte der so genannte „Anwalt des Gewissens“ einige der Indizien auf, die auf eine Verwicklung von Sicherheitskräften in die „extralegalen“ Hinrichtungen im Land schließen lassen.

Gemäß einer Pressemeldung informierten Angehörige und Bekannte von Opfern die Ombudsstelle für Menschenrechte darüber, dass sie in einigen Fällen Autos ohne Nummernschilder identifiziert hätten. Zudem seien mit Uniformen der PNC bekleidete Personen gesehen worden, die Menschen festgenommen hätten, von denen später nur noch die Leichen aufgetaucht seien. Morales gab an, keine konkreten Beweise dafür zu haben, dass es sich dabei um einen Auftrag der Regierung handele. Es sei jedoch Aufgabe der politische Verantwortlichen im Land klarzustellen, dass sie in keiner Weise in solche Vorfälle verwickelt seien.

Die Ombudsstelle erhielt auch Informationen über einen bestimmten Ort, an dem angeblich gefoltert worden sei, und über die Ermordung von Personen, die sich der Erpressung durch Polizeibeamte widersetzt hätten.

Innenminister Carlos Vielmann wiederholte seinerseits, dass eine soziale Säuberung keine institutionelle Maßnahme sei. Er unterstrich, dass internationale Hilfe angefordert werde, um die Ursachen der gewaltsamen Tode zu untersuchen und bestimmen zu können. Nach Angaben des Jahresberichts von Ombudsmanns Morales wurden im Jahr 2005 ungefähr 25.000 Gewaltakte unterschiedlicher Art angezeigt. Mehr als die Hälfte davon wurde in Guatemala-Stadt verübt.

COSTA RICA

Oscar Árias bislang nur virtueller Präsident

Von Torge Löding

(San José, 27. Februar 2005, voces nuestras).- Expräsident und Friedensnobelpreisträger Oscar Árias (65) mahnt seine Parteifreunde von der rechtssozialdemokratischen PLN zur Ruhe: Er wähnt sich zwar als Sieger der Wahlen vom 5. Februar, aber seine Anhänger sollen mit dem Feiern warten bis das Oberste Wahlgericht (TSE) den neuen Präsidenten offiziell proklamiert. Die manuelle Nachzählung aller Stimmzettel hat Árias` Vorsprung vor seinem linksliberalen Kontrahenten Ottón Sólis (PAC) auf 18.165 Stimmen (1,1 Prozentpunkte) anwachsen lassen. Gewachsen ist aber auch der Unmut in Costa Rica; bislang galt der mittelamerikanische Staat als Musterländle westlicher Demokratie, zahlreiche Berichte von Unregelmäßigkeiten haben diesem Bild nun hässliche Kratzer verpasst. Das Wahlgericht will das amtliche Endergebnis erst verkünden, nachdem es die mehr als 600 Beschwerden von oppositionellen Parteien beantwortet hat.

Angesichts des knappen Wahlausgangs und einer fehlenden absoluten Mehrheit im ebenfalls neu gewählten Parlament kündigte PLN-Sprecher Francisco Antonio Pacheco dieser Tage an, dass seine Partei mit der Zivilgesellschaft und den anderen politischen Kräften in den Dialog treten wolle. Während Kirchenvertreter dies begrüßten, kommt harsche Kritik von der Gewerkschaft und Organisationen der sozialen Bewegung. „Vier Jahre Oscar Árias als Präsident bedeuten für Costa Rica vier Jahre sozialer Konflikte und Auseinandersetzungen“, sagte Albino Vargas, Generalsekretär von ANEP, der größten Gewerkschaft des Landes. Zu Unrecht g
elte Árias im Ausland als Progressiver, heißt es aus gewerkschaftsnahen Kreisen. Aufgrund seiner persönlichen Arroganz und neoliberalen Politik sowie seines Einflusses bei Zeitungen und Radiostationen in Costa Rica gilt er vielmehr als „Berlusconi von Mittelamerika“.

Der Ökonom Ottón Sólis (PAC), der im Gegensatz zu Árias das CAFTA-Freihandelsabkommen mit den USA nicht ratifizieren möchte, äußerte sich ebenfalls skeptisch hinsichtlich des Dialogangebots: „Wenn wir uns nicht bei der Transparenz des Wahlvorganges verständigten können, in welchen Punkten sollen wir uns dann bitte überhaupt verständigen können?“. Nichtregierungsorganisationen und zahlreiche Oppositionsparteien berichten von Unregelmäßigkeiten, die sie während des Wahlaktes und der manuellen Nachzählung beobachtet hätten. So seien mehr als 1000 Stimmen im Namen von Verstorbenen abgegeben worden und die Register von mehr als 100 Wahllokalen verschwunden. Am schlimmsten wiegt wohl der Vorwurf, dass in zahllosen Wahllokalen lediglich PLN-Anhänger die Auszählung durchgeführt hätten. Gesandte anderer Parteien seien in einigen Fällen gewaltsam entfernt worden und überparteiliche Beobachter waren gar nicht erst zugelassen. In die Kritik geraten ist aber auch das Oberste Wahlgericht, das bislang als stabiler Pfeiler der Demokratie im Lande galt.

„Diese Präsidentschaft wird befleckt sein“, sagte Gewerkschaftsführer Vargas. Schon die erneute Kandidatur von Árias (erste Präsidentschaft 1986-1990) sei ein Verfassungsbruch gewesen. Eine Ansicht, die viele Staatsrechtler, Politikwissenschaftler und Politiker teilen. Der Expräsident Luís Alberto Monge (PLN) warnte gar vor einem „technischen Staatsstreich“ seines Parteifreundes Árias. Die Verfassung schließt eine zweite Kandidatur aus, Árias erstritt vor dem Verfassungsgericht aber eine Interpretation, welche den Verfassungstext so auslegt, dass eine zweite Kandidatur nur unmittelbar im Anschluss an die erste Amtszeit ausgeschlossen sei.

Dem inoffiziellen Endergebnis zu Folge kommt Oscar Árias (PLN) auf 40,9 Prozent, Ottón Sólis (PAC) auf 39,8 Prozent. Als Dritter folgt der rechtsgerichtete Otto Guevara (ML), während sich der Kandidat der bisher regierenden christlich-sozialen PUSC, Ricardo Toledo, mit 3,4 Prozent begnügen muss. Sonstige Parteien kamen auf 4,4 Prozent der Erststimmen. Im 57köpfigen Parlament vertreten sein werden außer den großen Fraktionen PLN (25 Abgeordnete), PAC (18), ML (6), PUSC (4) noch jeweils ein Parlamentarier der linken Frente Amplio, der evangelischen Restauración Nacional, der Partei für die Rechte behinderter Menschen Accesibilidad sin Exclusión und der christlich-sozialen Unión Nacional.

HAITI

Prévals Wahl international anerkannt

(Buenos Aires/Fortaleza, 16. Februar 2006,adital-púlsar).- René Préval, der gewählte Präsident von Haiti, kann auf Unterstützung der internationale Gemeinschaft zählen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur “Espacinsular” haben viele internationale Organisationen wie die UNO und die Organisation Amerikanischer Staten (OAS) den demokratischen Ausgang der Wahlen gewürdigt, die am 7. Februar stattgefunden hatten. Sogar das US-State-Departement gratulierte dem neuen Präsidenten zu seinen Sieg.

Die vorläufige Wahlkommision hatte Preval zum neuen haitianischen Präsidenten Haitis erklärt, nachdem es zu Unruhen gekommen war. Nach der Bekanntgabe von Zwischenresultaten hatte es danach ausgesehen, als ob der Ex-Präsident (1996-2001) die 50-Prozent-Marke nur knapp unterschritten hätte. Bei den fünftägigen Demonstrationen von Prévals Anhängern auf den Strassen von Port-au-Prince kam mindestens ein Demonstrant ums Leben. Die stark unter Druck stehende Wahlkommission einigte sich aber letztendlich auf einen Kompromiss. Somit wurden Préval gut eine Woche nach den Wahlen doch noch die für einen Sieg ohne zweiten Wahlgang nötigen 50 Prozent der Stimmen zugesprochen.   Aufgrund des von Vertretern der von Brasilien angeführten UN-Friedenstruppe ausgehandelten Kompromisses wurden rund 85.000 leere Stimmzettel aus dem Ergebnis herausgerechnet. Damit erhöhte sich der Stimmenanteil der 34 Kandidaten. Das führte zum Sieg des Kandidaten der Partei La Esperanza.

KOLUMBIEN

Minderheiten sind Opfer des bewaffneten Konflikts

(Fortaleza, 22. Februar 2006, adital-poonal).- Lauteinem vom Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte veröffentlichten Bericht sind Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle in Kolumbien im Jahr 2005 Opfer von Mord, Folter, willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Androhungen „sozialer Säuberung“ aufgrund des bewaffneten Konflikts geworden. Trotz der Anzeigen gegen die von sexuellen Minderheiten erlittenen Aggressionen seien die Ermittlungen der staatlichen Stellen äußerst unzureichend. Es gebe jedoch weiterhin Anzeigen. Aus diesen gehe hervor, dass die Verletzungen der Rechte von Minderheiten vorwiegend von Angehörigen illegaler bewaffneter Gruppen sowie staatlicher Sicherheitskräfte begangen werden. Den Polizisten werden willkürliche Verhaftungen und unmenschliche Behandlung vorgeworfen.

Außerdem wird dem Staat vorgeworfen, er unternehme nichts, um der Diskriminierung entgegenzuwirken. Dem Bericht zufolge beobachte man „das Fehlen einer spezifischen staatlichen Politik, die solchen Vorfällen vorbeugt bzw. sie bestraft und die Diskriminierung betroffener Personen, vor allem in Bildungseinrichtungen, in der Arbeitswelt, bei der Polizei sowie in Haftanstalten abschafft.“

PERU

Referendum über Freihandelsvertrag zeichnet sich ab

(Buenos Aires, 20. Februar 2006, púlsar-poonal).-Nach Angaben des Direktors des Verbandes für Menschenrechte (Asociación Pro Derechos Humanos) sind beim Nationalen Wahlgericht bereits die 45.000 Unterschriften eingegangen, die für einen Referendumsprozess notwendig sind. Im Jahr 2005 war die Kampagne „Nein zum Freihandelsvertrag“ ins Leben gerufen worden, die sich für einen Volksentscheid stark macht. Die peruanische Bevölkerung soll dabei über den Freihandelsvertrag mit den Vereinigten Staaten entscheiden.

Die ersten 55.000 Unterschriften wurden schon im November 2005 eingereicht. Damals fand die letzte Verhandlungsrunde zwischen Peru, Ecuador, Kolumbien und den USA statt. In der ersten Februarwoche  wurden weitere 40.000 Unterschriften abgegeben. Laut Miguel Jugo habe das Wahlgericht bereits die 90.000 eingereichten Unterschriften überprüft. Man warte jetzt lediglich auf die offizielle Bekanntmachung des Wahlgerichts, um diese anschließend an den Kongress zu senden. Dort wird das Vorhaben auf die gesetzgebende Agenda gesetzt. Sollte es angenommen werden, wird das betreffende Gesetz zum Referendum verabschiedet.

Ähnliche Initiativen gibt es auch in Ecuador. Dort wurden eine Million Unterschriften gesammelt. Peru und Ecuador sind somit die ersten Länder, die ein Referendum auf die Tagesordnung setzen. Als mögliches Datum für die Volksbefragung wird der 9. April ins Auge gefasst. An diesem Tag finden in Peru auch die Kongress- und Präsidentenwahlen statt. In Kolumbien wurde indes am Montag (27. Februar) ein Freihandelsvertrag mit den USA verabschiedet.

PARAGUAY

Bauernorganisationen beklagen Menschenrechtsverletzungen

(Fortaleza, 20. Februar 2006, adital-poonal).-Bauernverbände des Bezirks San Pedro erheben schwere Vorwürfe gegen Organisationen, die zum Schutz und für die Sicherheit der Bevölkerung abgestellt wurden. Dabei beschuldigen sie die Organisationen, für Menschenrechtsverletzung bis hin zu Folter und Hinrichtungen verantwortlich zu sein.

Vor Parlamentariern der Menschenrechtskommission fand bereits eine von der Bewegung Movimiento Campesino, dem Nationalen Bauernverband sowie der kirchlich-sozialen Einrichtung Pastoral Social San Pedro Apóstol organisierte Anhörung zu den Vorwürfen statt. Etwa 20 Personen erzählten von den illegalen Methoden der Mitglieder der Organisationen. Sie berichteten von Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung, von Folter und Hinrichtungen. Es wurde auch von drei konkrete Fällen erzählt. Dabei ging es um Exekutionen, Verhaftungen und das Tragen von schweren Schusswaffen. Die Bauern konnten den Parlamentariern die entsprechenden Täter beschreiben.

„Wir haben niemals irgend jemanden gefoltert, geschweige denn exekutiert. Wir unterstützen lediglich Polizei und Staatsanwaltschaft. Auch tragen wir keine Schusswaffen“, so die Argumentation von Marcial Chaparro Arzamendias, dem  Präsidenten der Bürgerschutzorganisation von Yrybucuá.

Ernesto Bernal aus San Isidro del Norte berichtet hingegen von der Art und Weise, wie sein Bruder von Mitgliedern der „Kommission zur Verteidigung“ hingerichtet wurde: „Er wurde in einen Hinterhalt gelockt und gefoltert. Man riss ihm Augen und Hoden heraus und warf ihn dann auf die Straße.“

BRASILIEN

Weiterer Fall von Sklaverei aufgedeckt

(Buenos Aires, 23. Februar 2006, púlsar).-Staatsanwälte des brasilianischen Ministeriums für Arbeit haben 87 Personen befreit, die auf einem Landgut in Mato Grosso unter sklavenartigen Bedingungen lebten. Darunter waren 21 Frauen und 14 Minderjährige zwischen 12 und 15 Jahren. Die Befreiungsaktion wurde zusammen mit der Bundespolizei am 20. Februar durchgeführt. Der Fincabesitzer Roberto Amaral Tossato wurde auf die amtliche Liste von Arbeitgebern gesetzt, die ihre Arbeiter zu Sklavenarbeit zwingen. Anhand vorläufiger Rechnungen ist davon auszugehen, dass Tossato den Opfern Entschädigungen in Höhe von 1,14 Millionen Reales (561.727 Euro) zahlen muss.

Einer der beteiligten Staatsanwälte, Humberto Célio Pereira, sagte bei einem Treffen in der Gewerkschaftszentrale CUT (Central Única dos Trabalhadores), dass „die Arbeiter keine oder verspätete Lohnzahlungen erhielten und hungern mussten. Sie tranken dasselbe Wasser wie die Tiere und mussten für Arbeits- und Sicherheitsausrüstung sowie für Strom selbst aufkommen. Außerdem hatten sie Schulden auf dem Markt des Ortes.“ Einige der Arbeiter hätten schon seit zwei Jahren unter diesen Bedingungen gelebt, so der Staatsanwalt. Die Arbeiter stammen aus den Bundesstaaten Mato Grosso, Tocatins und Maranhão und arbeiteten in der Kautschukgewinnung. Im letzten Jahr war Mato Grosso auf Platz 1 im Ranking der Staaten mit den meisten Fällen von sklavenartiger Arbeit.

Aktion zur Entwaffnung von Milizen

(Fortaleza, 20. Februar 2006, adital-poonal).- Bis zumkommenden Monat soll in Terra do Meio im Bundesstaat Pará eine Initiative zur Entwaffnung von gewalttätigen Milizen, denen Edelsteinsucher und Holzfäller angehören, durchgeführt werden. Die katholische Landpastorale CPT (Comissão Pastoral da Terra ) berichtet, dass die Bundesregierung die Maßnahme aufgrund der in dieser Region anhaltenden Unruhen beschlossen habe. Es herrsche allgemein ein angespanntes Klima. 48 Personen hätten in der letzten Zeit Morddrohungen erhalten und stünden unter Polizeischutz.

Die Region Pará hatte sich auch die Ordensschwester Dorothy Stang ausgesucht, um für eine Reform der Agrarwirtschaft zu kämpfen. Direkt nach ihrer Ermordung im Februar 2005 wurde vor Ort unter Beteiligung des Militärs eingegriffen. Im Lauf der Zeit hat die staatliche Präsenz abgenommen und die Region wurde allmählich wieder von der Gewalt vereinnahmt. Nach Presseberichten drohen die Gewerkschaften der Holzhändler und Grundbesitzer mit Hilfe der Union der Grundbesitzer UDR (União Democrática Ruralista) und dem Landwirtschaftsverband von Pará FAEPA (Federação de Agricultura do Estado do Pará ), sich mit Waffengewalt gegen die erlassenen Maßnahmen gegen die Abholzung und die illegale Aneignung von Ländereien zu widersetzen.

Die vom Staat vorgesehene Großaktion soll die Herstellung des allgemeinen Rechtszustandes fördern. Dadurch sollen nicht nur die Holzhändler und Grundbesitzer entwaffnet werden, sondern auch die Landregulierung vereinfacht, illegale Holzhandlungen geschlossen, die Edelsteinsucher vertrieben und ihre Auftragskiller festgenommen werden.

Proteste gegen Freispruch für Oberst Ubiratan

(Buenos Aires, 22. Februar 2006, púlsar).-Verschiedene Organisationen demonstrierten am 20. Februar im Zentrum von São Pablo gegen den Freispruch des Oberst der Militärpolizei Ubiratan Guimarães. Ubiratan befahl im Jahr 1992 das Massaker an 111 Gefangenen im Gefängnis Carandiru.

Ubiratan Guimarães war im Jahr 2001 zu 632 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht hatte ihn für 102 der 111 Morde an den Gefangenen direkt verantwortlich gemacht. Das Massaker war die Folge der Erstürmung des Gefängnisses während einer Häftlingsrebellion. Trotzdem war Ubiratans Einspruch nun in der vergangenen Woche vom Gerichtshof in São Pablo akzeptiert worden. Seine Verteidigung argumentierte, dass, als er den Einsatz befahl, er damit „seinen gesetzmäßigen Pflichten nachkam“. In Folge des Einspruchs wurde der Oberst nun frei gesprochen.

Die Demonstration gegen das Gerichtsurteil begann am Praça da Sé im Zentrum der Stadt und endete vor dem Sitz des Gerichtshofes. Die Demonstranten klebten Schilder mit den Namen der 111 Toten an die Fenster des Gerichtes. Die Namen der Toten waren bisher im Prozess nie genannt worden.

Hélio Bicudo, Präsident der Interamerikanischen Stiftung zur Verteidigung der Menschenrechte (Fundación Interamericana de Defensa de los Derechos Humanos) sagte gegenüber der brasilianischen Nachrichtenagentur Agencia Brasil, dass man den Fall bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vorbringen werde. „Wir werden darum bitten, dass der Fall in der Interamerikanischen Generalversammlung diskutiert wird. Dabei soll geklärt werde, ob Sanktionen gegen den brasilianischen Staat aufgrund des Urteils verhängt werden.“

MST kritisiert positives Image der industriellen Landwirtschaft

(Fortaleza, 21. Februar 2006, adital-poonal).- In einerExtra-Ausgabe des Informationsblattes „Letra Viva“ bespricht die Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Sem Terra) die negativen Folgen des vorrangig auf Exporte in die Industrieländer orientierten Agrobusinesses für die Agrarreform. So vergleicht die Organisation die heutigen Anbaumethoden in der Landwirtschaft mit Produktionsformen der Kolonialzeit. Aus den Sklaven seien lediglich bezahlte Arbeiter geworden, und die Technik sei heute moderner. Die Löhne lägen Studien zufolge in diesem Sektor deutlich niedriger als in anderen Bereichen wie der Industrie, dem Handel oder auch dem landwirtschaftlichen Bereich der Industrien
ationen.

Nach Einschätzung des MST sei der gute Ruf der industriellen Landwirtschaft als Motor für das Wirtschaftswachstum in Brasilien lediglich ein Produkt der Presse. Dabei würden die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Verwendung modernster Techniken und die Lebensmittelproduktion als ihre große Vorteile angepriesen. „Nach Durchführung einer genauen Untersuchung kommen wir zu dem Schluss, dass diese Argumente nicht wahr sind“, so der MST.

Die Behauptung, die Landwirtschaft sei für das Wirtschaftswachstum verantwortlich, könne ganz einfach dadurch widerlegt werden, dass Ackerbau und Viehzucht nur zwölf Prozent der gesamten Produktion im Land ausmachen. Selbst wenn sich das Produktionsvolumen oder die Einnahmen aus der Landwirtschaft verdoppeln würden, wäre der Einfluss auf die Gesamtwirtschaft verschwindend gering. Dessen ungeachtet gäbe es ohnehin kein Wachstum in dieser Branche. Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre, während des Höhepunkts der industriellen Landwirtschaft, als die Industrialisierung des Anbaus durch einfache Kredite immer weiter expandierte, wurden ungefähr 65.000 Traktoren aller Art pro Jahr verkauft. Dreißig Jahre später, in der Ära des Neoliberalismus, während des angeblichen Höhepunkts, liegen die Verkaufszahlen für Traktoren bei nur 37.000 Stück pro Jahr.

Die industrielle Landwirtschaft sei zudem keineswegs so bedeutsam für die brasilianische Landwirtschaft wie behauptet. „Wenn das Agrobusiness so positive Auswirkungen hat, warum wird dann in Brasilien nicht mehr angebaut als vorher? Seit den Achtzigerjahren bleibt die gesamte für den Ackerbau genutzte Fläche unverändert bei etwa 45 Millionen Hektar.“ Die Landwirtschaft schaffe in ländlichen Gebieten auch keineswegs Arbeitsplätze im großen Maßstab. Daten des Brasilianischen Instituts für Geografie und Statistik IBGE (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística ) zufolge werden in Großbetrieben mit mehr als 2.000 Hektar Land insgesamt 350.000 Arbeiter beschäftigt. Das sind weitaus weniger als die 900.000 Arbeiter, die in Kleinbetrieben angestellt sind.

Ein weiterer entscheidender Faktor sei, dass das Monopol über die wichtigsten Landwirtschaftszweige einzig und allein in den Händen von zehn transnationalen Unternehmen liege. Dazu zählten Bunge, Cargill, Monsanto, Nestlé, Danone, Basf, ADM, Bayer, Sygenta und Novartis. Der MST bemängelt, dass die wichtigsten Ministerien trotz des Versprechens der Regierung, eine Landwirtschaftsreform durchzuführen und die Kleinbauern zu unterstützen, in Wirklichkeit die industrielle Landwirtschaft, die Monokultur und den Export von Getreide unterstützten.

Indígena-Forum kritisiert Regierungspolitik

(Fortaleza, 22. Februar 2006, adital-poonal).- Das Forumzur Verteidigung der Rechte der Indigenen Bevölkerung FDDI (Fórum em Defesa dos Direitos Indígenas) kritisierte die jüngsten Aktionen der brasilianischen Regierung gegenüber der indigenen Bevölkerung. Offensichtlich beabsichtige man damit, die an die Indigenas gerichtete Politik „mit offenkundigen Verletzungen der anerkannten Rechte der indigenen Völker“ zu demontieren.

Als Beispiele werden genannt: der Überfall und der Angriff der Bundespolizei auf das Volk der Tupiniquim in Aracruz, Espírito Santo; die Vertreibung der Guaraní von ihrem Land in Nhanderu Marangatu, Mato Grosso do Sul; der Druck gegen das Volk der Pataxó-Hã-hã-hãe im Süden von Bahía und gegen das Volk der Macuxi in Roraima; die Umsetzung und der Bau weiterer Wasserkraftwerke im Bereich des Flusses Río São Francisco zum Schaden der indigenen Völker und anderer Gemeinden der Region; der Versuch, dem Stamm der Potiguara das Gebiet Jacaré de São Domingos in Paraíba abzuerkennen und die allgemein fehlende Gesundheitsversorgung der indigenen Bevölkerung in verschiedenen Regionen des Landes.

Die Bewegung “Abril Indígena”, die erstmals im April 2005 in Erscheinung trat, forderte die Regierung auf, die administrativen Verfahren für die Abgrenzung von 14 indigenen Gebieten zum Abschluss zu bringen. Die entsprechenden Gesuche sind beim Justizministerium anhängig. Zehn Monate nach Eingabe der Gesuche gibt es noch immer keine Antwort des Ministeriums. Lediglich in einem der indigenen Gebiete, Yvy Katu vom Volk der Guarani-Nhãndeva in Mato Grosso do Sul wurden die Grenzen bestimmt.

Das FDDI resümiert: „Man kann also behaupten, dass die Politik der Regierung im Hinblick auf die indigene Bevölkerung unterm Strich negativ verläuft. Die brasilianische Regierung grenzt die indigenen Gebiete nicht weiter ab. Sie kümmert sich nicht um die Gesundheitsversorgung der indigenen Bevölkerung und garantiert keine wirklich differenzierte Schulbildung für die Indigenas. Zudem kommt sie ihrer rechtlichen Verpflichtung, der indigenen Bevölkerung die Teilnahme an der Erarbeitung und Ausführung einer öffentlichen Politik über ihre Interessen zu versichern, nicht nach.“

LATEINAMERIKA

Regierungen halten Verträge mit dem IWF geheim

(Lima, 22. Februar 2006, na).- 37 Prozent der Dokumente,die eine Kreditübereinkunft zwischen lateinamerikanischen Regierungen und dem Internationalen Währungsfond (IWF) präzisieren oder die Wirtschaft der Länder analysieren, werden aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen von der jeweiligen Regierungen geheim gehalten. Dies enthüllt der Bericht „Schlüsseltendenzen in der Anwendung der Politik der Transparenz des Währungsfonds“.

Der IWF strebt jedes Jahr eine Veröffentlichung an. Der Anfang Februar vorgestellte Bericht zeigt, dass zwischen November 2004 und Oktober 2005 15 Dokumente über die wirtschaftliche Situation bestimmter Staaten sowie Details über die von den Regierungen ausgehandelten Bedingungen für günstige IWF-Kredite nicht veröffentlicht wurden. Bei den umstrittenen Verträgen geht es unter anderem um die Realisierung wichtiger wirtschaftlicher Reformen, um Steuerausgleiche und um die Erhöhung der Schuldenbelastung.

Auch wenn der IWF den Inhalt der geheimen Dokumente nicht bekannt gab, veröffentlichte er jedoch die Liste der Staaten, die zwischen dem 1. November 2003 und dem 31. Oktober 2005 die Veröffentlichung ihrer Verträge verboten hatten. Unter ihnen befinden sich Brasilien, Ecuador, Honduras, Panama, Paraguay, Peru und Venezuela. Argentinien dagegen, das in dieser Zeit eine konfliktbelastete Beziehung zum IWF pflegte, hatte sehr wohl die Veröffentlichung aller Dokumente genehmigt.

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