Poonal Nr. 683

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 23. August 2005

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

GUATEAMALA

NICARAGUA

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

KOLUMBIEN

ECUADOR

PERU

ARGENTINIEN

CHILE


MEXIKO

Gewerkschaftsführerin ermordet

(Montevideo, 12. August 2005, comcosur-poonal).- EdithSosa Solar, die ehemalige Anführerin der mexikanischen Arbeiter- und Bauerngewerkschaft UGOCM (Unión General de Obreros y Campesinos de México), wurde am 8. August zusammen mit ihrer Tochter Claudia Edith Ortiz Sosa durch mehrere Schüsse in ihrem Haus in Playa Vicente im Bundesstaat Veracruz ermordet. Edith Sosa war die Sprecherin von 26 indigenen Gemeinden, die die Unabhängigkeit vom Bezirk Santiago Sochiapan fordern. Der Bezirk war erst vor zwei Jahren gegründet worden. Der Gouverneur von Veracruz, Fidel Herrera Betrán, sagte, dass das Attentat nicht die Folge von Landstreitigkeiten war, sondern als Angriff auf eine soziale Aktivistin zu werten sei.

Zapatistische Kritik löst Debatten in der mexikanischen Linken aus

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 18. August 2005, npl).- „Schurken“, „Dreistlinge“ und „Verräter“, nennt er sie, mit denen eine „Rechnung zu begleichen“ sei. Subcomandante Marcos, Sprecher und Galionsfigur der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN), hat in den vergangenen zwei Wochen schweres Geschütz aufgefahren. Doch diesmal schießt er selbst nach Meinung vieler zapatistischer Sympathisanten zumindest teilweise daneben. Denn seine beißende Kritik richtet sich im Wesentlichen nicht gegen die konservative Regierung von Präsident Vicente Fox oder die das Land zuvor jahrzehntelang skrupellos beherrschende Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI). Ziel sind vielmehr die sich selbst als links bezeichnende Partei der Demokratischen Revolution (PRD), deren gesamtes Führungspersonal und vor allem ihr aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López Obrador.

Nicht unbedingt die inhaltliche Kritik stößt auf Widerspruch. Es sind die Tonwahl und der Eindruck, die PRD sei zum Hauptgegner der EZLN geworden. Im Rahmen der im Juli angekündigten „anderen Kampagne“ der Zapatisten, die fernab jeder Parteipolitik beabsichtigen, mit der „wirklichen Linken“ in Mexiko ein breites antikapitalistisches Bündnis einzugehen, war Marcos nach über vier Jahren Abwesenheit am 6. August wieder persönlich in der Öffentlichkeit präsent.

Auf dem ersten von sechs geplanten Treffen mit verschiedenen Sektoren der Zivilgesellschaft wurden die Figur des Exbürgermeisters der Hauptstadt López Obrador und die kritische Position der Zapatisten gegenüber ihm und der PRD unweigerlich zum Thema. Während des Treffens und in den Folgetagen verschärfte der Subcomandante die zuvor schon geäußerten Anklagen gegen die Oppositionspartei. Zusammengefasst sieht er in dem populärsten Politiker des Landes letztlich nur eine „Mogelpackung“ der Rechten. Obradors Stellungnahmen gegen Privatisierungen sind demnach nicht glaubwürdig und sein Eintreten für die indigenen Rechte ein Lippenbekenntnis. Der Kandidat werde sich im Fall eines Wahlsieges 2006 mit den Mächtigen arrangieren, ist Marcos überzeugt. Er verweist darauf, dass sich López Obradors Kampagnenteam aus vielen früheren Mitarbeitern des nach wie vor einflussreichen Expräsidenten Carlos Salinas de Gortari zusammensetzt. Im Diskurs des Präsidentschaftskandidaten ist Salinas einer der Lieblingsfeinde López Obradors.

Dieser und andere PRD-Politiker, wie der dreimalige Präsidentschaftskandidat Cuauhtémoc Cárdenas oder der PRD-Generalsekretär Guadalupe Acosta, lehnen die offene argumentative Auseinandersetzung mit den Zapatisten ab. Sie beschränken sich darauf, die Vorwürfe als überzogen zurückzuweisen. Dies kann nicht nur mit Feigheit erklärt werden. Die PRD-Spitze hat kein Interesse daran, sich in der Konfrontation mit der EZLN abzunutzen. Ihr geht es darum, an den Wahlurnen die klerikal-konservative PAN und die PRI zu besiegen.

Aus dieser Perspektive handelt es sich um eine „Nichtdebatte“. Dagegen ist die Diskussion innerhalb der nicht fest in Parteistrukturen eingebundenen mexikanischen Linken und der PRD-Basis umso intensiver und längst nicht abgeschlossen. Vielfach wird es abgelehnt, in der – kritischen – Unterstützung von López Obrador und der Sympathie für die Zapatisten einen unauflösbaren Widerspruch zu sehen. Kurzfristig erscheint der PRD-Kandidat im Vergleich zu PRI und PAN zumindest als kleineres Übel, manchen ist er sogar nach wie vor ein Hoffnungsträger. Andererseits sind tief greifende gesellschaftliche Veränderungen nicht vom politischen Parteiensystem Mexikos zu erwarten. Das, so der unterschwellige Ton vieler Kommentare, muss aber nicht mehr belehrend von Marcos erklärt werden.

Basisradios fordern Gesetzesreform

(Montevideo, 15. August 2005, recosur).- Diemexikanische Gruppe des Weltverbandes der Basisradios AMARC (Asociación Mundial de Radios Comunitarias) hat von der Regierung eine Gesetzesänderung gefordert, um dem wachsenden Bedürfnis der Bevölkerung nach eigenen Radiostationen nachzukommen. Obwohl das Ministerium für Transport und Kommunikation (SCT) bereits elf Genehmigungen für Basisradios erteilt habe, sei es unerlässlich, dass der Staat eine Politik verfolge, die die Medien in die Hände der Zivilgesellschaft gebe, meint AMARC-Mexiko.

Am 10. August hat das Kommunikationsministerium dem Basisradio Omega Experimental aus Texcoco im Bundesstaat Mexiko die Senderlaubnis erteilt. Omega Experimental richtet sich vor allem an Jugendliche und die ländliche Bevölkerung. Aleida Calleja, die Vertreterin von AMARC-Mexiko sagte, dass die Erteilung von Genehmigungen an Basissender nur eine Zwischenlösung sei. „Es gibt große Gesetzeslücken, die anderen Gemeinden und Bevölkerungsgruppen den Zugriff auf diese Frequenzen zum gemeinnützigen Gebrauch erschweren.“ Calleja kritisierte, dass damit keine „objektiven und transparenten Kriterien“ ge
schaffen würden. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörden würde sich einschränken, „die Behörden sind dem Willen der Politiker ausgesetzt und verletzen somit den Rechtsstaat“.

GUATEMALA

Guatemaltekischer Staat bittet erneut um Vergebung

(Guatemala-Stadt, 17. August 2005, cerigua-poonal).- AlsVertretung des guatemaltekischen Staates wird sich die Regierung Óscar Bergers bei den Familien von zehn Mitgliedern der Studentischen Vereinigung der Universität San Carlos (Asociación de Estudiantes de la Universidad de San Carlos de Guatemala) entschuldigen, die im August und September 1989, während der Amtszeit von Vinicio Cerezo Arévalo, verschwanden. Laut Frank la Rué von der Präsidialen Menschenrechtskommission COPREDEH (Comisionado Presidencial de los Derechos Humanos) wird die Bitte um Verzeihung in den nächsten Wochen ausgesprochen werden. Die Entscheidung, ob die Entschuldigung in privatem oder öffentlichem Rahmen stattfinden wird, steht noch aus.

Innerhalb von weniger als zwei Wochen wurden im August und September 1989 zehn studentische Anführer willkürlich verhaftet. Fünf von ihnen wurden umgebracht, die übrigen verschwanden. Die, die sich retten konnten, mussten ins Exil gehen.

Der Fall der Studenten ist der dritte in diesem Jahr, in dem die Regierung Berger aufgrund von Verbrechen während des Bürgerkrieges um Verzeihung bitten muss. Im vergangenen Juli entschuldigte sich Vizepräsident Eduardo Stein Barillas nach einer Resolution des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte CortIDH (Corte Interamericana de Derechos Humanos) bei den Familien der Opfer des am 18. Juli 1982 in der Gemeinde Plan de Sánchez verübten Massakers. Bei dem Massaker wurden 268 Personen ermordet.

Am vergangenen Donnerstag erkannte la Rué auch die Verantwortung des Staates für die außergerichtliche Hinrichtung von María Mejia an. Mejia war Anführer des Ethnischen Gemeinderats Runujel Junman CERJ (Consejo de Comunidades Étnicas Runujel Junman). Er wurde am 17. März 1990 in Sacapulcas im Department Quiche ermordet.

GUATEAMALA

Proteste gegen Privatisierungen im Gesundheits- und Bildungssektor

(Zacapa, 3. August 2005, cerigua).- VerschiedeneVertreter von Gewerkschaftsgruppen aus dem Osten Guatemalas protestierten gegen ein Gesetz, das es der Regierung ermöglicht, den Gesundheits- und Bildungssektor per Lizenzvergabe zu privatisieren.

Am 2. und 3. August versammelten sich die Gewerkschaftsführer gegenüber einem Hotel in der Ortschaft Rosario im Department Zacapa. An diesem Ort trafen sich zur gleichen Zeit verschiedene Bezirksvertreter des Landes, um die Vergabe von Lizenzen zu diskutieren.

Der Proteststag wurde nach Berichten von Melesio Ramírez, einem der Hauptorganisatoren der Demonstration, von den Gewerkschaften für Öffentliche Gesundheit und Infrastruktur der Bezirke Jalapa, Chiquimula, Izabal und Zacapa angeführt.

Ramírez, Vorsitzender der Gewerkschaft für Öffentliche Gesundheit in Zacapa sagte, das Ziel der Proteste sei es, dass die lokalen Behörden den Bedenken der sozialen Organisationen Gehör schenkten. Viele dieser Organisationen sehen große Risiken angesichts staatlicher Pläne zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Die Annahme des Gesetzes könnte die Möglichkeit eröffnen, dass nationale und transnationale private Firmen durch die Ausführung und Bereitstellung sonst öffentlicher Arbeiten, Dienstleistungen und Güter Profit machen könnten. Damit würde zudem die Privatisierungspolitik vorhergehender Regierungen fortgesetzt.

NICARAGUA

Journalist ermordet

(Fortaleza, 18. August 2005, adital-alc-poonal).- InEstelí wurde am frühen Morgen des 14. August der Journalist und Vorsitzende des Journalistenverbands UPN (Unión de Periodistas de Nicaragua) Adolfo Olivas Olivas ermordet. Vermutlich wurde der Mord von einem Taxifahrer verübt, der floh, nachdem er Olivas zweimal in den Rücken geschossen hatte. Nach Untersuchungen der UPN hatte Olivas zuvor bereits drei Todesdrohungen erhalten. Grund war eine Reportageserie für die Tageszeitung „La Prensa“, für die er als Berichterstatter tätig war. In den Reportagen schrieb Olivas über die Verbindungen von Wirtschaftsbossen aus Estelí zum Drogenhandel. Man geht von einem Zusammenhang zwischen dem Mord und den Drohungen aus.

Zwei Tage vor seiner Ermordung hatte Olivias in seiner Funktion als UPN-Vorsitzender vor der Gefahr gewarnt, in der sich Journalisten in Nicaragua angesichts der wachsenden Zahl von Drohungen derzeit befinden. Adolfo Olivas ist der dritte Journalist, der in den letzen zwei Jahren ermordet wurde. Im Jahr 2004 wurden die Journalisten Carlos Guadamuz und María José Bravo ermordet.

Nach Angaben der UPN wurde der Taxifahrer Santos Roberto Oseguera Palacios verhaftet. Er wird verdächtigt, die Schüsse abgegeben zu haben.

Kampf der ehemaligen Bananenarbeiter geht weiter

(Montevideo, 12. August 2005, comcosur-púlsar).-Am 11. August beendeten 13 ehemalige Bananenarbeiter nach einer Zusammenkunft mit Abgeordneten der Nationalversammlung einen viertägigen Hungerstreik. Mit den Abgeordneten wurden neun Vereinbarungen getroffen. Sie verpflichteten sich, eine Reform des nationalen Etats zu erarbeiten, um dem Gesundheitsministerium Ressourcen für die ärztliche Versorgung der Nemagon-Opfer zu garantieren.

Die in den Sechziger- und Siebzigerjahren von Pestiziden geschädigten ehemaligen Bananenarbeiter besetzten während des Hungerstreiks eine Blutbank. „Entweder regeln sie die Situation, oder sie begraben uns“, meinte ein Besetzer. Die Regierung und die Abgeordneten hätten sich 13 Jahre lang nicht für die Forderungen der 17.500 ehemaligen Bananenarbeiter interessiert, sagte Alí Sánchez, ein Sprecher der Bauern. Diese fordern einen Posten im Haushalt des Landes für den Kauf von Medikamenten, Särge für diejenigen, die durch die Folgen des Pestizids starben sowie eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von 200 Dollar monatlich für die Ältesten und Kränksten.

Bereits mehr als 900 Arbeiter starben an unheilbaren Krankheiten, die durch die Pestizide Nemagon und Fumazone verursacht wurden. Die US-amerikanischen Firmen, die die Pestizide herstellten und auf den Markt brachten, wurden verklagt. Außerdem ist eine Klage gegen die transnationalen US-amerikanischen Unternehmen Standard Fruit Company, Shell Chemical, Chiquita Brand, Down Chemical und Del Monte anhängig. Vor sechs Monaten kamen die Arbeiter nach einem weiten Marsch aus der Provinz Chinandega in Managua an.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Forum kritisiert Rassismus gegenüber Haitianern

(Fortaleza, 18. August 2005, adital-alc-poonal).- Dasdominikanisch-haitianische Forum zur Bewahrung des Friedens und der Freundschaft (Foro por la Preservación de la Paz y la Amistad Dominico-Haitiana) verurteilte die Ausländerfeindlichkeit mancher dominikanischer Medien gegenüber Migranten aus Haiti. Bei der Regierung setzte sich das Forum für eine Amnestie ein. Damit soll die Einbürgerung derjenigen Haitianer, die bereits länger als fünf Jahre in der Dominikanischen Republik leben, erreicht werden. Nach einer Erklärung der Gruppe vermieten einige lokale Medien ihre Frequenzen an Dritte. Diese würden Stand
punkte vertreten, „die massiv gegen die Sprachregelungen verstoßen und als ausländerfeindlich einzustufen sind“. Neutral berichtende Medien und Journalisten seien „eher rar“ gesät.

Bereits im Juli wurde zu diesem Thema ein Treffen einberufen, initiiert vom Dominikanisch-Haitianischen Dialog, einer Organisation der evangelischen Kirche. Es nahmen 75 Organisationen der evangelischen und katholischen Kirche sowie aus der Zivilgesellschaft beider Länder teil. Unterstützt wurde das Zusammentreffen vom Dominikanischen Zentrum für Beratung und Forschung CEDAIL (Centro Dominicano de Asesoría e Investigaciones Legales), dem dominikanisch-haitianischen Kulturinstitut „Casa del Caribe“ sowie der Stiftung „Zile“.

In einem nach dem Treffen veröffentlichten Dokument wird eine finanzielle Entschädigung für Haitianer und Dominikaner vorgeschlagen, die enteignet oder nach Haiti ausgewiesen wurden. Zudem wurde gefordert, die Morde der dominikanischen Geschäftsfrau Maritza Núñez, des haitianischen Pfarrers Belizaire Calixtre sowie von Calinexte Pierre aufzuklären. Die Morde fanden im Mai und Juni dieses Jahres statt.

Der Mord an der 31jährigen Maritza Núnez in Hatillo Palma am 9. Mai habe eine massive Vertreibungspolitik von Haitianer mit „tätlichen Übergriffen“ von Seiten der dominikanischen Behörden nach sich gezogen. Die Ausweisungen hätten unter dem Vorwand stattgefunden, die haitianischen Migranten vor der dominikanischen Bevölkerung zu schützen. Die dominikanische Polizei beschuldigte drei Haitianer, diese Morde verübt zu haben und verhaftete sie. Nach Angaben des Forums gibt es jedoch Stimmen, nach denen die Täter Dominikaner sind. Einen Monat später, am 7. Juni, wurden im gleichen Ort, in dem ungefähr 15.000 Dominikaner und 2.500 Haitianer leben, zwei Haitianer ermordet.

In der Erklärung wird bekräftigt, dass es in der Dominikanischen Republik eine anti-haitianische Kampagne gebe, die von den Haitianern mit einem Boykott dominikanischer Produkte beantwortet werde. Scharf kritisiert wird auch die Verfolgung von Haitianern und Dominikanern haitianischer Herkunft in verschiedenen Regionen des Landes. Man geht davon aus, dass in der Dominikanischen Republik zwischen 400.000 und 800.000 Haitianer leben, die sich dort bessere Lebensbedingungen erhoffen. Nur 5.000 dieser Migranten halten sich legal im Land auf. Die Migration aus Haiti in den Nachbarstaat begann schon vor 50 Jahren. Sie stieg jedoch in den letzten 20 Jahren aufgrund der politischen instabilen Situation in Haiti rasant an.

KOLUMBIEN

Paramilitärs entführten 509 Menschen in acht Jahren

(Fortaleza, 17. August 2005, adital).- Im Laufe von achtJahren entführten die paramilitärischen Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) 509 Personen. Mit dieser Bilanz trat die kolumbianische Stiftung Neue Hoffnung (Fundación Nueva Esperanza) kürzlich vor die Presse. Die Nichtregierungsorganisation vertritt Familien, die von Aktionen der AUC betroffen sind.

In mehr als 30 Prozent der Fälle gibt es keinerlei Nachricht von den Entführten. Deshalb forderte der Direktor der Stiftung Gustavo Adolfo Muñoz, dass man verstärkt die Familienmitglieder als Zeugen in Verfahren gegen die Paramilitärs vernehmen solle. Die am meisten betroffenen Provinzen des Landes sind Casanare, Antioquia, Magdalena, Bolívar und Cesar.

Die Stiftung hat mehr als 100 Fälle dokumentiert, in denen es kein Lebenszeichen der Entführten gibt. Muñoz forderte, die Datensammlung noch deutlich zu erweitern. Es gebe noch viele weitere Fälle. „Wenn der Entführte tot ist, möge man den Fundort der Leiche melden, damit diese der Familie übergeben werden kann, damit dann eine würdige Beerdigung möglich ist“, sagte Muñoz.

Die Stiftung hofft, noch mehr als 2.000 Aussagen von Entführungen zusammentragen zu können, bevor die von der Regierung eingesetzten Tribunale für Gerechtigkeit und Frieden ihre Arbeit aufnehmen. Die Tribunale sind Teil der von der Regierung vorangetriebenen Demobilisierung der Paramilitärs. Das Projekt wird kritisiert, weil die Angeklagten straflos davonkämen.

Menschenrechtsverletzungen in Hochsicherheitsgefängnissen

(Fortaleza, 17. August 2005, adital-poonal).- DieStiftung “Solidaritätskomitee für die politischen Gefangenen“ (Comité de Solidariedad con los Presos Políticos) veröffentlichte ein Schreiben, in dem die unwürdige Situation, das Vergessen, die Isolation und die Misshandlung von Inhaftierten in Kolumbien kritisiert wird. Die Stiftung erhielt dementsprechende Anzeigen von Gefangenen des Hochsicherheitsgefängnisses San Isidoro.

Die Häftlinge beklagen, dass sie Opfer der systematischen Menschenrechtsverletzung durch die Haftanstalt INPEC seien. Die Menschenrechtsverletzungen reichten von physischer und psychischer Misshandlung bis hin zur Aberkennung der grundlegendsten Rechte wie angemessener Ernährung, medizinischer sowie zahntechnischer Versorgung oder nächtlichem Zugang zu Wasser. Die Überfüllung der Zellen, fehlende juristische Betreuung und die schlechte Behandlung ihrer Besucher stünden auf der Tagesordnung.

In Kolumbien gibt es noch andere Hochsicherheitsgefängnisse: Combita Boyacá, Palo Gordo Girón Santander, Doña Juana la Dorada und Valledupar. Laut Angaben der Stiftung gibt es in allen diesen Einrichtungen Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Der Kontakt zu Familienangehörigen sei sehr eingeschränkt. Lediglich einmal in 25 Tagen könnten zwei Familienangehörige für maximal vier Stunden zu Besuch kommen. Zudem gäbe es nicht genügend medizinisches Personal und Hilfskräfte, um die große Anzahl von Häftlingen zu versorgen. Wenn ein spezielles Medikament benötigt werde, so sei es im Gefängnis nicht vorhanden und es werde nicht erlaubt, dass es von außen geliefert werde. Die Gefangenen sagen, dass das Recht auf Arbeit oder Studium im Gefängnis zur Verkürzung der Straflänge, wie vom Staat festgelegt, in den Hochsicherheitsgefängnissen nur sehr begrenzt möglich und häufig sogar unmöglich sei.

ECUADOR

Präsident erklärt Ausnahmezustand auf Grund der Ölquellenblockade

(Buenos Aires, 18. August 2005, púlsar).- Vor demHintergrund der Blockade von Ölquellen in den Provinzen Sucumbíos und Orellana hat der ecuadorianische Präsident Alfredo Palacio den Ausnahmezustand verkündet. Palacios begründete die Entscheidung mit angeblichen „Anweisungen zum Vandalismus seitens an der Chaosverursachung interessierten Gruppen“. Die Bewohner*innen des Gebietes im Amazonas blockieren seit dem 14. August Ölförderbrunnen. Sie fordern eine Entschädigung durch die vor Ort tätigen ausländischen Ölfirmen in Form von Investition in Gesundheit und Bildung. Die Streikenden fordern von den Ölfirmen außerdem, für die anstehende Arbeiten in der Region lokales Personal und Fahrzeuge unter Vertrag zu nehmen. In besagtem Gebiet operieren das US-amerikanische Unternehmen Oxi, Encarna aus Kanada und Petrobras.

Laut der Ökumenischen Menschenrechtskommission wurden am 16. August Soldaten gegen die blockierenden Bewohner*innen von Sucumbíos und Orellana eingesetzt. Mehr als 100 Personen seien festgenommen und neun weitere verletzt worden. Außerdem erklärte die Organisation, dass ein
e unbestimmte Anzahl von Bürgern, darunter auch Kinder, nach dem Einsatz von Tränengasbomben unter Erstickungsanfällen gelitten hätten.

Ungefähr weitere 40 Personen wurden festgenommen, als sie versucht hatten, die Tankstelle von Petroecuador in Sucumbíos zu besetzen. Dabei wurden die Demonstranten geschlagen. Laut der lokalen Presse wurden auch in der Provinz Orellana sechs Personen durch Schüsse verletzt. Drei weitere Demonstranten wurden nach einem Tränengaseinsatz ins Krankenhaus eingeliefert.

Am 17. August erließ Alfredo Palacio den Ausnahmezustand und erklärte die Ölprovinzen im Nordosten des Landes zu Sicherheitszonen. Das Dekret über den Ausnahmezustand verfügt unter anderem die „Schließung aller gemeinnütziger Kommunikationsmedien innerhalb der Sicherheitszone“. Weiterhin sieht es den „Einsatz der öffentlichen Einsatzkräfte (..) mit dem Ziel vor, die Anlagen und Ölquellen sowie Flughäfen, Straßen und Brücken zu sichern“.

Nach Angaben des staatlichen Ölunternehmens Petroecuador haben die Proteste zu einem Rückgang der Ölförderung um 327.000 Barrel und Verlusten von 16,3 Millionen US-Dollar geführt.

PERU

Streit über Legalisierung von Kokaanbau

Von Cecilia Remón

(Lima, 10. August 2005, na-poonal).- Die von Juan Luis Hurtado selbst gebackenen Kokakekse sind „hausgemacht, aus Vollkornmehl und frei von Konservierungsstoffen“. Ein Päckchen mit fünf kokablattförmigen Keksen – 60 Gramm – kostet 60 US-Cents.

Allerdings ist Hurtados Produktion über sein Kleinunternehmen „La Coca Loca Company“ informell tätig. Außerdem ist er eingeschränkt, da sein Betrieb von Kokamehlverkauf des Nationalen Kokaunternehmens ENACO (Empresa Nacional de la Coca) abhängig ist. ENACO hat das Monopol für die Vermarktung und Industrialisierung der Kokablätter im Land. Hurtado erklärt, das Problem sei, dass das Mehl sehr schwierig zu bekommen sei.

Hurtado erzählt, dass es im Cusco Gemeinden gäbe, die Mühlen zur Herstellung von Kokamehl besäßen. Aber die Formalitäten, um ein Unternehmen zu gründen, seien zu teuer und zeitaufwändig. „Ein in Handarbeit hergestelltes Kilo Kokamehl würde mindestens 15 US-Dollar kosten“ versicherte er. „Bei so einem Preis kann man kein Geschäft aufbauen“.

„Kannst du dir vorstellen wie es wäre, wenn eine legale Mühle die Kokablätter direkt von den Produzenten kaufen könnte, das Kokamehl herstellen würde und es danach direkt auf die Märkte und in die Läden des ganzen Landes brächte?,“ fragt Hurtado. Die Antwort ist klar: Damit würden Produzenten, Unternehmer und Verbraucher gewinnen. Und man würde verhindern, dass viel Koka in den Drogenhandel gelangt. Es wäre auch möglich angereicherte Nahrungsmittel herzustellen, wie Kokabrot, energetische Getränke, Kekse und Kuchen. Aber die Regierung lehnt die Idee strikt ab. Kokablätter sollen vernichtet werden und weder für traditionelle Anwendungen noch für die sinnvolle Industrialisierung genutzt werden.

Laut einer Umfrage über den traditionellen Verbrauch des Kokablattes, die letztes Jahr von dem Nationalen Institut für Statistiken und Informatik INEI (Instituto Nacional de Estadísticas e Informática) veröffentlicht wurde, konsumieren vier Millionen von den insgesamt 28 Millionen Peruanern das Kokablatt zum Kauen oder für rituelle Zeremonien. 10.000 Tonnen werden jährlich für den traditionellen Verbrauch und die sinnvolle Industrialisierung verwendet. Das entspricht fast 17 Prozent der gesamten Kokaproduktion des Landes, die auf 60.000 Tonnen geschätzt wird.

Die regionale Regierung von Cusco im Süden des Landes erließ am 21. Juni eine Verordnung, um die traditionellen Nutzungen des Kokablattes zu retten. Damit wurde der legale Charakter der Kokapflanze festgeschrieben und ihr Anbau in den Tälern von Convención, Yanatile und Qosñipata genehmigt. Der Erlass erkennt die Kokablattproduktion in diesen Regionen „zum Kauen sowie zu medizinischen, zeremoniellen, religiösen und kulturellen Zwecken an.“ Zulässig ist auch, die Blätter über ENACO für erlaubte Kommerzialisierung zu vertreiben.

Die nationale Regierung reagierte überzogen auf die Verordnung. Der Präsident der Nationalen Kommission für Entwicklung und ein Leben ohne Drogen DEVIDA (Comisión Nacional para el Desarrollo y la Vida sin Drogas), Nils Ericsson, erklärte dass diese Maßnahme Peru in einen Drogenstaat verwandeln würde. DEVIDA ist die staatliche Organisation zum Kampf gegen die Drogen.

Die Verordnung aus dem Cusco folgt den Entscheidungen der regionalen Regierungen aus Ayacucho im Jahr 2003 und Huanco im letzten Jahr. Huanuco ergänzte am 19. Juli einen Paragraph in den Gesetzestext, in dem erläutert wird, dass der Kokaanbau für medizinische, zeremonielle und industrielle Zwecke sowie zum Kauen und zur freien gesetzmäßigen Vermarktung in ihrer Region legal sei.

Der Psychologe Baldomero Cáceres, Verteidiger des traditionellen Gebrauchs des Kokablattes, erklärte, dass die Verordnung eine Forderung der Kokabauern aus dem Cusco übernehme, ihre Region als traditionelle Anbauzone anzuerkennen. „Wir haben eine natürliche Ressource, die nichts mit dem Weltmarkt zu tun hat, weil sie durch die Wiener Betäubungsmittelkonvention aus dem Jahr 1961 verboten wurde. Auch die Panamerikanischen Gesundheitsorganisation sieht im Kokakauen in den Anden eine Rauschgiftsucht. Erlaubt ist Koka nur in Bolivien und Peru, meint Cáceres.

Die nationale Regierung reichte am 25. Juli Klage gegen die Verordnung von Cusco wegen Verfassungswidrigkeit vor dem Verfassungsgericht ein. „Das Gesetz erlaubt den unkontrollierten Anbau und verstößt gegen internationale Abkommen und Vereinbarungen,“ sagte Ericsson. Der Rechtsanwalt Ricardo Soberón hält dagegen, dass die Verordnung vollkommen verfassungsmäßig sei, da die Bestimmung sich auf die Region Cusco beschränke. Somit schwäche sie weder die Drogenpolitik des peruanischen Staates noch stelle sie diese in Frage.

Bei ENACO wird versichert, dass Südafrika eine wichtige Bestellung von Kokainfusionen getätigt habe, da die Gesetze dort den Kauf von industriellen Derivaten dieser Pflanze nicht verbieten. Auch Brasilien, El Salvador, Frankreich, Guatemala, Polen, Spanien, die Ukraine und sogar die Vereinigten Staaten hätten Interesse am Kauf von aus Koka hergestellten Produkten gezeigt.

ARGENTINIEN

Demonstration von Arbeitslosen in Buenos Aires

(Fortaleza, 21. August 2005, adital-poonal).- Am 15.August schlugen arbeitslose Piqueteros auf der Plaza de Mayo ihr Lager auf, um für eine Erhöhung der Sozialpläne zu demonstrieren. Etwa 15.000 Personen aus verschiedenen sozialen Organisationen waren von der Plaza de los dos Congresos in Richtung Plaza de Mayo gezogen. Dort bauten sie Zelte auf und verbrachten bis zum 20. August auch die Nächte auf dem Platz.

Die Aktion war Teil eines Kampfplanes, der bereits mit Protesten im April begonnen hatte. Die Demonstrationen spitzten sich jedoch in den vergangenen Wochen zu. So wurden am 18. Juli die Häfen in Buenos Aires blockiert und am 2. und 10. August die Zugangstrassen zur Bundeshauptstadt abgesperrt. Di
e Hauptforderung der Piqueteros ist die Erhöhung der Sozialhilfe auf 350 Pesos (ca. 100 Euro). Zudem wird der allgemeine Zugang zu den Sozialplänen und die Freilassung der politischen Gefangenen gefordert.

Der Aktionsplan ist das Ergebnis der Zusammenarbeit beinahe aller Arbeitslosenorganisationen des Landes. Vor Beginn der Proteste hatte der Innenminister Aníbal Fernández die Erhöhung der Sozialleistungen abgelehnt. Obwohl er gegenüber der Presse gesagt hatte, dass “das Problem nur durch Gespräche gelöst werden kann”, hat er bislang den Dialog mit den Demonstranten nicht aufgenommen. Mit Hinblick auf einen friedlichen Ausgang des Konfliktes bekräftigte er: „Wir werden vorgehen, ohne Blut, Verletzte und Tote zu verursachen“.

CHILE

Wehrdienstverweigerung in neuem Gesetz nicht berücksichtigt

(Fortaleza, 17. August 2005, adital-poonal).- DieMöglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern, ist im neuen Wehrdienstpflichtgesetz, das am 12. August veröffentlicht wurde, nicht berücksichtigt worden. Das chilenische Netzwerk der Wehrdienstverweiger bewertet zwar positiv, dass im neuen Gesetz ihre Ansichten bezüglich der Garantie des Schutzes der Rechte der einberufenen Soldaten teilweise eingebracht wurden. Allerdings kritisiert das Netzwerk, dass es in keiner Weise die Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung miteinschließt. “Unserer Meinung nach heiligt das neue Gesetz eine Situation, die internationalen Rechtstandards und den auch von Chile seit 1987 unterschriebenen UNO-Resolutionen zuwider läuft. Mit dieser wiederholten Absage an die Anerkennung des Rechts auf Wehrdienstverweigerung verharrt der chilenische Staat in einem schweren Missverhältnis zur Demokratie.”

Chile bleibe seit dem Jahr 2000, als die Interamerikanischen Menschenrechtskomission der Organisation Amerikanischer Staaten OAS ( Organización de Estados Americanos) den Staat wiederholt ermahnt hatte, die Antwort schuldig. Drei chilenische Wehrdienstverweigerer hatten 1998 bei der Kommission Beschwerde eingelegt, nachdem sich alle rechtlichen Instanzen für sie erschöpft hatten.

Umstrittene Papierfabrik will Betrieb fortsetzen

(Buenos Aires, 16. August 2005, púlsar).- In denkommenden zwei Wochen wird die Papierfabrik CELCO (Celulosa Arauco y Constitución) ihren Betrieb wieder aufnehmen. CELCO wird für den Tod hunderter Schwäne im Süden Chiles verantwortlich gemacht. Anwohner, indigene Bevölkerung und Fischer werfen der Regierung vor, die Firma zu begünstigen und wehren sich gegen ihre Wiedereröffnung. CELCO kündigte an, die Anlagen Ende August wieder in Betrieb zu nehmen. Die Fabrik befindet sich in der Nähe der Naturschutzzone des Flusses Río Cruces, dem Santuario de la Naturaleza Carlos Anwandter.

Der Betrieb der Anlage wurde im Juni freiwillig eingestellt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die wissenschaftlichen Berichte, auf die sich der Oberste Gerichtshof zur Entlastung der Firma gestützt hatte, manipuliert waren. Zwar hat der Oberste Gerichtshof die Manipulationen anerkannt, sein Urteil jedoch nie widerrufen. Laut dem Sprecher der Aktion zur Rettung der Schwäne José Araya begünstigt die Regierung von Ricardo Lagos maßgeblich die Firmeninhaber durch Verwaltungsverordnungen, die den geltenden Umweltschutzbestimmungen widersprechen. Araya meint, die Anlage „sollte die auf jeden Fall Gegenstand einer weiteren Umweltbelastungsstudie werden“.

Das Naturschutzgebiet des Río Cruces beherbergte 6.000 Schwarzhalsschwäne. Dies entsprach der größten Dichte dieser seltenen Gattung in Lateinamerika. Verblieben sind heute noch circa 300 Exemplare. Allein seit Oktober 2004 starben 500 Schwäne, andere flüchteten aufgrund der Umweltveränderungen, die durch giftige Abfälle hervorgerufen wurden.

Verfassungsreform: Wolf im Schafspelz?

Von Dana Cufré

(Berlin, 22. August 2005, npl).- „Selbst wenn sich der Wolf einen Schafspelz anzieht, bleibt er doch ein Wolf. Obwohl der Name Pinochet nicht mehr auftaucht, leben wir weiterhin unter einer autoritären und elitären Verfassung, die Grundlage für unser Gesellschaftssystem des sozialen Ausschlusses ist.“ Der Kongressabgeordnete und Chef der Humanistischen Partei Efrén Osorio fand bereits am Dienstag vergangener Woche deutliche Worte für die vom chilenischen Kongress verabschiedete Verfassungsreform. Auch in den folgenden Tagen riss die Kritik Osorios und anderer linker Politiker an den Vorgängen nicht ab.

„Wir wollten eine vollkommen neue Verfassung“, fasste die Menschenrechtsanwältin Julia Urquieta die Stimmen der Kritiker zusammen. Insbesondere das seit dem Übergang zur Demokratie 1990 eingeführte binominale Wahlsystem, das trotz der Reform beibehalten werde, sei zutiefst undemokratisch und müsse deshalb abgeschafft werden. In dieser Art des Wahlsystems, wie es außer in Chile beispielsweise auch in Indonesien herrscht, entscheiden nicht die von den Kandidaten einzelner Parteien erzielten Stimmenanteile, sondern die Gesamtstimmenanzahl einer jeden Partei- bzw. Bündnisliste über die Verteilung der Abgeordneten in Senat und Kongress. Folge ist, dass in der Regel die jeweils Stimmersten der beiden stärksten Blöcke gewählt werden. Kleinere Parteien und unabhängige Kandidaten außerhalb des Rechtsblocks „Allianz für Chile“ und der regierenden Mitte-Links-Koalition „Bündnis für die Demokratie“ haben somit praktisch kaum Chancen, in Kongress oder Senat vertreten zu sein. „Wir haben es deshalb mit einer kosmetischen Korrektur und mit keiner wirklichen Reform zu tun,“ schlussfolgerte Osorio.

Völlig anders beurteilte dagegen Präsident Ricardo Lagos, die am 16. August insgesamt 58 verabschiedeten Neuerungen, denen mit wenigen Ausnahmen alle Kongressabgeordneten zustimmten: „Der Übergang zur Demokratie ist nach 15 Jahren vollendet“, verkündigte er im Anschluss an die Sitzung feierlich. Abgeschafft wurden insbesondere solche Punkte, in denen der ehemalige Diktator Augusto Pinochet sich selbst und dem chilenischen Militär auch nach Ende seiner 17jährigen Herrschaft 1990 politische Entscheidungsbefugnisse garantierte. Das Militär verliert die acht lebenslänglichen Sitze im Senat, dem insgesamt 38 Abgeordnete angehören. Staatschefs werden nach Ende ihrer Amtszeit nicht mehr Mitglied des Senats auf Lebenszeit. Der Präsident, dessen Amtszeit von sechs auf vier Jahre verkürzt wird, erhält außerdem wieder das Recht, die Oberbefehlshaber der Streitkräfte und der Polizei abzusetzen.

Während der Verabschiedung der Reform waren 50 Mitglieder des linken Bündnis „Juntos Podemos“ („Gemeinsam schaffen wir`s“) und der Kommunistischen Partei, die auf den Rängen des Kongresses dagegen protestierten, von Sicherheitskräften festgenommen und aus dem Gebäude entfernt worden. „Während die politische Klasse ihre Feierlichkeiten abhielt, hielten wir Schilder in die Höhe, auf denen wir diese Reform als völlig unzureichend ablehnten. Die Folge war, dass uns etwa 100 Polizisten gewaltsam herauszogen. Einige Frauen haben dabei Quetschungen erlitten,“ so Osorio über die Vorgänge.

Offen bleibt, ob die Forderungen der Kritiker nach den Präsidentschaftswahlen im Dezember Gehör finden. Die Favoritin in der Nachfolge von Lagos, die Sozialistin Michelle Bachelet, trat gegenüber der Presse bereits für eine baldige Reform des Wahlsystems ein.

Die reformierte Verfassung soll am 17. September in einer großen Feierstunde von Präsident Lagos unterzeichnet werden. Ziemlich genau 25 Jahre, nachdem der ehemalige Diktator Pinochet die von ihm erlassene Verfassung, die bis zu der jetzigen Reform gültig war, in einer umstrittenen Volksabstimmung absegnen ließ.

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de/

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