Poonal Nr. 362

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 362 vom 20. November 1998

Inhalt


CHILE

ARGENTINIEN

HAITI/KUBA

MEXIKO

GUATEMALA

KOLUMBIEN

URUGUAY

LATEINAMERIKA

NICARAGUA

ECUADOR


CHILE

Druck der Militärs spaltet Regierungskoalition –

Zögerliche Justiz bringt britischen Innenminister in Zugzwang

Von Leonel Yanez und Stefanie Kron

(Santiago de Chile, 13. November 1998, npl).- Der „Nationale Sicherheitsrat“ Chiles verurteilte die Verhaftung des Ex-Diktators Augusto Pinochet, nachdem drei der höchsten chilenischen Generäle sich „besorgt“ über die Festnahme ihres ehemaligen Oberbefehlshabers Mitte Oktober in London geäußert hatten. Das britische Oberhaus hatte am vergangenen Donnerstag die Anhörungen zum Fall Pinochet abgeschlossen, die Urteilsverkündung über eine eventuelle Auslieferung des Ex-Diktators jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben.

Während die chilenische Regierung gegenüber der Presse die Stimmung im Land weiterhin als „ruhig“ bezeichnet, fand sich in Santiago am vergangenen Mittwoch der „Nationale Sicherheitsrat“ zusammen, um über die angespannte politische Situation im Land in Folge der Verhaftung Pinochets zu beraten. Das nichtgewählte Gremium – ein Erbe der Militärdiktatur unter Pinochet (1973-1990) – wird von den höchsten Repräsentanten aus Regierung, Armee, Justiz und Polizei gebildet und nur in Ausnahmesituationen vom Staatspräsidenten einberufen. Zuvor hatten die Oberbefehlshaber des chilenischen Militärs die Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt, was in Chile als gefährliches politisches Signal gilt. Obwohl Demonstrationen generell verboten wurden, belagern Pinochet-Anhänger weiterhin die spanische Botschaft.

Dem chilenischen Regierungsbündnis gelang es bisher nicht, sich auf eine einheitliche Position im Fall Pinochet zu einigen. Differenzen traten sogar innerhalb des sozialistischen Koalitionspartners PPD auf. Die stellt mit Jose Miguel Insulza den Außenminister in der Regierung. Da Insulza die Immunität Pinochets verteidigt, forderte ihn der Parteivorstand zum Rücktritt auf. Der Minister hatte gegenüber der größten chilenischen Tageszeitung „El Mercurio“ geäußert, er könne sich nicht für eine Auslieferung Pinochets an Spanien aussprechen, da dieser laut chilenischer Verfassung Senator auf Lebenszeit sei. Wenn Pinochet verurteilt würde, so Insulza, müsse dies in Chile geschehen, da es trotz Globalisierung noch immer souveräne Staaten gebe.

Mittlerweile liegen in Chile zwölf Anzeigen wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Pinochet vor. Zuletzt hatte der chilenische Journalistenverband den Ex-Diktator wegen Festnahme, Entführung und Verschwindenlassens von zwanzig Kollegen angezeigt. Auch in Europa gerät der General immer weiter unter Druck. Kurz nachdem Spanien am vergangenen Mittwoch den britischen Behörden einen Auslieferungsantrag überstellt hatte, beantragten jetzt auch die Schweiz und Frankreich Pinochets Auslieferung. Die Staatsanwaltschaft in Rom leitete gleichfalls am Mittwoch ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Staatschef ein, auch in Deutschland wurden mehrere Klagen eingereicht. In allen Fällen geht es um Freiheitsberaubung, Folter und Mord an Staatsangehörigen der betreffenden Länder unter Pinochet.

Inzwischen wurden auf dem Friedhof der chilenischen Stadt La Serena die sterblichen Überreste weiterer Opfer der Militärdiktatur exhumiert. Es handelt sich um die Gebeine von zwölf Mitgliedern der Sozialistischen Partei, die in den 70er Jahren verschwanden und vermutlich von den berüchtigten Todeskarawanen ermordet wurden. Die Aktivitäten solcher paramilitärischen Gruppen, die offenbar länderübergreifend auch in anderen südamerikanischen Staaten aktiv waren, sind auch Gegenstand der in London verhandelten Anklagen gegen Pinochet.

Daß sich die Lords des britischen Oberhauses mit einer Urteilsfindung viel Zeit lassen, sehen die Gegner Pinochets mit wachsender Sorge. Denn die letztendliche Entscheidung über das Schicksal des umstrittensten Chilenen liegt beim britischen Innenminister Jack Straw. Sollte sich der Gesundheitszustand Pinochets in den nächsten Tagen weiter verschlechtern, ohne daß die britische Justiz zu einer Entscheidung kommt, könnte dies nach Expertenmeinung den Druck auf Straw erhöhen, den Ex-Diktator aus humanitären Gründen auf freien Fuß zu setzen.

ARGENTINIEN

Sabato hat kein Erbarmen mit Pinochet

(Buenos Aires, 13. November 1998, comcosur-Poonal).- Der angesehenste lebende argentinische Schriftsteller, Ernesto Sabato, bezeichnete Chiles Ex-Diktator Pinochet als ein „Monster“, das „in einen Käfig mit stinkenden und verwesenden Tieren“ gesperrt werden müsse. Er bezeichnete Pinochet als „geistigen und politischen Müll“. Sabato erklärte ebenfalls, das fortgeschrittene Alter des Militärs dürfe kein Mitleid erwecken, sondern dieser müsse für alle begangenen Verbrechen zahlen.

HAITI/KUBA

Haiti weitet medizinische Zusammenarbeit mit Kuba aus –

USA schweigen zur Annäherung der beiden Karibikstaaten

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 18. November 1998, haiti info-Poonal).- Dreihundert kubanische Ärzt*innen werden in Haiti erwartet. Sie sollen Entwicklungshilfe im medizinischen Bereich leisten. Umgekehrt werden hundert haitianische Medizinstudent*innen als Praktikant*innen nach Kuba reisen. Dies ist eine der Vereinbarungen, die zwischen den Staatschefs der beiden Länder während des Besuchs von René Préval in Havana unterschrieben wurde. Außerdem wird u.a. in den Bereichen Bildung, Landwirtschaft, Tourismus und Sport ein Austausch zwischen beiden Ländern stattfinden. Mit der haitianischen Delegation flogen bereits fünf kubanische Gesundheitsexpert*innen zurück. Sie werden eine Bestandsaufnahme der Epidemieforschung, der Krankenhausverwaltung, der Notversorgung und Pflege in Haiti machen.

Der konservative Politiker Leslie Manigat bezeichnete den Besuch von René Préval auf Kuba in Anspielung auf dessen linke Vergangenheit als „Nostalgiereise“, bewertete die Ergebnisse der Reise aber als positiv. Die USA äußerten sich offiziell nicht zu dem Kuba-Aufenthalt der haitianischen Delegation. Haiti hatte im Februar 1996 nach 36jähriger Unterbrechung die diplomatischen Beziehungen zu Kuba wieder aufgenommen. Dies wurde damals von der Clinton-Administration kritisiert. René Préval hat seinen Besuch als ein Zeichen für die „Freundschaft zwischen haitianischem und kubanischem Volk“ gewertet. Die jeweilige Geschichte zeige das gleiche Streben nach Freiheit. Er bedankte sich mit diesen Worten für die Verleihung des José Marti-Ordens von kubanischer Seite. Fidel Castro bekam im Gegenzug den haitianischen Verdienstorden. Er schilderte in einer 50-minutigen Rede die Auswirkungen von Kolonialismus und Neokolonialismus auf Haiti und seine Bevölkerung. Seiner Meinung nach befindet sich das heutige Haiti, mit dem Eingreifen der UN-Truppen im Jahre 1995, wieder unter Fremdherrschaft.

MEXIKO

Treffen der Zapatisten mit Parlamentsabgeordneten und

„Zivilgesellschaft“

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 18. November, Poonal).- Am kommenden Wochenende (20. bis 22. November) sprechen hochrangige Vertreter der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) in der Stadt San Cristobal im mexikanischen Bundesstaat Chiapas mit Mitgliedern der parteiübergreifenden Parlamentskommission Cocopa. Es ist der erste direkte Kontakt zwischen den Aufständischen und den Abgeordneten, seit Parlament und damit ebenfalls die Kommission im Juli vergangenen Jahres neu zusammengesetzt wurden. Mit der alten Cocopa hatten die Zapatisten ein letztes Mal im Januar 1997 im Lacandonen-Urwald gesprochen.

Der ursprünglich für den Anfang dieses Monats vorgesehene Termin fiel aus, da die EZLN die Sicherheit ihrer Mitglieder nicht gewährleistet sah. Diesmal hat die mexikanische Regierung zugesagt, einen reibungslosen Ablauf der Gespräche und „Entgegenkommen soweit notwendig“ zu garantieren. Das Innenministerium ging auch auf das Gesuch der Zapatisten ein, das Internationale Rote Kreuz den Transport der EZLN-Mitglieder von drei verschiedenen Punkten aus nach San Cristobal übernehmen zu lassen. Kritik gab es an der Regierung, weil sie ihre Zusage erst Mitte dieser Woche bekanntgab und unvermindert Militärkontrollen im Konfliktgebiet durchführt.

Die Abgeordneten der Cocopa wollen vor allen Dingen drei Punkte mit den Zapatisten besprechen: den aktuellen Zustand des Friedensprozesses, Lösungsvorschläge und den Spielraum, den die EZLN der Kommission dabei zugesteht. Im gleichen Zeitraum wird es in der chiapanekischen Stadt ebenfalls zu einem Meinungsaustausch zwischen zivilen Organisationen und den Zapatisten kommen. Dabei soll es um die Vorbereitungen für eine landesweite Befragung über den von der Cocopa im vergangenen Jahr vorgelegten Entwurf zur Indigena-Gesetzgebung gehen. Die Regierung von Mexikos Präsident Zedillo lehnt diesen Entwurf bisher ab, die EZLN hat ihm zugestimmt.

San Cristobals Bischof Samuel Ruiz Garcia, der trotz der Selbstauflösung der Nationalen Vermittlungskommission unter seinem Vorsitz immer noch eine wichtige Rolle bei potentiellen Friedenslösungen spielt, bezeichnet die bevorstehenden Treffen als „Schritt und Hoffnung für den Frieden“. Auch die Zapatisten erwarten offenbar einiges von den Gesprächen am Wochenende. Nicht umsonst wird sich der EZLN-Sprecher und Stratege Subcomandante Marcos – dessen Präsenz in San Cristobal eine Überraschung wäre – am Montag dieser Woche nach langer Zeit wieder den Fragen einer Journalistin gestellt haben.

Gegenüber der Tageszeitung „La Jornada“ gestand Marcos „voreilige Urteile“ über gesellschaftliche Entwicklungen ein. Das lange Schweigen der Zapatisten begründete er mit einer notwendigen Selbstreflexion, die die Aufstandsbewegung gestärkt habe. Die Hauptwaffe der EZLN bleibe das Wort. Der Zapatistensprecher wiederholte die in früheren Kommuniques geäußerte Position, keine Vermittlung für Diskussionen mit der Regierung suchen zu wollen. Diese habe kein Interesse an Demokratie und wolle ihr neoliberales Wirtschaftsmodell um jeden Preis durchsetzen. Spielraum für den Dialog in Mexiko werde „weder von der Regierung noch mit ihr“ kommen. Die Zapatisten befürchten immer noch einen gezielten schnellen Vernichtungsschlag gegen ihre Führung.

Obwohl von dem Treffen in San Cristobal neue Impulse augehen können, ist unwahrscheinlich, daß für den am 31. Dezember fünf Jahre währenden Konflikt eine schnelle Lösung gefunden wird. Mehrere Indizien stellen zudem den Friedenswillen der Regierung zumindest in Zweifel. Die angekündigte Entwaffnung paramilitärischer Gruppen in Chiapas ist so gut wie vollständig ausgeblieben. Stattdessen weisen Berichte darauf hin, daß diese Gruppen sich mit der Duldung der Behörden konsolidieren und die zivile Anhängerschaft der EZLN weiterhin einschüchtern. Gesten wie kleinere Teilabzüge von stationierten Truppen bleiben aus, obwohl sich dies die mexikanische Regierung aufgrund ihrer eindeutigen militärischen Überlegenheit ohne weiteres leisten könnte.

Wahlerfolge der Regierungspartei PRI auf kommunaler und regionaler Ebene in den vergangenen Wochen mögen dazu beitragen, daß Präsident Ernesto Zedillo ein Einlenken gegenüber den Zapatisten noch weniger für nötig hält. In Chiapas konnte die PRI Anfang Oktober über 46 Prozent der Stimmen erreichen und der Opposition wichtige Landkreise abnehmen, die diese drei Jahre zuvor gewonnen hatte. Die Zapatisten spielten in gewisser Weise Wahlhelfer. Ihre Entscheidung, die Abstimmung einerseits nicht zu sabotieren, andererseits aber die eigene Basis nicht zur Wahl aufzufordern, trugen zur hohen Wahlenthaltung von 55 Prozent bei.

Auch PRI-Gouverneur Roberto Albores Guillen bot das Ergebnis eine willkommene Rechtfertigung. Seine Partei kanzelte vor wenigen Tagen öffentlich den eigenen Senator für Chiapas, Pablo Salazar Mendiguchia ab. Dieser hat in seiner Eigenschaft als Cocopa- Mitglied wiederholt Bundes- und Bundesstaatsregierung für ihre starre Haltung angeklagt und Verständnis für die Argumentation der Zapatisten gezeigt. Mendiguchia wird auch nicht müde, auf die soziale Misere in dem Bundesstaat hinzuweisen. Als Quittung drohen ihm die Parteigenossen in Chiapas nun mit einem Ausschlußverfahren. Vereinbarungen zwischen Cocopa, zivilen Organisationen und EZLN werden angesichts dieser Situation wenig Einfluß haben, solange der Druck auf die Regierung nicht stark genug ist, sie ernst zu nehmen.

GUATEMALA

Regierung verantwortlich für hohe Anzahl der Mitch-Opfer

(Guatemala-Stadt, 11. November 1998, cerigua-Poonal).- Zum Zeitpunkt, zu dem die Guatemaltek*innen mit landesweiten Aufräumarbeiten beginnen, um die Schäden des Hurrikans Mitch zu beseitigen, wird die Kritik an jahrzehntelangen Versäumnissen immer lauter. Aufgrunddessen, so ein vielgemachter Vorwurf, erhöhte sich die Zahl der Opfer unnötig. Allan Lavell von der Lateinamerikanischen Sozialwissenschaftlichen Fakultät (FLACSO) spricht von einer „angekündigten Katastrophe“. Die Regierungen in der Region hätten wenig getan, die Gefahren für die im Unglücksfall anfälligsten Bevölkerungskreise zu reduzieren. „Es ist höchste Zeit, daß die mittelamerikanischen Regierungen auf die Ursachen eingehen, die solche Umweltkatastrophen verschlimmern“, so Lavell.

In der guatemaltekischen Tageszeitung „Prensa Libre“ schreibt Leitartikler Victor Ferrigno: „Wir haben alle einen Teil Verantwortung – durch Taten oder Unterlassungen, indem wir den Fortbestand eines ungerechten Systems erlaubten, in dem die Ausgeschlossenen immer das Schlimmste unserer landesweiten Probleme abbekommen.“ Obwohl Ferrigno darauf hinweist, daß der durch Mitch verursachte Tod vieler Menschen in Mittelamerika unvermeidlich war, meint er gleichzeitig, „Hunderte hätten überleben können, wenn das System sie nicht dazu verdammt hätte, unter unmenschlichen Bedingungen zu leben, in Behausungen aus Karton und schlechten Häusern an den Böschungen von tiefen Schluchten“. Ähnlich schreibt Oscar Clemente Marroquin in der Zeitung „La Hora“. Nur langfristige Maßnahmen könnten verhindern, daß die Opfer von Mitch nicht ebenso zukünftigen Tragödien ausgesetzt seien.

Die ausländische Hilfe für Guatemala kommt vor allem aus den USA, Kuba, Mexiko und Kanada sowie der Europäischen Union. Präsident Alvaro Arzú kündigte Anfang des Monats ein hunderttägiges Wiederaufbauprogramm an. In dieser Zeit sollen vor allem die Transportwege und die Gesundheitsversorgung wieder hergestellt werden. Die Kosten werden mit einer halben Milliarde Quetzales (78 Millionen US-Dollar) im Vergleich zu dem Schaden in Nicaragua und Honduras noch relativ niedrig eingeschätzt. Neueste Zahlen gehen von mindestens 260 Toten und 100.000 Obdachlosen infolge des Hurrikans aus.

Mitch wird voraussichtlich einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Guatemala verursachen. Insbesondere für tausende Landarbeiter*innen ist die Zukunft ungewiß. Trotz der Appelle des Arbeitsministeriums an die Plantagenbesitzer haben diese bereits erklärt, nicht in der Lage zu sein, Campesinos einzustellen oder sie zu halten. Es gebe nichts zu ernten, so die Rechtfertigung. In den kommenden Monaten werde es unweigerlich Entlassungen geben. In der Landwirtschaft sind mit etwa 1,6 Millionen Menschen immer noch die meisten erwerbstätigen Guatemaltek*innen beschäftigt. Die Regierung geht davon aus, daß die Regenfälle ein Zehntel der Anbauflächen im Land überfluteten. Die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln sei aber gewährleistet.

KOLUMBIEN

Menschenrechte nichts wert – traurige Bilanz des ersten Halbjahres 1998

(Bogotá, November 1998, ac-Poonal).- Die ersten sechs Monate des laufenden Jahres haben bewiesen, was vor der Weltöffentlichkeit immer wieder angeklagt wird: Daß in Kolumbien das „typische und schlimme Handeln eines Nacht-und-Nebel-Regimes“ vorherrscht. Tödlichen Schläge gegen das Leben, die zum Schweigen, verdammen alternieren mit Teilnahmslosigkeit und Komplizenschaft im Verhalten des Regimes. Die Zahlen belegen, daß es vor allem das Recht auf Leben ist, das am häufigen verletzt ist.

Laut Aufzeichnungen der Organisationen Cinep und „Gerechtigkeit und Frieden“ wurden allein während des Zeitraums der Berichtserstellung 964 Personen, Opfer von Menschenrechtsverletzungen, 786 von politisch-sozialer Gewalt, 1.306 von schweren Vergehen gegen das internationale Menschenrecht und 1.099 von Kriegshandlungen. Das macht ingesamt 4.155 Opfer von Rechtsverletzungen in seinen unterschiedlichsten Formen aus.

An der Spitze der Menschenrechtsverletzungen stehen die außergerichtlichen Hinrichtungen (490), gefolgt von den Fällen, der gewalttätig Verschwundenen (164), Drohungen (85) und Folterungen (43). Alles Handlungen für die, den Quellen zufolge, so gut wie ausschließlich Paramilitärs und/oder die Armee verantwortlich sind. Außerdem wurden 786 Personen Opfer politischer Verfolgung und sozialer Intoleranz, die von nicht- staatlichen Polizisten oder nicht identifizierten Tätern begangen wurden.

Andererseits sind 1.306 schwere Vergehen gegen das internationale Menschenrecht zu verzeichnen, unter denen die Tötungen außerhalb von Gefechten hervorstechen (534). Es folgen die Morddrohungen (264), Verschwundene (146), die Benutzung von Menschen als Schutzschilde (119), Verletzte außerhalb von Gefechten (110) und Rekrutierung Minderjähriger (50). Von all diesen Taten werden 670 Fälle den Paramilitärs, 163 der Nationalarmee und 366 der Guerilla zugeschrieben.

Bei der Entwicklung der bewaffneten Auseinandersetzungen waren 375 kriegerische Handlungen zu verzeichnen, die 40 Tote und 74 Verletzte unter der Zivilbevölkerung hinterließen. Zudem 280 tote und 33 verletzte Guerilleros; 229 tote und 244 verletzte Soldaten, 58 tote und 110 verletzte Polizisten und 21 tote und 10 verletzte Paramilitärs. Inmitten der Kriegshandlungen ist die Zivilbevölkerung weiterhin Opfer von Rechtsverletzungen, vor allem des Rechts auf Leben und der Unverletzlichkeit der Person. Wie aus den Abbildungen hervorgeht, sind die Paramilitärs bei diesen Taten in weitaus größerem Maße verantwortlich als die anderen Handlungsträger.

Das vorstehende Panorama wird ergänzt durch Massaker und einzelne, aber ingsesamt häufig vorkommende Morde. Vor allem die Provinz Antioquia, der Süden von Bolivar und die östlichen Llanos sind davon betroffen. Allein in den ersten vier Monaten diesen Jahres wurden 93 Massaker begangen. Ebenso haben die erzwungenen Umsiedlungen der Bevölkerung ganze Landstriche entvölkert. Ganze Dörfer sind verdammt, diesen Preis zu zahlen, vergessen von der Gesellschaft und vom Staat sehen sie sich gezwungen, in fremden Städten und Regionen zu überleben. So spricht der Rat für Menschenrechte und Zwangsumsiedlung (Codhes) in diesem Zusammenhang von 148.240 Personen spricht oder fast 30.000 Familien.

Besonders hervorzuheben sind auch die Angriffe auf die Menschenrechtsorganisationen und Menschenrechtler*innen im ersten Halbjahr 1998. Eerinnert sei an die Morde an Eduardo Umannnna Mendoza, Jesús María Valle und María Arango (vgl. frühere Poonalausgaben), die sämtlich mit dem größten Zynismus und der Sicherheit auf Straffreiheit begangen wurden. Das ungesetzliche Eindringen in die Räume von „Gerechtigkeit und Frieden“ wird als ein verachtenswerter Akt der Justizverwaltung und der Armeegeheimdienste, vor allem der vor kurzem aufgelösten Brigade XX, in Erinnerung bleiben.

Debatte um den Rückzug der Armee im Guerillagebiet

(Bogotá, November 1998, ac-Poonal).- Die ersten ernsthaften Friedensbemühungen in Kolumbien sind umstritten: Einige Mitglieder der herrschenden Elite beklagen öffentlich, Präsident Pastrana gebe der Guerillabewegung FARC für deren Friedensangebot alles, ohne irgend etwas dafür zu erhalten. Andere bedeutende Teile der kolumbianischen Gesellschaft sind der Meinung sind, daß der vollständige Rückzug der militärischen Sicherheitskräfte aus fünf großen Landkreisen ein richtiger Schritt ist, endlich dem ersehnten Frieden näher zu kommen.

Das offensichtlich skeptische Klima wurden zu einem guten Teil von den Massenmedien hervorgerufen. Sie schilderten vor allem die Zerstörung, die Angst und die Aufregung, die das Eindringen der FARC in die Departamentshauptstadt Vaupés Anfang des Monats hervorgerufen hat. Trotzdem ist es im Rahmen der Operation „Räumung“ zu einer ersten Annäherung zwischen der größten aufständischen Gruppe und der Pastrana-Verwaltung gekommen.

Das von den Regierungskräften freigemachte Gebiet umfassst insgesamt 42.106 Quadratkilometer – das entspricht ungefähr der Ausdehnung der Schweiz oder der doppelten Größe El Salvadors. Es umfaßt vier Landkreise in der Provinz Meta und einen Landkreis in der Provinz Caquetá. Die ausgedehnte Region steht seit langem in dem Ruf, der Sitz der FARC-Führung zu beherbergen. Die FARC haben dort ihre soziale Basis, es ist ihr wohl stärkstes Einflußgebiet.

Wenn man davon ausgeht, daß nur ungefähr die Hälfte der Zone überhaupt besiedelt ist und die Stadt San Vicente del Caguán in der Provinz Caquetá mit 42.000 Einwohner*innen die größte Bevölkerungskonzentration und damit den höchsten Grad von Institutionalisierung darstellt, sind in Wirklichkeit alle fünf Landkreise Gebiete, in denen die Präsenz der Staatsgewalt ohnehin sehr rar, wenn nicht sogar völlig abwesend war. Nur einmal, im Jahr 1990, machte der kolumbianische Staat unter Präsident Gaviria mit der „Operation Centauro“ einen ernsthaften Versuch, das Territorium mittels breitgestreuter Bombenangriffe zu erobern. Die Initiative scheiterte letztendlich, die Angriffe trafen zudem im wesentlichen die Zivilbevölkerung.

Die vier Landkreise in Meta, die im Naturschutzgebiet „Sierra de la Macarena“ liegen und auch San Vicente del Caguán, waren während der Jahrzehnte der Gewalt, vor allem seit Ende der sechziger Jahre, Fluchtort für die Verfolgten. Die Umsiedler*innen oder „Colonos“ waren entweder Guerilleros oder verfolgte Kommunisten ohne soziale und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten, die in den FARC einen Ausdruck ihres gemeinsamen Interesses fanden. Die wiederholten Versuche des Staates, seine Vorherrschaft in der Region wieder herzustellen, hatten, zumindest was die militärische Vorgehensweise in den vergangenen acht Jahren angeht, keinen Erfolg. Im Gegenteil, die Lage wurde wegen des wachsenden Drogenhandels sogar noch komplizierter.

Im Zusammenleben mit der indigenen Bevölkerung und den Missionar*innen, versuchten die Neuankömmlinge unter widrigen Umständen zu überleben. Viele fanden als Koka-Zwischenhändler ein Auskommen. Die unglückliche staatliche Politik, die nicht erlaubten Pflanzungen mit chemischen Giften zu besprühen, die nicht nur die Koka und den Mohn vernichteten, sondern auch die angauten Grundnahrungsmitteln, hat die Bevölkerung an den Rand der Gesellschaft und in die Illegalität gedrängt. Die FARC boten damals den Koka-Bäuer*innen ihren Schutz an und führten die Koka- Anbausteuer oder „gramaje“ ein.

Allein im Department Meta löschten die Massaker der Paramilitärs die gesamte zivile politische Opposition aus , nachdem es mehr als zwölf Gemeindeverwaltungen in den Händen der Patriotischen Union (UP) gab. Diese Situation führte dann zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Großgrundbesitzern und den Siedler*innen. Mit der Aussicht, eine regelrechte Armee zu werden, rekrutierten die FARC mehr und mehr junge Leute, nachdem der Frontalangriff auf die UP eingeleitet worden war.

Jetzt, wenn die FARC sich 90 Tage lang in frei in der Zone bewegen können, werden sie auch den „graduellen Ersatz des Koka-Anbaus nach vorherigen sozialen Investitionen“ zur Diskussion stellen. Das heißt mit anderen Worten, daß es neben dem bewaffneten Konflikt bedeutende soziókonomische Probleme zu lösen gibt, wie zum Beispiel die Narco-Landwirtschaft.

Doch immer noch bleiben viele Fragen offen, die in den kommenden Monaten aufmerksam analysiert werden müssen. Zum Beispiel die Zukunft der zivilen Amtsinhaber*innen im Gebiet: Werden sie durch FARC-Guerilleros ersetzt? Oder die Frage, ob nun, da es keine Armeekontrollposten gibt, mehr junge Menschen in die Guerilla eingezogen werden. Außerdem ist die Rolle der Paramilitärs zu beleuchten, die bereits ihren Widerstand gegen diese erste Annäherungsepisode angekündigt haben. Was werden die Konsequenzen des Armeebeschlusses sein, 130 Soldaten im Bataillon von San Vicente del Caguán stationiert zu lassen? Und schließlich bleibt die Frage nach der Rolle des Roten Kreuzes und der internationalen Gemeinschaft.

All diese Fragen können nicht einfach gelöst werden. Es sind wichtige Fragestellungen, die zeigen, daß es einfacher ist, rhetorisch von Frieden zu reden, als wirklich darüber nachzudenken, wie dieser trotz laufender Gefechte und ängstlicher Blicke der Bevölkerung tatsächlich eine Chance bekommt. Gleichzeitig bieten sie die Gelegenheit, festzustellen, inwieweit die internen Normen, die die FARC in ihren Einflußzonen eingerichtet haben, die Freiheit des Einzelnen einschränken und vorurteilsbeladene Haltungen widerspiegeln. Zu den festgesetzten Regeln der Guerilla gehört beispielsweise das Verbot der Prostitution genauso wie die Ächtung von jungen Leuten mit Ohrringen und langen Haaren.

Die zu erwartenden Erfahrungen können von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Friedensprozesses sein. Deshalb müssen sich die Netzwerke von Bürgermeister*innen und anderen Gemeindevertreter*innen des Landes noch mehr anstrengen, um ihre Kolleg*innen in der „Räumungszone“ zu unterstützen. Die sozialen Organisationen, die Kirchen, alle, die für den Frieden arbeiten, müssen während dieser 90 Tagen permanent verfolgen, was sich in der Zone abspielt. Dabei darf das Friedensangebot nicht in einen irrtülichen Konkurrenzkampf zwischen den davon betroffenen Bevölkerungsteilen münden. Die FARC haben keine klare Form gewählt, in der sie die Bevölkerung in die Diskussionen des „Dialog-Tisches“ einschließen wollen, vor allem was soziale Aspekte, Agrarreform, Gesundheit, Erziehung usw. angeht. Für die zivile Gesellschaft heißt das, besonders aufmerksam sein zu müssen, um ihre Forderungen einzubringen.

Austausch Soldaten gegen Guerilleros scheint möglich

(Bogotá, 18. November 1998, pulsar-Poonal).- Exikutive, Legislative und Judikative analysieren seit Wochenmitte gemeinsam das Angebot der Guerillabewegung FARC, in deren Haft befindliche Soldaten und Polizisten gegen inhaftierte Aufständische auszutauschen. Die Vorsitzenden der höchsten Gerichtshöfe des Landes trafen sich mit dem Friedensbeauftragten der Regierung sowie den Präsidenten der Friedenskommissionen in Senat und Abgeordnetenhaus. Bei dem Gespräch wurde ein Rechtsgutachten über die Liste der Guerilleros diskutiert, die für einen Austausch in Frage kommen. Weiteres Thema war die Frage, ob ein oder mehrere Vertreter der Justiz an einem vorgesehenen Treffen mit Guerillaführer Manuel Marulanda Vélez teilnehmen sollen. Eine Einigung gab es bisher noch nicht, aber sowohl der Oberste Gerichtshof, das Verfassungsgericht und der Oberste Rechtsrat schlossen den direkten Kontakt mit der FARC nicht aus.

URUGUAY

Justiz verurteilt Staatsterror

(Montevideo, 18. November 1998, comcosur-Poonal).- Der uruguayische Staat muß im Fall eines unter der Militärdiktatur gefolterten und ermordeten Zivilisten und mehrerer weiterer geschädigter Personen mehr als eine Million US-Dollar an die Opfer und die Familienangehörigen zahlen. Dies entschied nach jahrelangem Verfahren ein Gericht. Der Staat hatte sich damit verteidigt, wegen des 1986 verabschiedeten Hinfälligkeitsgesetzes (Ley de Caducidad), mit dem die Verbrechen der Diktatur automatisch verjährt sein sollten, keine Verantwortung zu tragen. Das Urteil trifft das Verteidigungsministerium und die Nationale Hafenverwaltung (ANP). 1975 hatten die Militärs zwölf Beschäftigte der ANP gefoltert und beschuldigt, Waffen für eine Aufstandsorganisation zu schmuggeln. Einer der zwölf Angestellten starb während der Foltersitzung, drei weitere einige Zeit später an den Folgen. Die übrigen verloren ihre Arbeit, obwohl ihnen nichts nachgewiesen werden konnte. Sie klagten 1977 vor Gericht gegen ihre Entlassung, doch erst 1985, nach der Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen in Uruguay, wurden sie wieder an ihrem altem Arbeitsplatz eingestellt. Die Richterin widersprach der Argumentation des Staates, da die Klage schon vor dem Hinfälligkeitsgesetz eingereicht wurde. In dem Urteil werden vier Militärs namentlich als die staatlichen Verantwortlichen erwähnt, die die „wertvollsten individuellen Grundrechte“ der Opfer verletzten.

LATEINAMERIKA

Konferenz soll deutsche Wirtschaft in der Region stärken –

Importbeschränkungen im Agrarbereich schwächen die Position der EU

Von Victor Sukup und Roberto Roa

(Stuttgart/Buenos Aires, 17. November 1998, npl).- Eine Intensivierung der gegenseitigen Beziehungen erhoffen sich die Teilnehmer der „5. Lateinamerika-Konferenz der Deutschen Wirtschaft“, die am 17. November in Stuttgart begann. Schwerpunkt des zweitägigen Treffens, zu dem Unternehmer und Minister aus mehreren Ländern des Subkontinents wie auch der Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank, Enrique Iglesias, erwartet werden, sind die Erschließung neuer Märkte und Finanzierungsfragen. Die Gastgeber, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT), sehen sich jedoch auch mit Forderungen seitens der potentiellen Geschäftspartner konfrontiert: Die hohen Importzölle der EU und ungleiche Austauschbeziehungen behindern aus lateinamerikanischer Sicht die Handelsbeziehungen.

Zumindest in bezug auf den Agrarbereich „muß ich dieser Kritik Recht geben“, erklärte BDI-Regionaldirektor Oliver Wieck gegenüber npl. Aufgrund der Handelsbeschränkungen seitens der EU sei es derzeit so schwierig, in der Verhandlungen voranzukommen. Um die für die deutsche Exportindustrie wichtigen Verhandlungen mit lateinamerikanischen Importeuren nicht zu gefährden, sei das Ziel formuliert worden, auf EU-Ebene eine „stärkere Marktorientierung im Agrarbereich“ zu erreichen. Wieck äußerte die Hoffnung, daß auf dem Mercosur-Eu-Business-Forum (MEBF), das im Februar in Rio de Janeiro stattfinden wird, zukunftsweisende Empfehlungen entwickelt werden.

Deutsches Engagement habe in der Vergangenheit einen wichtigen Beitrag zur Industrialisierung Lateinamerikas geleistet. Durch Investitionen wurde Sao Paulo in den 50er Jahren zur „größten deutschen Industriestadt“, erklärt der brasilianische Historiker Luiz Moniz Bandeira. Dadurch sei es Brasilien schließlich gelungen, aus seiner Rolle des ewigen Kaffee-Exporteurs herauszuwachsen. Die Regionalmacht USA sah sich gezwungen, ebenfalls im Industriesektor zu investieren, um nicht von diesem wachsenden Markt ausgeschlossen zu werden, erläutert Bandeira.

Doch schon bald übernahmen multinationale Konzerne die Regie, wodurch Lateinamerika zwar weiter in die Weltwirtschaft integriert wurde, aber auch an einer eigenen, an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierten Entwicklung gehindert wurde. Die Diktaturen der 70er Jahre konnten das industrielle Wachstum noch beschleunigen, doch ökologische und soziale Probleme nahmen zu, so daß die gesamte Region aus Sicht der Investoren schließlich ein Risikofaktor wurde. Spätestens als in den 80er Jahren die Auslandsschuld astronomische Höhen erlangte, wurde deutlich, daß die lateinamerikanischen Ökonomien strukturell schwach sind.

Heute steckt die gesamte Region nach wie vor in der Schuldenfalle. Hohe Zins- und Tilgungszahlungen zwingen zu einer bedingungslosen Exportorientierung, um Devisen zu erwirtschaften. Ergänzend drängt der IWF (Internationaler Währungsfonds) auf einen sozial schwer verträglichen Sparkurs. Folgen dieser Politik sind derzeit in Mittelamerika zu sehen, wo die vom Hurrikan Mitch zerstörten Länder außerstande sind, aus eigener Kraft die einheimische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen: Eine überstürzte Privatisierungspolitik hat die Staaten nahezu handlungsunfähig gemacht.

Auch das gern gepriesene Wirtschaftswachstum von Ländern wie Argentinien ist zweischneidig. Oft stecken Finanzspritzen, überbewertete Währungen und hohe Zinsen hinter den positiven Zahlen, während drastische Leistungsbilanzdefizite und die Folgen ausufernder Korruption versteckt werden.

Einen Schritt zur Konsolidierung der Wirtschaften im Süden Lateinamerikas stellt das 1995 geschlossene Rahmenabkommen zwischen der EU und dem Mercosur – dem gemeinsamen Markt von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay – dar. Die Mercosur- Staaten produzieren etwa ein Drittel der Exporte und gut 50 Prozent der Industriegüter Lateinamerikas. Die Region, deren Markt knapp die Hälfte der lateinamerikanischen Bevölkerung ausmacht, unterhält im Gegensatz zu Mexiko engere Beziehungen zu Europa als zu den USA. Allerdings steigen lediglich die EU-Exporte seit Jahren an, während Importe aus den Mercosur-Staaten gen Europa stagnieren.

Aus europäischer Sicht handelt es sich um einen gefährdeten Markt, da die USA versuchen, mit Hilfe der geplanten, ganz Amerika umfassenden Freihandelszone verlorenes Terrain auf ihrem Kontinent gutzumachen. Um ihr Engagement zu unterstreichen, plant die EU im Juni 1999 in Rio de Janeiro eine Lateinamerika-Gipfelkonferenz.

„Mehr Aufmerksamkeit für den lateinamerikanischen Kontinent,“ erhofft sich der DBI von der Stuttgarter Konferenz. Die Region sei eine wichtige Wachstumsregion, die von den Krisen in Asien und Rußland nur mittelbar betroffen sei, meint Wieck. Zumal das am Freitag geschnürte 41 Milliarden Dollar Hilfspaket für Brasilien Vertrauen in die Region rechtfertige.

NICARAGUA

Unmut über Präsident Alemán hält an

(Managua, 18. November 1998, pulsar-Poonal).- Die Entscheidung von Präsident Arnoldo Alemán, die Verteilung der Hilfsgüter nach dem Hurrikan Mitch von der katholischen Kirche durchführen zu lassen, hat sein Image nicht verbessert. Wo er hinkommt, beschuldigen ihn die Menschen des Raubes. Alemán hatte auf die Kritik an der schleppenden Hilfeleistung durch die Regierung geantwortet, in Nicaragua werde nach 44 Jahren Diktatur und 11 Jahren totalitärer (sandinistischer) Herrschaft alles politisiert. Angesichts dieser Realität seien die geeignesten, aufrichtigsten und fähigsten Personen in der katholischen Kirche zu finden. Er beschuldigte die oppositionellen Medien, die Lage zu manipulieren. Der Präsident verteidigte sich auch noch einmal in einem anderen Fall, der Unmut in Teilen der Bevölkerung erregt hatte. Die Asphaltierung der Straße, die sein Haus mit seinem Landsitz verbinde, sei mit Staatsgeldern finanziert worden, weil es eine öffentliche Straße sei.

ECUADOR

Staat möchte nicht mit Texaco streiten

(Quito, 18. November 1998, pulsar-Poonal).- Die Regierung von Jamil Mahuad teilte einem Berufungsgericht in den USA mit, in dem von Indígenas angestrengten Prozeß gegen die Ölgesellschaft Texaco nicht als Klägerin aufzutreten. Mehrere Indígena-Gemeinden mit einer Gesamtbevölkerung von 30.000 Personen hatten Texaco am 5. Januar 1993 in den USA wegen der über 26 Jahre hinweg verursachten Schäden im Amazonasgebiet angeklagt. Das Verfahren zieht sich seitdem hin. Das Berufungsgericht hatte den ecuadoreanischen Staat zu einer Stellungnahme aufgefordert, ob er den Prozeß unterstütze oder nicht. Der Beschluß der Mahuad-Regierung verhindert das Verfahren nicht. Paulina Garzón, Koordinatorin der Kampagne gegen Texaco, wies allerdings darauf hin, daß es der Ölgesellschaft jetzt einfacher fallen könnte, Verantwortung von sich zu weisen.

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