Poonal Nr. 325

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 325 vom 5. Februar 1998

Inhalt


GUATEMALA

COPMAGUA und andere Gruppen hatten den Kongreß aufgefordert, die

GUATEMALA

HONDURAS

COSTA RICA

PERU

BRASILIEN

KOLUMBIEN

NICARAGUA

COSTA RICA

KUBA

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

VENEZUELA

CHILE


GUATEMALA

Staat muß für Mord bezahlen

(Guatemala-Stadt, 28. Januar 1998, cerigua-Poonal).- Der Interamerikanische Menschengerichtshof, eine Instanz der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), hat Guatemala wegen seines Verhaltens im Mordfall Nicholas Blake verurteilt. Der US- Journalist war 1985 zusammen mit seinem Landsmann, dem Fotografen Griffith Davis, während einer Recherche auf dem Land verschwunden. Erst 1992 wurden ihre verkohlten Leichen entdeckt. Die Tat wird Mitgliedern der paramilitärischen Zivilpatrouillen (PAC) zugeschrieben, die von der Armee kontrolliert wurden. Die sieben Richter befanden, die Regierung habe die Justiz behindert und Hinweise über den Fall zurückgehalten. Sie wiesen die guatemaltekische Staatsführung an, Blakes Familie eine Entschädigung zu zahlen, die Gerichtskosten zu übernehmen, das Verfahren neu zu eröffnen und die Verantwortlichen für das Verbrechen zu bestrafen.

Der Gerichtshof behandelte jedoch nicht die Mordanklage gegen den guatemaltekischen Staat. Zum Zeitpunkt des Verbrechens hatte Guatemala die Interamerikanischen Menschenrechtskonvention, auf die sich das Gericht stützt, nicht ratifiziert. Blakes Angehörige brachten den Mordfall 1993 vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission. Eine Anklage wegen des Todes von Davis wurde nie erhoben. Die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Marta Altolaguirre, erklärte, die Regierung werde jedem offiziell von dem Gericht zugestellten Urteil gehorchen. Ihren Worten nach gibt es einen wegen des Mordes verhafteten Verdächtigen und drei weitere Haftbefehle in Zusammenhang mit dem Verbrechen.

Diplomatische Beziehungen zu Kuba wieder aufgenommen

(Guatemala-Stadt, 27. Januar 1998, cerigua-Poonal).- Nach über drei Jahrzehnten nahm Guatemala wieder offizielle diplomatische Beziehungen mit Kuba auf. Die Regierung hatte sie 1961 abgebrochen. Der guatemaltekische Außenminister Eduardo Stein begründete die Entscheidung in einer Presseerklärung am 27. Januar „mit dem Ziel, zu Frieden und Freiheit, dem Respekt und der Verteidigung der Menschenrechte sowie zur Stärkung demokratischer Entwicklungen und internationaler Institutionen, die gegenseitige und gleichberechtigte Beziehungen den Staaten garantieren, beizutragen“. Die Regierung wolle insbesondere Handel und Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern fördern. Der Schritt sei Teil einer breit angelegten Politik, in deren Rahmen die Verbindungen mit den Karibikstaaten insgesamt gestärkt werden sollten. In Kürze wird Guatemala ein Konsulat in der kubanischen Hauptstadt Havanna eröffnen.

Die ehemalige Guerilla Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas (URNG) begrüßte den Schritt als Akt „nationaler Souveränität“ gegenüber der USA, die Kontakte mit der Karibikinsel unterbinden wolle. Die URNG äußerte ihre Zuversicht über den Nutzen für beide Länder. Die wieder aufgenommenen Beziehungen mit Kuba bedeuten in der Tat eine wichtige Kehrtwende für die guatemaltekische Politik. Anfang der 60er Jahre brach Guatemala die Beziehungen zu Kuba ab. Außerdem erlaubte die Regierung den Vereinigten Staaten, auf guatemaltekischem Boden die Invasion in der Schweinebucht im Jahr 1961 vorzubereiten.

Indígena-Gerichte nehmen die Arbeit auf

(Guatemala-Stadt, 22. Januar 1998, cerigua-Poonal).- Der Oberste Gerichtshof hat 15 Richter eingeschworen, die den Vorsitz über eine neue Art Justizsprechung in den Indígena-Gemeinden im Land haben werden. „Von Ihnen wird der Erfolg oder Mißerfolg dieser neuen Gerichte abhängen“, sagte Gerichtspräsident Angel Figueroa, bevor er die Gruppe einschwor. Alle neuen Richter sind anerkannte Persönlichkeiten in ihren Gemeinden und von ihren Nachbarn gewählt. Sie werden über minderschwere Delikte in ihren Orten entscheiden und das Justizsystem in Gemeinden bringen, deren Bevölkerung zuvor kilometerweit bis zum nächsten Gericht reisenmußte.

Einige Indígena-Organisationen sind allerdings über viele Aspekte der neuen Gerichte enttäuscht und betrachten sie als Maßnahme von oben, die die traditionellen indigenen Rechtspraktiken nicht gebührend anerkennt. „Die Gemeindegerichte werden nicht effektiv sein. Die Probleme werden bestehen bleiben und noch komplizierter werden, da Personen an die Spitze von Instrumenten gesetzt werden, die ihnen nicht gehören“, äußert sich beispielsweise Francisco Raymundo von der Koordination der Organisationen des Maya-Volkes Guatemalas (COPMAGUA). „Sie werden nicht frei Indígena-Gesetze in diesen Gemeinden anwenden können. Es sind Leute, die einem Strafgesetzbuch und einer Reihe von Gesetzen unterworfen sind, mit denen sie nicht einmal vertraut sind.“

COPMAGUA und andere Gruppen hatten den Kongreß aufgefordert, die

Einrichtung der neuen Gerichte weitere drei Monate aufzuschieben,

um diese Zeit für gründlichere Untersuchungen über die Bedürfnisse

der Gemeinden zu nutzen und die Indígena-Bevölkerung stärker in den Prozeß einbeziehen zu können. Im vergangenen August vom Kongreß verabschiedete Reformen des Strafgesetzbuches ermöglichten die Gemeindegerichte. Die neuen Richter beginnen ihre Arbeit in den Provinzen Peten, San Marcos, Totonicapan, Solola und Chiquimula.

GUATEMALA

Beinahe jeder Zweite ohne Job

(Guatemala-Stadt, 29. Januar 1998, cerigua-Poonal).- In Guatemala waren 1997 43 Prozent der Erwerbspersonen arbeitslos oder unterbeschäftigt, das sind nur geringfügig weniger als im Vorjahr, teilte Arbeitsminister Hector Cifuentes mit. Mehr als eine Million Guatemaltek*innen müssen sich ihren Lebensunterhalt im informellen Sektor suchen. Die Politik des Ministeriums ist auf die Unterstützung dieses Bereichs ausgerichtet, da er, so Cifuentes, eine wichtige Arbeitsquelle darstelle. Beschäftigungswachstum gab es nur in Bereichen, wo staatliche Aufträge vergeben wurden.

HONDURAS

Gericht entscheidet gegen Streitkräfte

(Montevideo/Tegucigalpa, 30. Januar 1998, comcosur-Poonal).- Der Oberste Gerichtshof hat angeordnet, die Geheimarchive der Militärs über Regierungsangehörige, Politiker*innen und Menschenrechtsaktivist*innen zu beschlagnahmen. Die entsprechende Klage war eingereicht worden, als die Streitkräfte sich weigerten, dem Gerichtshof, der die Beteiligung der Armee beim Verschwindenlassen politischer Gefangener untersuchte, weitere Akten zu übergeben. Im Rahmen der Nachforschungen hatte sich herausgestellt, daß das Militär auch Berichte über bekannte Personen führte. Die entsprechenden Karteikarten verzeichneten persönliche Details über Freundschaften, Vorlieben und häufig aufgesuchte Orte. Die Staatsanwaltschaft bewertete diese als Verletzung der Privatsphäre. Daraufhin entschied die Führung der Streitkräfte, keine weiteren Daten bereitzustellen. Sicher ist, daß die Armee die ehemalige Menschenrechtsstaatsanwältin Sonia Dubón, den Vorsitzenden des Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte Ramón Custodio, die Präsidentin des Komitees der Familienangehörigen Verhafteter/Verschwundener Bertha Olivia und den staatlichen Menschenrechtsbeauftragten Leo Valladares streng überwachen ließ. Von diesen sind immer wieder Klagen vor Gericht gebracht worden.

So ist eine Gruppe Militärs wegen des Verschwindenlassens von zwei Mechanikern und eines Anwaltes angeklagt. Von den 26 Beschuldigten sind 19 flüchtig. Leo Valladares hat von der Armee geleitete Todesschwadronen beschuldigt, mit Hilfe des US-Geheimdienstes CIA zwischen 1979 und 1989 für das Verschwinden von 184 Personen gesorgt zu haben.

COSTA RICA

Wen macht die Banane krumm – Alltag auf den Bananenplantagen

Von Gerold Schmidt

(San José, Januar 1998, npl).- Wer eine empfindliche Nase hat, wird sich auf der Plantage 96 der Chiriquí Land Company und ihrer Umgebung nicht recht wohlfühlen. Die Luft ist von Pestiziden geschwängert, das gerade abdrehende Sprühflugzeug ein schon fast überflüssiger Hinweis auf den intensiven Einsatz der Chemie. Hier an der costarikanischen Atlantikküste, nahe der Grenze zu Panama, befindet sich eines der großen Bananen-Anbaugebiete des mittelamerikanischen Landes. Bananen, soweit das Auge reicht. Die überwiegend von transnationalen Konzernen betriebene Monokultur – die Chriquí Land Company beispielsweise gehört zum Chiquita- Konzern – drückt der Region ihren Stempel auf.

Gerado Vargas von der Gruppe Foro Emaús hat seine Besucher nicht zufällig zu den Pflanzungen von Chriquí gebracht, um ihnen die Bedingungen der Bananenproduktion vor Augen zu führen. Dort ist wegen der relativ starken Gewerkschaft eine Besichtigung einfacher, woanders würden Unternehmensleitung und Wachpersonal dies möglicherweise verhindern. Außerdem wurde auf der Plantage gerade erst drastisch deutlich, welche Konsequenzen die geballten Schädlingsbekämpfungsmittel im Extremfall haben können.

Am frühen Morgen des 13. November 1997 wurde der 18jährige Arbeiter Greddy Valerin Bustos auf der Plantage 96 gefunden. Ein Arzt in der staatlichen Klinik von Sixaola gab kurz nach der Einlieferung als wahrscheinliche Todesursache eine Vergiftung an, die zum Herzstillstand führte. Drei Tage zuvor war das Areal, das Bustos säubern sollte, mit dem hochtoxischen Mittel „Counter“ besprüht worden. Der unerfahrene Arbeiter, erst einen Monat auf der Plantage, mußte die Arbeit alleine ausführen. Die neue Geschäftsführung von Chiriquí will unter dem Schlagwort „totale Qualität“ stärker rationalisieren. „Mit der früher üblichen Begleitung hätte Greddy vielleicht rechtzeitig gerettet werden können“, meint Gewerkschaftsvorsitzender Daniel Gutiérrez.

Für die Gewerkschaft und das Foro Emaús ist klar, daß es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Das Unternehmen will dies bisher nicht anerkennen. Die Chancen der Chiriquí Land Company, damit bei den Behörden durchzukommen, sind nicht schlecht. Gerardo Vargas spricht von einem „schmählichen Bündnis“, das staatliche Stellen und Konzerne oft zum Schutz der Bananenindustrie eingingen. Der katholische Priester aus der Diözese Limon rief vor fünfeinhalb Jahren das inzwischen auf etwa 25 Organisationen angewachsene Foro Emáus mit ins Leben. „Wir wollen für die Menschenrechte und die Umwelt auf den Bananenplantagen der Atlantikküste kämpfen, aber nicht die Bananenproduktion zerstören“, erklärt er.

Von dieser Produktion hängen nach der Expansion in den vergangenen Jahren über 100.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt ab. Das Foro Emaús hat die Arbeitsbedingungen ausführlich dokumentiert. Auf den Plantagen herrscht die Sechs-Tage-Woche mit zwölf Stunden Arbeit am Tag. Nur wer bestimmte Aufgaben oder ein bestimmtes Areal zugewiesen bekommt, hat die Möglichkeit zu einem früheren Feierabend. Für die Knochenarbeit bei Temperaturen bis zu 40 Grad gibt es meistens nur den Mindestlohn von 8 Dollar pro Tag, nicht selten weniger. Nach den Auswertungen von Foro Emaús kamen die Beschäftigen vor vier Jahren auf durchschnittlich 250 Dollar im Monat, heute sind es nur noch 187 Dollar. Eine geringe Summe angesichts der etwa 20.000 Dollar, die der Banananarbeiter jährlich an Einnahmen für die Konzerne produziert.

Die großen Gesellschaften drücken sich vor sozialen Verpflichtungen oft, indem sie mit Subunternehmern zusammenarbeiten, deren Geschäftspraktiken sie nicht weiter interessieren. Üblich sind auch Verträge mit einer Dauer von maximal 90 Tagen. Die Mehrheit der Beschäftigten hat auf diese Weise keine stabilen Arbeitsverhältnisse. Wer protestiert, bleibt ohne Anschlußvertrag und erhält einen Platz auf der unter den Konzernen zirkulierenden Schwarzen Liste. Weit verbreitet ist die Anstellung armer Indígenas aus Panama und nicaraguanischer Wanderarbeiter. Häufig haben diese keine gültigen Papiere und nehmen die Arbeitsbedingungen widerstandslos hin. Wer über 40 Jahre alt ist, hat selbst dann jedoch keine Chance, beschäftigt zu werden.

Die Arbeit in der Bananenproduktion bedeutet auch eine schleichende Vergiftung. Bis zu 30 Kilo Schädlingsbekämpfungsmittel werden pro Hektar und Jahr verbraucht. Von zwölf weltweit verbotenen Pestiziden sollen mehrere in Costa Rica weiterhin benutzt werden, darunter die Mittel Paraquat und Terbufos. Mit den Bananenstauden werden gleichfalls die Arbeiter von den Flugzeugen aus besprüht. Auf der Plantage 96 haben viele Menschen Hautekzeme und Bronchialkrankheiten. Die Kinder der auf den Plantagengeländen wohnenden Arbeiter leiden besonders unter diesen Bedingungen. Vögel und andere Tiere sind längst vor der Chemie geflüchtet. Wenn keine Arbeitsgeräusche zu hören sind, herrscht eine gespenstische Stille.

Was das Foro Emaús berichtet, deckt sich mit den konkreten Erfahrungen von Gewerkschafter Daniel Gutiérrez in Chririquí. Dennoch meint er: „Wenn es hier schlecht ist, ist es woanders noch schlechter.“ Aufgrund der gewerkschaftlichen Organisation gibt es einen richtigen Kollektivvertrag von dreijähriger Dauer. Die Beschäftigten würden etwas weniger getriezt als auf anderen Plantagen. Aber Gutiérrez spricht von großen Problemen. Die unternehmerfreundliche „Solidarismo“-Vereinigung, auf anderen Plantagen als von den Bananenkonzernen geförderter Gewerkschaftsersatz gang und gäbe, hat mit ihren Versprechungen und materiellen Anreizen die ersten Arbeiter abgeworben. Mehr als 20 Gewerkschafter sind in den vergangenen Monaten entlassen worden. Zwar mit Abfindungen, aber ohne die Einhaltung gesetzlicher Kündigungsfristen.

Die Gewerkschaften und das Foro Emaús koordinieren sich seit einiger Zeit mit Gruppen in Europa, die sich im Rahmen einer länderübergreifenden Kampagne für einen fairen Bananenhandel und eine faire Behandlung der Plantagenarbeiter einsetzen. Das gilt bei Unternehmern und Regierung in Costa Rica als Nestbeschmutzung. Arbeitsminister Farid Ayales nennt die Kontakte ins Ausland „unverantwortlich“ und bezeichnet sie ohne Angst vor starken Worten als den „größten Treuebruch in der costarikanischen Geschichte“. Jorge Sauma, Vorsitzender der Nationalen Bananenvereinigung, sieht für die „Schweiz Mittelamerikas“ nun „das Image in Gefahr“. Die Bananenindustrie, schon wegen der Einfuhrbeschränkungen der Europäischen Union für die „Dollar- Bananen“ aus Lateinamerika unter Druck, will jetzt zusammen mit der Regierung und mithilfe der costarikanischen Botschafter in den europäischen Ländern eine diplomatische Offensive starten. Gerardo Vargas läßt sich in seinem Einsatz jedoch nicht beirren. Er ist überzeugt: „Das Produktionssystem auf den Plantagen muß sich im Arbeits- und Umweltbereich tiefgreifend ändern.“

PERU

Zweifelhafter Aufschwung – Perus Minen schaden Mensch und Umwelt

Von Stepahnie Boyd

(La Oroya, 29. Januar 1998, noticias aliadas-Poonal).- Der offizielle Jubel über den Aufschwung des peruanischen Minenwesens ist groß. Im vergangenen Jahr brachte dieser Sektor Exportgewinne von 2,6 Milliarden Dollar ein. Mehr als 10 Milliarden Dollar sind für Investitionsprojekte in den kommenden Jahren vorgesehen. Doch die „Mineros“, die Minenarbeiter, und die örtlichen Gemeinden hoffen vergeblich, ein Stück von dieser milliardenschweren Torte abzubekommen. Als Teil seines Wirtschaftsplans verkauft Präsident Alberto Fujimori die staatlichen Minenunternehmen. Mit der Begründung, die schlechte Geschäftsführung habe das öffentliche Minenkonsortium Centromon unattraktiv für Investoren gemacht, hat die Regierung in den zurückliegenden fünf Jahren durch massive Entlassungen und „Einladungen“ zur in Wahrheit erzwungenen Pensionierung ganze Minenorte veröden lassen.

Die peruanischen Minen produzieren eine Reihe von Mineralien und Edelmetallen, hauptsächlich Kupfer, Zink, Blei, Silber und Gold. Noch 1990 beschäftigte Centromon mehr als 17.000 Menschen, inzwischen sind es noch etwa 8.000. Diejenigen Arbeiter, die blieben, mußten Lohneinbußen hinnehmen und sind ständig dem Risiko ausgesetzt, durch noch schlechter verdienende Arbeiter, die zudem keine Sozialleistungen und Beschäftigungsgarantien bekommen, ersetzt zu werden. Die geltenden Arbeitsgesetze verlangen von den staatlichen Minengesellschaften, Wohnung, Schulen, Gesundheitsdienst, Strom, Wasser und einen „würdigen Lohn“ zu gewähren. Wenige glauben, daß dieses System nach der Privatisierung weiter bestehen bleibt.

Rubén Chávez Velásquez, 33, bedient die Lastenaufzüge der kürzlich privatisierten Mine „Volcán“. Er sieht sich in einer glücklichen Lage. Als Facharbeiter mit einer zweijährigen Ausbildung hat er eine größere Arbeitsplatzsicherheit als die Mehrheit. Doch Velásquez ist besorgt über die langfristigen Auswirkungen, die die Privatisierung auf seine Gemeinde und auf die Arbeitsbedingungen in der Mine haben werden. „Ich habe immer Angst, daß mir Steine auf den Kopf fallen könnten“, sagt er und erwähnt die Kohlenmonoxid-Ausdünstungen, die in den Stollen, die den Arbeitern oft die Sicht trüben. Auch über Krankheiten wie die Staublunge und die Tuberkulose denkt er nach. „Früher oder später geht die Mehrheit der Mineros an irgendeiner Atemwegserkrankung kaputt“, weiß er.

Zwar erwähnt keiner der enthusiastischen Berichte für die Investoren Sozialleistungen oder Umweltauflagen, dafür wimmelt es von Informationen über die Versicherungen gegen politische Risiken, die die Weltbank und internationale Versicherungsgesellschaften anbieten. Diese Versicherungen schützen internationale Unternehmen vor möglichen Ereignissen wie eine Verstaatlichung oder politische Gewalt. Umweltschäden durch den Rohstoffabbau werden von den Versicherungen nicht abgedeckt. Die Umweltverschmutzung ist im Minenbetrieb so fest verwurzelt, daß die Aktivist*innen fürchten, für die neuen Konzerne werde es keinen Anreiz geben, umweltschonendere Technologien zu entwickeln.

Kein anderer Ort hätte diese Technologie nötiger als La Oroya, das Herz der Minenaktivitäten von Centromon 3070 Meter über dem Meeresspiegel östlich der Hauptstadt Lima. Dorthin kommen die Minerialien, um in den Veredelungsfabriken und Gießereien der Stadt bearbeitet zu werden. Die Giftausstöße der drei Verarbeitungsbetriebe in La Oroya verbreiten sich über die Luft und der Müll wird in den benachbarten Fluß Mantaro abgeladen. Yuffre Ramos Orte von der Nicht-Regierungsorganisation Dienste für die Minenfrau „Filomena Tomaira Pacsi“ berichtet, vor fünf Jahren sei ein neuer Filter in einer der Fabriken eingebaut worden, aber es bleibe noch viel zu tun.

Die Provinz Yauli-La Oroya, wo sich die Minen von Centromon befinden, war einst eine landwirtschaftlich genutzte Region. Doch die Giftgase und die Minenabfälle haben aus ihr eine der verseuchtesten Gebiete ganz Perus gemacht. Die Bewohner*innen von La Oroya sagen, daß es früher einmal Forellen im Mantaro gab. Jetzt sind in ihm überhaupt keine Fische mehr zu finden. Neuere peruanische Umweltgesetze fordern von den Minengesellschaften, einen Teil ihrer Gewinne in Umweltausbildung und -Verbesserung zu investieren. Umweltaktivist*innen und Rechtsanwält*innen sind allerdings davon überzeugt, daß die einzige Maßnahme der Konzerne darin bestehen wird, den Umweltinspektor*innen saftige Summen anzubieten und Werbekampagnen durchzuführen.

Die Aktivist*innen weisen darauf hin, daß die geltenden Gesetze und die Rechte der Arbeiter*innen oft ignoriert werden. Die offiziellen Vorschriften legen zwar regelmäßige Untersuchungen einschließlich einer Blutanalyse für die Mineros fest. Die Ergebnisse würden jedoch in den staatlichen Krankenhäusern verwahrt und der Öffentlichkeit vorenthalten. Ketty Anticona Bamos, Ärztin in der Klinik von „Filomena Tomaira Pacsi“, schätzt, 90 Prozent der Einwohner*innen von La Oroya hätten zu hohe Bleiwerte im Blut. Am stärksten sind die Menschen betroffen, die nahe der Verarbeitungsbetriebe leben. Sogar das Wäschewaschen im Fluß setzt die Bevölkerung gefährlichen Giften aus. „Die Krebsrate, Blutarmut und Unfruchtbarkeit unter den Einwohner*innen haben sich durch die Verseuchung erhöht“, sagt Anticona Bamos. Die Kinder leiden vor allem unter den Bleiemissionen. Viele haben schon bei der Geburt Untergewicht und sind schwächer entwickelt.

Die unsichere Arbeitssituation fordert einen erhöhten psychologischen Tribut in den Minengemeinden. Alkoholismus, Prostitution und Gewalt im Haus haben in den vergangenen fünf Jahren als Resultat der Privatisierung drastisch zugenommen. In allen Gemeinden herrscht eine gereizte Stimmung, während darauf gewartet wird, wer die in diesem Jahr zum Verkauf angebotenen Minen ersteht und was von den neuen Eigentümern zu erwarten ist. Die Mine von Yanacocha in der Provinz Cajamarca im nördlichen Hochland ist ein gutes Beispiel für das, was passieren kann, wenn ein transnationales Unternehmen – in diesem Fall die US- Gesellschaft Newmont Mining – sich mit einem peruanischen Konzern zusammentut.

Yanacocha ist die größte Goldmine Lateinamerikas. Im Jahr 1996 hatte sie eine Produktion im geschätzten Wert von 313 Millionen Dollar und die weltweiten niedrigsten Kosten für die Goldausschürfung. In mehr als 200 Fällen in Peru hoffen Minensuchgesellschaften, dem Beispiel Yanacocha nacheifern zu können. Das Fehlen starker Gewerkschaften hat die Gemeinden in der Umgebung der Minen – privater wie staatlicher – verwundbar für die Ausbeutung gemacht. Die Gewerkschaften, die noch Mitte der 70er Jahre riesige Mobilisierungen durchführten, haben kapituliert – zermürbt durch staatliche Repression und die Wirtschaftspolitik der Regierung.

Viele Mineros wie Rubén Chávez Velázquez Muchos fürchten, daß sich die Lage der Arbeiter weiter verschlechtern wird. Die Regierung und die privaten Unternehmen mißachteten die Rechte der Arbeiter und der Gemeinden. Santos Becerra Cubas, Minero aus Cajamarca, erinnert sich an die Tage der starken Gewerkschaften. „Heute“, so meint er, „sorgt sich die Regierung nur darum, die ausländischen Investoren zu befriedigen. Alle Mineralien und Metalle gehen ins Ausland“, erklärt er verbittert. „Damit können die ausländischen Unternehmen Produkte herstellen, die sie uns Peruaner*innen danach verkaufen“.

Vor 15 Jahren wurden acht Journalisten ermordet

(Montevideo/Lima, 30. Januar 1998, comcosur-Poonal).- Vor 15 Jahren ermordeten Campesinos in dem Ort Uchurracay die acht Jornalisten Eduardo de la Piniella, Jorge Sedano, Pedro Sánchez, Jorge Mendivil, Willy Reto, Amador García, Rodrigo Infante und Felix Gavilan sowie deren Führer Juan Argumedo. Die Gruppe wollte ein Massaker in einer benachbarten Gemeinde untersuchen. Eine von dem damals amtierenden Präsidenten Fernando Belaúnde ernannte Kommission unter dem Vorsitz des Schriftstellers Mario Vargas Llosa machte die Campesinos, von denen drei verhaftet wurden, für die Tat verantwortlich. Eine Untersuchung des Juristen Fernando de Trazegnies ergab, daß die sogenannten „sinchis“, eine gefürchtete Sondereinheit der gegen die Guerilla-Organisation Leuchtender Pfad kämpfende Guardia Civil den Landbewohner*innen geraten hatte, alle in das Gebiet kommenden Ausländer anzugreifen. Diese seien Terroristen und Räuber. Den Nachforschungen nach schrien die Opfer mehrfach, sie seien Journalisten, ohne daß sie ihr Schicksal damit abwenden konnten. Ihre Familienangehörigen sagen heute, daß sie zur Vergebung bereit sind, aber immer noch über die Hintergründe der Morde zweifeln.

Gesetz gegen die Folter

(Lima, 2. Februar 1998, alc-Poonal).- Das peruanische Parlament verabschiedete einstimmig ein Gesetz, das Folter, gewaltsames Verschwindenlassen und Völkermord als „Verbrechen gegen die Menschheit“ einstuft. Es fehlt nur noch die offizielle Verkündigung durch Präsident Alberto Fujimori. Der peruanische Ombudsman Jorge Santistevan erklärte die Maßnahme zu einem wichtigen Schritt, die demokratische Beschaffenheit (institucionalidad) und den Respekt vor den Menschenrechte zu stützen. Der Gesetzestext legt unter anderem fest, daß die genannten Delikte auch dann von den normalen zivilen Gerichten behandelt werden, wenn sie von Militärs begangen werden.

Folter wird mit fünf bis zehn Jahren Haft bestraft. Wenn die gefolterte Person umkommt, erhöht sich die Strafe auf 20 Jahre. Wer für das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen verantwortlich ist, muß mit einer Mindeststrafe von 15 Jahren Gefängnis rechnen. Völkermord wird definiert als „die Absicht, eine Gruppe aus Gründen der Nationalität, Rasse, wegen gesellschaftlicher oder religiöser Zugehörigkeit, ganz oder teilweise zu vernichten“. Die Mindeststrafe beträgt 20 Jahre.

Die Folter rückte in Peru durch den Fall Leonor La Rosa in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesse. Die ehemalige Mitarbeiterin des militärischen Geheimdienstes wurde von ihren Kollegen gefoltert, weil diese sie verdächtigten, der Presse Informationen über Untergrundaktionen und den Mord an Mariella Barreto zugesteckt zu haben. Die Leiche von Barreto, ebenfalls eine Agentin, wurde mit Folterspuren und zerstückelt aufgefunden. Was das zwangsweise Verschwindenlassen angeht, so schätzen Menschenrechtsorganisationen, daß in den vergangenen zehn Jahren etwa 2.000 Personen in Peru diesem Verbrechen nach ihrer Verhaftung zum Opfer fielen.

BRASILIEN

Hitler als Vorbild für junge Militärs

(Montevideo/Porto Alegre, 30. Januar 1998, comcosur-Poonal).- Ein Umfrage unter den Schüler*innen des Jahrgangs 1995 am Militärkolleg in Porto Alegre ergab ein übrraschendes und trauriges Ergebnis. Die 84 Schüler*innen sollten die von ihnen am meisten bewunderten Personen nennen. Am meisten wurde mit einem Anteil von 10 Prozent Adolf Hitler genannt. Die zukünftigen hohen Militärs setzten ihn in ihrer Wertung vor Tiradentes (Kämpfer gegen die portugiesiche Kolonialherrschaft in Brasilien) und den tödlich verunglückten Rennfahrer Ayrton Senna. Abgeschlagen in der Gunst der Schüler*innen endeten der im vergangenen Jahr gestorbene und durch sein gesellschaftliches Engagement bekannte Soziologe Betinho, Christus, Gandhi und andere geschichtliche Persönlichkeiten. Die Hitler-Anhänger*innen hoben dessen „Intelligenz und Macht“, „Kühnheit“, „die Gabe, vor Menschenmengen zu reden“ hervor. Sicherlich könnte man einer so kleinen und begrenzten Befragung unter normalen Umständen wenig Bedeutung beimessen. Aber es ist wenig ermutigend, daß ein Teil der künftigen Offiziere der brasilianischen Streitkräfte in Hitler ein Vorbild sieht.

Langsamer Abschied vom Amazonas

(Porto Alegre, 30. Januar 1998, alc-Poonal).- Der Zerstörung der brasilianischen Amazonaswälder ist in den ersten beiden Jahren der Amtszeit des Präsidenten Fernando Henrique Cardoso (1995-1996) kräftig vorangeschritten. Nach Angaben der Tageszeitung „Folha de Sao Paulo“ war ein Gebiet von 47.220 Quadratkilometern davon betroffen, größer als die gesamte Fläche der Schweiz. Vom ursprünglichen Waldgebiet des Amazonas – auf vier Millionen Quadratkilometer geschätzt – sind inzwischen knapp 13 Prozent vernichtet. Eine Rekordzerstörung im Vergleich zu vorherigen Durchschnittsdaten fand 1995 mit fast 30.000 Quadratkilometern statt. Im darauffolgenden Jahr waren es 18.000 Quadratkilometer. Das Landesinstitut für Sonderuntersuchungen geht auf der Grundlage von 229 über den Satelliten Landsat gesendeten Bildere von 13.000 Quadratkilometern Amazonasurwald aus, die 1997 zerstört wurden.

Diese Verringerung ist nach den Worten von Umweltminister Gustavo Krause kein Anlaß zur Freude. Die Regierung werde eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um die Abholzung des Amazonas zu stoppen. Wissenschafts- und Energieminister Jose Israel Vargas schätzt die Lage dagegen als „relativ ermutigend“ ein. „Folha de Sao Paulo“ schreibt, in den 60er Jahren sei der Amazonasurwald praktisch intakt gewesen. Es gab dort nur 6.000 Kilometer Landstraßen, von denen 300 Kilometer asphaltiert waren. Mit der Einweihung der Autobahn Belem-Brasilia im Jahr 1964 wurde die Isolierung des Amazonasgebietes durchbrochen. Die 1.900 Kilometer lange Autobahn zog Viehzüchter und Migrationsströme nach sich. In den 70er Jahren förderte die Militärregierung den Bau weiterer 15.000 Kilometer Straßen. Es ist ein schwacher Trost, daß die Situation, obwohl schwerwiegend, nicht so katastrophal wie in anderen Kontinenten ist. Laut dem Weltnaturfonds sind die lateinamerikanischen Urwälder im Vergleich zur ihrer Originalausdehnung zu 41 Prozent zerstört. In Asien dagegen ist der Bestand der Wälder um 88 Prozent zurückgegangen und in Europa um 62 Prozent.

Militärjunta wollte in Uruguay einmarschieren

(Rio de Janeiro, 2. Februar 1998, pulsar-Poonal).- Ein Angehöriger der brasilianischen Militärdiktatur der 70er Jahre hat erklärt, daß seine Vorgesetzten eine Invasion des Nachbarlandes Uruguay vorbereiteten. Der Einmarsch war für den Fall gedacht, daß die revolutionäre Linke dort an die Macht kommen könnte. Das Militärregime (1964 bis 1985) fürchtete einen Sieg der Guerilla- Organisation „Tupamaros“. Über die Interventionspläne berichtet der brasilianische Brigadegeneral Sergio Luis Burger in dem Buch „Militares Confesiones“ (Militärs Beichten), das der Journalist Helio Contreiras geschrieben hat. Die Militärs wollten um jeden Preis die Ausbreitung des Kommunismus in Amerika verhindern. Die Version von Burger wurde von dem uruguayischen Ex-General Víctor Licandro bestätigt, der heute Mitglied in der Führung des Linksbündnis Frente Amplio ist. Damals wurde er von seinen Kollegen kaltgestellt, weil er die repressive Politik gegen die Opposition nicht mittragen wollte. Licandro erinnert an den intensiven Druck durch Argentinien, Brasilien und die USA angesichts der Fortschritte der linken Kräfte in Uruguay. Sie sahen den Machtverbleib der traditionellen uruguayischen Parteien gefährdet. Die Invasionspläne wurden 1971 aufgegeben, nachdem der konservative Kandidat Juan María Bordaberry die Präsidentschaftswahlen gegen das Linksbündnis Frente Amplio gewann und den inneren Kriegszustand ausrief, um die „Tupamaros“ zu bekämpfen.

KOLUMBIEN

Korruption bei der Vergabe von Radiofrequenzen

(Montevideo/Bogotá, 30. Januar 1998, comcosur-Poonal).- Die Bundesstaatsanwaltschaft eröffnete offiziell eine Untersuchung gegen zwei ehemalige Minister von Präsident Ernesto Samper. Die beiden mußten im August 1997 wegen Beschuldigungen zurücktreten, Radiofrequenzen an der Regierung nahestehende Journalisten vergeben zu haben. Es handelt sich um den früheren Kommunikationsminister Rodriguo Villamizar und den Minister für Minen und Energie, Saulo Arboleda. Generalstaatsanwalt Jaime Bernal klagt sie an, bei der Frequenzvergabe das Prinzip der Transparenz verletzt und unter subjektiven Gesichtspunkten gehandelt zu haben. Beiden wird „Einflußhandel“ vorgeworfen, „ein schwerwiegendes Verhalten, das in der öffentlichen Verwaltung ausgemerzt werden muß“. Die Dinge kamen ans Tageslicht, nachdem die Zeitschrift „Semana de Bogotá“ einen Telefonmitschnitt zwischen den Ministern abdruckte. Darum vereinbarten diese, die Radiofrequenzen „miti y miti“ (Hälfte, Hälfte) an die Journalisten zu vergeben, die sich für Präsident Samper „eingesetzt haben“. Die Beschuldigten geben die Authentizität der Tonbandaufnahmen zu, berufen sich aber darauf, ihr Recht auf Privatsphäre sei verletzt worden, da die Telefonverbindung ohne richterliche Anordnung abgehört wurde. Der Fall wird noch pikanter durch die Person eines der Begünstigten. Mario Alfonso Escobar, ein altbekannter Radiomoderator, der bei den wichtigsten Sendern arbeitete, wurde im vergangenen September verhaftet. Er soll Gelder vom Drogenkartell aus Cali bekommen haben.

NICARAGUA

„Barricada“ doch geschlossen

(Managua, 2. Februar 1998, pulsar-Poonal).- Trotz anderslautender Vereinbarungen erscheint die Zeitung „Barricada“ der Nationalen Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) seit Anfang dieses Monats nicht mehr (vgl. Poonal 322). Direktor Tomás Borge begründet den Schritt mit wirtschaftlichen Problemen und kündigt die baldige Rückkehr des Blattes an. Ohne daß an den wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei der „Barricada“ Zweifel geäußert werden, gibt es aber auch Versionen über Meinungsverschiedenheiten, die den weiteren politischen Kurs betreffen. Viele der 275 Beschäftigten, darunter 25 Journalist*innen, hatten sich bereit erklärt, vorübergehend auf ihren Lohn zu verzichten, um das Erscheinen der Zeitung zu sichern.

COSTA RICA

Knapper Wahlausgang

(Mexiko-Stadt, 3. Februar 1998, Poonal).- Der neue Präsident von Costa Rica heißt wie erwartet Miguel Angel Rodríguez (vgl. Poonal 324). Dennoch lieferte das Ergebnis Überraschungen. Der Politiker der bisherigen Oppositionpartei der Sozialchristlichen Einheit (PUSC) erreichte mit 46 Prozent der Stimmen nur zwei Prozent mehr als sein einziger ernsthafter Rivale, José Miguel Corrales von der regierenden Partei der Nationalen Befreiung (PLN). Nach dem Wahlrecht in dem mittelamerikanischen Land ist dieses Resultat für Rodríguez ausreichend. Ihm war jedoch ein bedeutend besseres Ergebnis vorausgesagt worden. Die zweite Überraschung bestand in der Wahlenthaltung von etwa 30 Prozent (650.000 von 2 Millionen Wahlberechtigten) der Bevölkerung. Das ist für Costa Rica beispiellos. Schon die prophezeiten 20 Prozent wahlmüder Costarikaner*innen hätten einen Rekord dargestellt. Im 57köpfigen Parlament wird das seit 50 Jahren andauernde Wechselspiel der Mehrheiten von PUSC und PLN weitergehen. Die PLN verlor neben dem Präsidentenamt auch ihre beherrschende Stelle in der Abgeordnetenversammlung. Die PUSC wird zukünftig 29 Abgeordnete haben, die PLN nur noch 22. Die restlichen sechs Sitze teilen sich vier Parteien.

KUBA

Castro klagt spanische Kolonialherrschaft an

(Havanna, 3. Februar 1998, pl-Poonal).- Während des Papstbesuches kündigte die kubanische Führung an, ein Denkmal für die Opfer des spanischen Kolonialismus zu errichten. Nach der pikierten Reaktion der spanischen Regierung legte Kubas Präsident Fidel Castro am 3. Februar im Fernsehen noch einmal ausführlich seine Meinung zu dem Thema dar. Er versicherte, mit seinen Anklagen gegen die Eroberung und die Sklaverei keineswegs Spanien oder das spanische Volk, für das er Sympathie und Bewunderung fühle, verletzen zu wollen. Castro erinnerte aber daran, daß die Ureinwohner*innen der Insel während der spanischen Eroberung vollständig vernichtet und mehr als eine Million Menschen aus Afrika nach Kuba in die Sklavenarbeit geführt wurden.

„Wir sprechen nicht die Spanier*innen schuldig, sondern das Kolonialsystem“, so der Staatspräsident. „Wir beschuldigen und klagen das Sklavensystem an. Wir klagen Systeme und nicht Völker, nicht die Spanier*innen an. Ich möchte dies ausdrücklich klarstellen.“ Castro wies den Vorwurf zurück, sein Land verleugne die Beiträge Spaniens zur Kultur, Wissenschaft und Gesetzen. Dies hatte Spaniens Außenminister Abel Matutes indirekt Ende vergangener Woche erklärt. Matutes sieht in der spanischen Kolonialisierung „sehr viel mehr positive als negative Aspekte“. Er erwähnte die seiner Meinung nach „zivilisatorische Arbeit Spaniens“ an Orten, wo es Kannibalismus und Menschenopfer gegeben habe.

Fidel Castro entgegnete dem, er erkenne die Beiträge zur Kultur durch die Evangelisierung des Kontinentes zwar an. Damit seien die Eroberungs- und Kolonialisierungskriege aber nicht gerechtfertigt. Der kubanische Regierungschef ging im Fernsehen direkt auf die Absicht ein, ein Denkmal für die Opfer in den Konzentrationslagern auf Kuba in den letzten Jahren des Unabhängigkeitskrieges im vergangenen Jahrhundert zu errichten. In diesem Kontext versicherte er ein weiteres Mal, damit solle nicht das spanische Volk verletzt werden. Es sei aber mehr als gerecht, den mehr als 300.000 Opfern des damaligen Holocaust eine Ehrung zukommen zu lassen. Es habe sich in der Mehrheit um Kinder, alte Menschen und Frauen gehandelt, den verwundbarsten Teil der damaligen Inselbevölkerung. Die sogenannte „Reconcentracion“ des spanischen Generals Valeriano Wyler habe eine Vorgängerrolle bezüglich der Nazilager des jüdischen Holocaust und der strategischen Modelldörfer der USA im Vietnamkrieg gespielt.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Peña Gómez kehrt in die Politik zurück

(Santo Domingo, 30. Januar 1998, pulsar-Poonal).- Oppositionsführer José Francisco Peña Gómez von der Revolutionären Dominikanischen Partei (PRD) tritt zu den Bürgermeisterwahlen der Hauptstadt an. Der dreimalige Präsidentschaftskandidat kehrt damit in die Politik zurück, aus der sich nach einer Krebserkrankung zurückgezogen hatte. Der 61jährige will versuchen, seiner Partei neuen Aufschwung zu geben und sie und sich für die Präsidentschaften im Jahr 2000 vorbereiten. Die Bürgermeisterwahlen in Santo Domingo sind im Mai.

VENEZUELA

Der „Schwarze Papst“ bekräftigt Option für die Armen

(Caracas, 3. Februar 1998, pulsar-Poonal).- Der Holländer Peter- Hans Kolvenbach, Chef der weltweit 23.000 Jesuiten, äußerte auf einer Konferenz harte Kritik an der Haltung der Gesellschaft gegenüber den Armen. Die großen wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in Lateinamerika seien nicht akzeptabel. Sie widersprächen der von der Kirche vorgeschlagenen Option für die Armen, die, so sollte man annehmen, von den katholischen Regierungsinhabern akzeptiert sei. Der Jesuitenchef beklagte die Tendenz, die Armen „abzuschaffen“ und das Leben so zu organisieren, ohne mit ihnen in Kontakt zu kommen. Er werde an die Armen nur im Zusammenhang mit den sogenannten sozialen Kosten erinnert. Als ein Beispiel nannte er die Siedlungen außerhalb der Städte, in denen es alle Dienstleistungen und Waren im Überfluß gebe und der Kontakt mit den Armen vermieden werde. Die Option für diese sei in Lateinamerika jedoch keine leere Formel, sondern Nährstoff für soziale und politische Vorstellungen. Der Chef des Jesuitenordens wird wegen seiner Kleidung und wegen der Macht der Jesuiten innerhalb der katholischen Kirche auch der „schwarze Papst“ genannt. In den letzten Jahren hat der Orden jedoch gegenüber der ultrakonservativen Organisation des Opus Dei an Einfluß verloren.

CHILE

Wenig Begeisterung für neuen Kardinal

(Santiago de Chile, 27. Januar 1998, pulsar-Poonal).- Unter den chilenischen Katholik*innen gibt es Widerstand gegen die vom Papst angekündigte Ernennung des Bischofs Jorge Medina zum Kardinal. Sie beschuldigen ihn, während der Verbrechen der Militärdiktatur komplizenhaft geschwiegen zu haben. Außerdem wird ihm von Menschenrechtsorganisationen vorgeworfen, den Amtsantritt von General Augusto Pinochet als Senator auf Lebenszeit zu unterstützen. Von Rom aus setzte sich Medina einen Tag nach dem Papstwort für Pinochet als Senator ein. 21 Vertreter*innen aus katholischen Gruppen gaben eine öffentliche Erklärung ab, in der es heißt, Medina verdiene es nicht, Kardinal zu sein. Er habe sich permanent mit der Diktatur identifiziert. Zu den Unterzeichner*innen gehören der christdemokratische Senator Jorge Lavandero, der Abgeordnete Vicente Sota von der Partei für die Demokratie, der Vorsitzende der Organisation Servicio Paz y Justicia-Chile (Frieden und Gerechtigkeit-Chile) Luis Cárdenas sowie weitere Akademiker*innen, Theolog*innen und Persönlichkeiten katholischer Einrichtungen. Sie wollen ihre Erklärung dem Papst zukommen lassen.

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