Poonal Nr. 322

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 322 vom 15. Januar 1998

Inhalt


MEXIKO

USA/LATEINAMERIKA

GUATEMALA

KUBA

HAITI

COSTA RICA

EL SALVADOR

NICARAGUA

HONDURAS

BELIZE/USA

GUYANA

ECUADOR

URUGUAY

SPANIEN/LATEINAMERIKA

CHILE

PARAGUAY


MEXIKO

Weiteres Todesopfer staatlicher Repression in Chiapas –

mexikanische Polizei schießt auf Demonstranten

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 13. Januar 1998, Poonal).- In dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas haben sich die Befürchtungen über weitere Gewaltakte bewahrheitet. Eine 38jährige Frau starb am Montag an ihren Verletzungen, als eine in der Kleinstadt Ocosingo stationierte Sondereinheit der Polizei auf demonstrierende Indígenas schoß. Das zweijährige Kind der Frau sowie eine weitere Person erlitten Schußverletzungen. Die staatlichen Sicherheitskräfte eröffneten aus sicherer Entfernung das Feuer auf die Demonstranten, nachdem diese sie zuvor mit einigen Steinwürfen aus ihrem Kontrollposten vertrieben hatten. Die Indígenas aus zahlreichen chiapanekischen Organisationen wollten mit ihrem Marsch, der bis zur Stadt San Cristóbal führen sollte, die Forderungen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) unterstützen und gegen das Massaker von Acteal protestieren, bei dem am 22. Dezember Paramilitärs 45 wehrlose Menschen ermordeten. Die mexikanische Armee nahm in den Stunden nach den Schüssen von Ocosingo knapp 30 Polizisten fest.

Der erst seit vergangenen Mittwoch amtierende neue Gouverneur von Chiapas, Roberto Albores, kündigte eine konsequente Aufklärung des Falles an. Er will ebenso die Polizei in dem Bundesstaat neu strukturieren und gibt indirekt die fehlende Glaubwürdigkeit der staatlichen Behörden zu. Dies trifft insbesondere auf die Sicherheitskräfte zu. In dem Ort Los Chorros wurde am Montag der Polizeikommandant verhaftet. Er soll den Paramilitärs bei der Logistik für das Massaker von Acteal entscheidend geholfen haben. Immer häufiger wird in den vergangenen Tagen von Staatsterror in Chiapas gesprochen und die Situation mit im Nachbarland Guatemala Anfang der 80er Jahre verglichen. Damals führte die dortige Militärregierung einen gnadenlosen Krieg gegen die Indígena- Bevölkerung, um der guatemaltekischen Guerilla den Boden zu entziehen.

Die mexikanische Bundesregierung muß sich von der Opposition den Vorwurf gefallen lassen, in Chiapas einen Zustand von Unregierbarkeit geduldet oder sogar wissentlich gefördert zu haben. Sie versucht nun angesichts der großen nationalen und internationalen Proteste, zu retten, was noch zu retten ist. Derzeit dreht sich das Personalkarussel ständig. Der nach dem Rücktritt seines Vorgängers vor anderthalb Wochen frisch gekürte Innenminister Francisco Labastida ernannte mit Emilio Rebasa einen neuen Regierungsbeauftragten der Regierung für Chiapas. Rebasa löste Pedro Joaquín Coldwell ab, der es nicht schaffte, die seit dem September 1996 suspendierten Verhandlungen mit der EZLN wieder in Gang zu bringen. Ein grundsätzlicher Sinneswandel der Regierung für die Konfliktlösung in Chiapas ist trotz der jüngsten Vorkommnisse noch nicht abzusehen.

Am Montag protestierten in der Hauptstadt und an anderen Orten im Land mehrere zehntausend Menschen nicht nur gegen das Massaker in den Vorweihnachtstagen und die Bestrafung der intellektuellen und materiellen Täter. Sie forderten auch die Erfüllung der Abkommen von San Andrés zwischen Regierung und aufständischen Zapatisten aus dem Februar 1996, in denen es um die Indígenarechte und – Kultur geht. Ohne entscheidende Schritte in diesem Punkt, sowie die energische Bekämpfung der Paramilitärs durch die staatliche Seite und einen Stopp der verdeckten Offensive der Bundesarmee im direkten Einflußgebiet der EZLN werden Gespräche mit den Zapatisten kaum möglich sein. Der Vorfall vom Wochenanfang hat nicht nur den Protesten eine weitere traurige Aktualität verschafft, sondern gezeigt, wie weit ein möglicher Neuanfang der Gespräche entfernt ist.

Subcomandante Marcos warf der Regierung vor, nach den jüngsten Ereignissen den Frieden zu simulieren, aber den Krieg zu praktizieren. Die Armee verfolge die Zapatisten statt die Paramilitärs, und wolle statt letzterer in Wahrheit die EZLN entwaffnen. Der Kommandant der siebten Militärregion in Chiapas führe einen „Staatsstreich“ an. Innenminister Labastida wies dies zurück, verteidigte das massive Eingreifen und die Präsenz der Bundesarmee in Chiapas und erklärte es zur Verantwortung der Zapatisten, Zusammenstöße zu vermeiden.

USA/LATEINAMERIKA

Das Drama der Immigrant*innen, Teil I

Von Eduardo Tamayo G.

(Washington, Dezember 1997, alai-Poonal).- „Immigrant*innen ohne Sicherheiten“, „USA verschärft die Vorschriften“, „mit Razzien auf der Suche nach Illegalen“, „Fabriken geschloßen und Immigrant*innen verhaftet“, „schwieriges Jahr für lateinamerikanische Immigrant*innen“. Das sind einige der Schlagzeilen aus lateinamerikanischen Zeitungen, die für sich sprechen, wenn es um die dramatische Lage geht, in der die Einwander*innen in den USA leben. Die fünf Millionen Immigrant*innen, die in der Hoffnung auf das Paradies ihre Herkunftsländer verließen und heute der Hölle von Verfolgung und Ausweisung gegenüberstehen, durchleben eine Mischung aus Angst, Desinformation und Ungewißheit, nachdem die harten Gesetzesverfügungen gegen die Einwanderung von Kongreß und US-Regierung verabschiedet und in Kraft gesetzt wurden. Eine wahre Menschenjagd hat begonnen. Die Einbürgerungs- und Einwanderungsbehörde (SIN), besser bekannt als die „Migra“, widmet sich der Durchsuchung von Fabriken, um diejenigen, die keine legalen Aufenthaltspapiere haben, zu verhaften und ohne viel Federlesens an der Grenze mit Mexiko abzusetzen. Früher begrenzten sich die Aktionen der Migra auf die Bundesstaaten Arizona und Kalifornien. Jetzt hat die Behörde ihre repressiven Operationen auf andere Staaten der Union ausgedehnt – eine Warnung, daß kein Immigrant sich sicher fühlen kann. So hat die Migra in diesem Jahr 20 Durchsuchungen von Arbeitsstätten in Iowa und Nebraska vorgenommen und im Anschluß daran 2.400 Personen, darunter Minderjährige, deportiert.

Armut wird bestraft

„Du bist soviel wert wie Du besitzt“, scheint der angewendete Wahlspruch der Behörden zu sein. Am 6. November 1997 führte die SIN eine Razzia in Manhattan durch. Die Agenten nahmen 28 Arbeiter fest, die verdächtigt wurden, ohne Dokumente in den USA zu sein. Sie brachten sie in ein Haftzentrum in New Jersey. 21 wurden am folgenden Tag freigelassen, nachdem sie eine Kaution von 7.000 Dollar bezahlten und bewiesen einziger wirtschaftlicher Unterhalt für ihre Frauen und Kinder zu sein. Die übrigen sieben Arbeiter blieben verhaftet, weil sie das Geld nicht aufbringen konnten und mußten die sofortige Deportation befürchten. Die Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Einwander*innen sind an der Tagesordnung, insbesondere im Moment der Ausweisung. Eine von der 1994 entstandenen Organisation „Breites Bündnis zur Verteidigung des Migranten“ in den ersten drei Aprilwochen 1997 vorgenommene Überwachung an der Grenze zwischen den USA und Mexiko ergab durchschnittlich 2.500 Deportationen pro Tag nur in den Grenzstädten von Baja California. Viele dieser Deportationen geschehen nachts und setzen vor allem Frauen und Kinder einem hohen Risiko aus. Oft wissen die Ausgewiesenen nicht, in welchen Städten sie sich befinden, verfügen über kein Geld und haben keine Möglichkeit Unterkunft, Transport oder sogar nur Trinkwasser zu bekommen.

Aus 50 Zeugenaussagen von Männern, Frauen und Kindern, die das „Breite Bündnis“ zusammenstellte, wird deutlich, daß die Immigrant*innen nicht immer über Rechte informiert werden und ihnen oft keine Telefonanrufe erlaubt werden. Sie werden von ihren Angehörigen, von Eigentum und Geld getrennt und unterschreiben ihre freiwillige Ausreise unter Drohung und ohne die Hilfe eines Dolmetschers. Einige werden unter unmenschlichen Bedingungen transportiert: mit Hand- und Fußschellen gefesselt, zusammengepfercht, ohne ausreichende hygienische Vorrichtungen. Viele sind körperlichen und verbalen Attacken ausgesetzt, oft werden ihre Ausweise zerstört.

Die Mauern sind nicht gefallen

Die Verschärfung der US-Einwanderungspolitik ist Teil eines umfassenderen Phänomens, das mit der Internationalisierung der Wirtschaft, auch Globalisierung genannt, und dem tiefer werdenden Riß zwischen Norden und Süden zu tun hat. Zuerst war es die Europäische Gemeinschaft, die scharfe Maßnahmen ergriff, um die Einwanderung von Afrikaner*innen, Asiat*innen und Lateinamerikaner*innen zu stoppen. Jetzt sind es die USA. In beiden Fällen gibt es große Übereinstimmungen, denn sie nähren sich aus einer abqualifizierenden, rassistischen und ausschließenden Ideologie, die die Immigrant*innen aufgrund von Aussehen, Hautfarbe und (fehlender) Wirtschaftskraft verfolgt. In beiden Fällen müssen die Einwander*innen als Sündenböcke herhalten für die Konflikte und Probleme, die die reichen Länder stören. Dabei handelt es sich nicht nur um die wachsenden Haushaltsdefizite, sondern um Dinge wie massive Drogensucht, Anstieg der Kriminalität, Rechtsterrorismus, Arbeitslosigkeit und Armut (das UNO- Entwicklungsprogramm (UNDP) verzeichnet in seinem Jahresbericht 1997 in den entwickelten Ländern 100 Millionen Arme und 37 Millionen Arbeitslose).

Nach dem Fall der Berliner Mauer, die Sozialismus und Kapitalismus trennen wollte, errichtete man in Europa eine neue imaginäre Barriere, um den fetten Norden vom abgemagerten Süden zu trennen. Den USA ihrerseits kommt die zweifelhafte Ehre zu, an der Grenze mit Mexiko eine neue Mauer hochgezogen zu haben, um den Armen, die aus der Karibik sowie Mittel- und Südamerika kommen, den Weg zu versperren. Diese Mauer fordert mehr Opfer als die Berliner Mauer und heute ist sie als der „Todespaß“ bekannt. Von Januar bis September 1997 wurden nach den Daten des Breiten Bündnis zur Verteidigung des Migranten dort 54 Tote gezählt. Ein Anstieg um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Ausschliessende Weltunordnung In den 70er und 80er Jahren waren die Motive, in die USA einzuwandern, vorrangig politischer Art: Verfolgung durch Militärdiktaturen, Kriege, Gewalt. In der Dekade der 90er Jahre, herrschen die sozialen und wirtschaftlichen Gründe vor: Bevölkerungswachstum, Armut, Arbeitslosigkeit, Ausschluß, Lohnverfall, fehlendes Land zum Anbau. Das Globalsierungsschema bringt wirtschaftliche und soziale „Unordnung“ mit sich, die die Wanderungsströme fördert.

– Sich vertiefende Ungleichheiten zwischen dem Norden und dem Süden;

– die Konzentration des Reichtums im Süden;

– die Zerstörung der Natur (die Länder des Südens überausbeuten ihre Naturschätze, um die Verpflichtungen der Auslandsschulden erfüllen zu können);

– das Durchsetzen einer Anpassungspolitik von durch den Norden kontrollierten Finanzeinrichtungen;

– die Transnationalisierung der Ökonomie und die Abkehr vom Industrialisierungsmodell;

– die beschleunigte Entwicklung der Technologie;

– der Abbau des Staates und die Abkehr von Sozialpolitiken.

Das alles hat die soziale und wirtschaftliche Situation in Lateinamerika verschärft und läßt den Kontinent Arbeitskraft ausstoßen. Große Menschenmengen sehen sich ohne Mittel für den Lebensunterhalt. Sie sind gezwungen, vom Land in die Stadt, von einem Land in ein anderes und sogar von einem Kontinent in den anderen zu wandern. Die nationalen Grenzen zu überschreiten, ist eine der Überlebensstrategien. Nicht nur für die Armen, sondern ebenso für die Fachkräfte, die keine Arbeitsgelegenheiten in den Ländern finden, die in ihre Ausbildung investierten. Die Existenz von verwandtschaftlichen und anderen sozialen Bindungen zwischen den ausstoßenden und den empfangenden Ländern ist dabei ein Faktor, der die Auswanderungen erleichtert und fördert.

Grenzschliessung

Der Kreuzzug gegen die Einwanderung begann in der Reagan- Regierung, hat jedoch mit der Clinton-Administration an Schärfe gewonnen. Angestoßen von den republikanischen Hardlinern ist er durch die Demokraten abgesegnet und in die Praxis umgesetzt worden. Mit der Verabschiedung des Gesetzes 187 in Kalifornien im Jahr 1994 – für das sich der Gouverneur des Bundesstaates, Pete Wilson, einsetzte – wurden den Einwander*innen ohne gültige Papiere Sozialhilfe, Gesundheits- und Bildungsdienste verweigert. Gleichzeitig begann die Operation „Wächter“, um die Grenzkontrolle zu verstärken, wobei die ausgeklügelste Technik verwendet wird.

Diese Maßnahmen alarmierten die „hispanischen“ Gemeinden. Sie gingen auf die Straße ohne die offizielle Tendenz, die Bedingungen für die Immigrant*innen zu verschärfen, entscheidend verändern zu können. Am 30. September 1996 wurde das Gesetzespaket verabschiedet, das die Einwanderungsbestimmungen der USA ändert. Ein Teil der neuen Regelungen trat mit sofortiger Wirkung in Kraft, ein anderer ab dem 1. April 1997. Mit dem Gesetz wurden allen Einwander*innen, die im Land bleiben wollten, eine Frist von sechs Monaten für den Versuch gesetzt, ihre Situation zu legalisieren. Diese Frist wurde vom US-Kongreß zweimal verlängert.

GUATEMALA

Wahrheitskommission mit Regierung unzufrieden – deutliche Worte

von Tomuschat

(Guatemala-Stadt, 8. Januar 1998, cerigua-Poonal).- Fehlende Kooperation von seiten der Armee und der Regierung könnten die offizielle Version über Menschenrechtsverletzungen in Kriegszeiten löchrig erscheinen lassen. In diesem Sinne äußerte sich der deutsche Rechtsprofessor Christian Tomuschat, Vorsitzender der sogenannten Wahrheitskommission in Guatemala. Ebenso werde ein schlechtes Licht auf die Anstrengungen dieser Institutionen geworfen, sich selbst von der häßlichen Vergangenheit des Landes zu distanzieren, erklärte Tomuschat in einem Interview gegenüber der Tageszeitung „Prensa Libre“. Er fuhr fort: „Wir müssen die Archive der präsidentiellen Militärgarde (EMP), des G-2 (Militärgeheimdienst) und der Regierung durchsehen können. Bisher wurde uns nur erlaubt, die Kampagnen und Jahrespläne von 1982 und 1983 zu sehen und fast nichts über die kritische Zeit.“

Tomuschat sprach von starken Hinweisen auf die Verwicklung der Armee in die meisten Kriegsverbrechen. Diese habe die Chance zur Zusammenarbeit. Sie könne die vergangenen Verbrechen eingestehen und beweisen, nicht wieder an solchen Vorkommnissen beteiligt sein zu wollen. Der Kommissionsvorsitzende rief die Regierung auf, „zu zeigen, daß sie demokratisch ist und die Menschenrechte respektiert“, indem sie Informationen zur Verfügung stellte. Die früheren Guerilleros der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) seien hilfsbereiter gewesen. In ersten Treffen habe es positive Signale ihrer Führung und Dokumente gegeben. „Delikate Angelegenheit“ seien noch nicht berührt worden. Es gebe aber im Gegensatz zur Armee das „feierliche Versprechen“ der Guerilla, alles Fall für Fall zu diskutieren.

Von Regierungsseite sind die Tadel von Tomuschat wenig erfreut aufgenommen worden. Gustavo Porras, offizieller Vertreter in der Kommission zur Begleitung des Friedensprozesses beschuldigte den Professor, sein Mandat zu überschreiten. Zudem habe die Regierung bereits Indizien in 90 von 150 bisher verlangten Fällen zur Verfügung gestellt. „Sie müssen daran denken, daß es sich um einen schmutzigen Krieg handelte. Da ist es logisch, daß es in vielen Fällen über die ausgeführten Aktionen der jeweiligen Seite keine Belege gibt“, kommentierte Porras. Im Mai will die Wahrheitskommission ihren ersten Bericht aufgrund ihrer bis dahin vorgenommenen Auswertungen vorlegen.

Abgeordnete wollen Lobbyarbeit für Landsleute in den USA machen

(Guatemala-Stadt, 6. Januar 1998, cerigua-Poonal).- Guatemaltekische Parlamentarier*innen wollen sich bei ihren US- Kolleg*innen für eine Amnestie einsetzen, damit etwa 8.000 in den USA lebende Guatemaltek*innen nicht deportiert werden. Rafäl Barrios Flores von der regierenden Partei der Nationalen Vorhut (PAN) erklärte diese Fürsprache für notwendig, damit während des internen Krieges in die USA geflüchteten Personen nicht zwangsweise zurückgeschickt würden, obwohl sie lieber im Exilland bleiben wollten. Er nannte als einen Beweggrund für die Aktivität der Abgeordneten, eine Massendeportation würde die Lage auf „dem bereits überfluteten Arbeitsmarkt“ in Guatemala verschärfen. Auch würde der Verlust an Geldüberweisungen durch in den USA lebende Guatemaltek*innen bedeutend sein. Flores schlägt eine Amnestie für die Personen vor, die vor dem offiziellen Kriegsende am 29. Dezember 1996 aus Guatemala in die USA kamen und verweist auf eine ähnliche Regelung für die Exil-Nicaraguaner*innen.

KUBA

Wahlen für Landes- und Provinzparlamente ohne große Überraschungen

(Havanna, 13. Januar 1998, pl-Poonal).- Bei den Wahlen vom vergangenen Sonntag für das kubanische Parlament bestätigten die Wähler*innen nach offiziellen Angaben alle 601 Kandidat*innen. Auch die 1.192 Abgeordneten für die 14 Provinzparlamente erreichten die Zustimmung der Kubaner*innen. Gegenkandidat*innen gab es nicht. Die Beteiligung lag bei über 98 Prozent. Auf Kuba besteht kein Wahlzwang, doch wird der Urnengang von der Regierung als patriotische und moralische Pflicht propagiert. Die Zahl der nicht ausgefüllten oder ungültigen Stimmzettel beträgt laut Aussage der Nationalen Wahlkommission 5 Prozent. Zu den erneut bestätigten Abgeordneten gehören Präsident Fidel Castro und sein Bruder Raúl Castro. Für sie verzeichnete die Wahlkommission nach der Auszählung jeweils Resultate von über 99 Prozent.

Obwohl die Parlamentswahlen auf den ersten Blick kaum Erstaunenswertes zeigen, heben sie sich dennoch in einigen Dingen von vorausgegangen Wahlen ab. 65 Prozent aller Abgeordneten kommen erstmals in das kubanische Parlament. Dies bedeutet eine Zäsur. Zudem ist der Frauenanteil gestiegen. Nun gibt es 166 weibliche Abgeordnete, in der vergangenen Parlamentsperiode waren es noch 32 weniger. Das neue Parlament wird voraussichtlich am 24. Februar zusammentreten und für fünf Jahre Bestand haben. Es ist offiziell das einzige Machtorgan, daß über Verfassungs- und Gesetzesvorhaben entscheiden kann. Aus seiner Mitte wird der 31köpfige Staatsrat gewählt.

Niedrigste Kindersterblichkeit

(Havanna, 5. Januar 1998, pulsar-Poonal).- Trotz Krise und Wirtschaftsblockade konnte Kuba im vergangenen Jahr die bisher niedrigste Kindersterblichkeit in seiner Geschichte verzeichnen. Nach den Angaben von Gesundheitsminister Carlos Dotres starben nur 1997 nur sieben von tausend lebend geborenen Babys. Diese Zahl ist nur mit den Daten in den Industrieländern vergleichbar. Im weltweiten Durchschnitt sterben 60 von tausend lebend geborenen Babys, soviel wie auf Kuba im Jahr 1959, als das Batista-Regime von den kubanischen Revolutionären gestürzt wurde. In Lateinamerika ist Kuba in diesem Bereich der Gesundheitsversorgung unangefochten auf dem ersten Platz. In Gesamtamerika weisen nur die USA und Kanada leicht bessere Zahlen auf.

HAITI

Land immer noch ohne wirklichen Premierminister

(Port-au-Prince, 30. Dezember 1997, pulsar-Poonal).- Auch der zweite von Präsident René Préval vorgeschlagene Kandidat für das Amt des Premierministers findet bei den haitianischen Abgeordneten bisher keine Mehrheit. Sie gaben Herve Denis nicht die nötigen Stimmen, um ihn offiziell zum Premier zu küren. Parlamentspräsident Kelly Bastien erklärte den „Fall Denis“ sogar für abgeschlossen.

COSTA RICA

Wahlapathie

(San José, 6. Januar 1998, pulsar-Poonal).- Am 1. Februar sind in Costa Rica allgemeine Wahlen. Ein großes Interesse ist bei der Bevölkerung kurz vor diesem Datum nicht festzustellen. Fast 800.000 wahlberechtigte Personen des kleinen mittelamerikanischen Landes wissen nach Umfragen noch nicht, ob sie überhaupt wählen werden. Die Gesamtzahl der potentiellen Wähler*innen liegt bei zwei Millionen. Der Wahlkampf beschränkt sich auf Werbung in den Zeitungen und im Fernsehen. Damit wird das Abkommen zwischen den wichtigsten politischen Parteien erfüllt, keine Plakate und Flugblätter in Umlauf zu bringen, um bei den Wahlkampfkosten zu sparen. Die Meinungsforscher*innen sehen in Miguel Angel Rodríguez von der oppositionellen Partei der Sozialchristlichen Einheit den kommenden Präsidenten Costa Ricas. Er kann mit derzeit etwa 35 Prozent Unterstützung rechnen. Im folgt José Miguel Corrales von der regierenden Partei der Nationalen Befreiung mit 23 Prozent der WählerInnenstimmen.

EL SALVADOR

Die Rechte auf der Suche nach Verbündeten

Von Juan José Dalton

(San Salvador, 11. Januar 1998, npl).- Vor genau 18 Jahren begannen die in einem einzigen Bündnis zusammengeschlossenen Guerilla-Gruppen im Land ihre erste große militärische Offensive, um die Macht zu übernehmen. Die Scharmützel der Aufständischen gegen die staatlichen Sicherheitskräfte verwandelten sich in richtige Gefechte und es begann der zwölfjährige interne Krieg. In dieser Zeit verloren mehr als 70.000 Menschen ihr Leben, etwa eine Million floh ins Ausland und die wirtschaftliche Infrastruktur wurde zerstört.

Die Rechte flüchtete sich in den Schutz der Streitkräfte, um die herrschende Ordnung zu verteidigen. Trotz der Stärke, die die Nationale Befreiungsfront Farabundi Martí (FMLN) erreichte – eine Truppenstärke von mehr als 7.000 Männern und Frauen in Waffen sowie eine starke Bewaffnung einschließlich Luftabwehrraketen – konnte sie die offiziellen Militärs nicht besiegen. Diese hatten die volle Unterstützung aus Washington und des einheimischen Kapitals. Zu Beginn der vergangenen Dekade formierte sich die Ultrarechte in ihrer politischen Ausformung als Republikanisch- Nationalistisches Bündnis (ARENA). Diese Partei war von Anfang an aufs Engste mit dem schmutzigen Krieg der Todesschwadronen verbunden.

Heute sieht die Wirklichkeit in El Salvador anders aus. Die Konfrontation der ehemaligen Antagonisten wird zusehends Geschichte. Alle Gruppen einschließlich der beiden wichtigsten politischen Blöcke – FMLN und ARENA – suchen nach Vereinbarungen. Vor allem in der ARENA-Partei ist die Politik der Allianzen eine Neuheit. Nach sechs Jahren eines komplizierten Versöhnungsweges unter der Vorherrschaft von ARENA an der Regierung haben die von der FMLN angeführten Linkskräfte die realistische Möglichkeit, die Regierung im Land zu übernehmen. Ohne einen einzigen Schuß abzugeben, sondern durch die Stimmen der Wähler*innen. Die jüngsten Meinungsumfragen sehen die ehemalige Guerilla auf dem ersten Platz. Bei den Kommunal- und Parlamentswahlen im März 1997 konnte die FMLN bereits zum Republikanisch-Nationalistischen Bündnis (ARENA) aufschließen. Dessen Regierung unter Präsident Armando Calderón betreibt nach Einschätzung der einheimischen Beobachter*innen eine verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik und bringt dem Land mehr Frustration und Armut.

Mit einer kritisierten Führung, heftigen inneren Auseinandersetzungen, von Korruption durchsetzt und von einer wiederauferstandenen – nach den jüngsten Vorstandswahlen allerdings nun in Richtung Sozialdemokratie geschwenkten – Linken bedrängt, schickt sich ARENA nun an, die von ihr gehaltene wirtschaftliche und politische Macht zu teilen. So will die Partei Bündnisse mit den rechten Gruppen festzurren, die frühere zu ihr tendierten, in den vergangenen Monaten im Parlament jedoch an der Seite der Linken standen.

Die sogenannten Zentrumsparteien, die Christdemokratie (PDC), die vorher mit der Nationalen Befreiungsfront Farabundi Martí (FMLN) verbündete Demokratische Konvergenz (CD) und die von der FMLN abgespaltene Demokratische Partei (PD) verhandeln momentan einen Einheitspakt, um mit einer gestärkten eigenen Position sowohl mit dem ARENA wie auch mit der FMLN über eine Allianz sprechen zu können. Auf der anderen Seite glaubt die Regierungspartei, die konservative Partei der Nationalen Versöhnung (PCN) und die kürzlich formierte Bewegung Demokratisch-Republikanische Liga (LIDER) in ihren Einflußbereich ziehen zu können.

Innenminister Mario Acosta, eine Führungspersönlichkeit innerhalb der Rechten, erklärt, ARENA sei realistisch und habe an andere Personen und politische Gruppen gedacht, die zum Machterhalt beitragen könnten. Die Ideologen der Rechten verkünden, um „das Land wirklich stabilisieren zu können, müßten die 'Areneros' mindestens 25 Jahre an der Regierung bleiben. Alfredo Cristiani, Ex-Präsident der Republik und derzeit die bestimmende Figur in ARENA, hat die neue Marschroute für die allgemeinen Wahlen 1999 bekräftigt: „Vielleicht kann ARENA es nicht alleine schaffen.“ Er fügt hinzu, daß viele von der Möglichkeit sprechen, alle übrigen Parteien könnten sich zu einem Block „alle gegen ARENA“ zusammenschließen, hofft aber, „alles wird ganz anders aussehen“.

Den simpelsten Antikommunismus propagierend möchte Cristiani – starker Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der Rechten – einen Block um sich herum gegen die FMLN scharen. Dieser wirft er vor, eine populistische und unbewegliche Staatsregierung installieren zu wollen, die ein Feind des privaten Unternehmertums und der demokratischen Freiheiten sei. Der neue FMLN-Vorsitzende Facundo Guardado hält dagegen, bei einem Wahlsieg der Linken werde die ehemalige Guerilla eine Regierung bilden, die das Land eine und alle gesellschaftlichen Gruppen beteilige. Es komme darauf an, El Salvador aus der Armut herauszuholen, gegen die die Hälfte der knapp sechs Millionen Landesbewohner*innen ankämpfen muß.

NICARAGUA

Barricada macht vorerst weiter

(Managua, Dezember 1997, pulsar-Poonal).- Die sandinististische Tageszeitung „Barricada“ wird trotz großer finanzieller Schwierigkeiten vorerst weiter bestehen. Dies gab ihr Direktor Tomás Borge bekannt. Er versprach zudem, die Schulden, die die Zeitung gegenüber der Mehrheit der 200 Mitarbeiter*innen hat, im Laufe des Januars zu bezahlen. Barricada wurde nach dem Triumph der sandinistischen Revolution im Juli 1979 gegründet. In den vergangenen sechs Monaten verschärften sich die finanziellen Schwierigkeiten. Die nicaraguanische Regierung und die Privatunternehmen boykottieren das Blatt und schalten dort im Gegensatz zu früheren Zeiten keine Werbeanzeigen mehr. Die Zeitung schuldet nicht nur Mitarbeiter*innen und Lieferant*innen Geld, sondern vor allem der staatlichen Sozialversicherung, bei der sie mit etwa 400.000 Dollar in Zahlungsverzug ist.

Maquila-Arbeiter*innen der Region organisieren sich

(Managua, Januar 1998, pulsar-Poonal).- Gewerkschaftsorganisationen aus Panama, Mexiko, Haiti, der Dominikanischen Republik, Guatemala, El Salvador und Costa Rica trafen sich in den letzten Tagen des vergangenen Jahres zur Ersten Internationalen Konferenz über Freizonen (in diesen von Ein- und Ausfuhrsteuern befreiten „Zonas Francas“ siedeln ausländische Unternehmen bevorzugt Teilfertigungsbetriebe an; die Red.). Das Ziel der in der Maquila-Industrie Beschäftigten war es, die zentralamerikanische ArbeiterInnenbewegung zu stärken. Sie gründeten die Regionalkoordination der Gewerkschaften der Maquila und der Freizonen. Zu den wichtigsten Forderungen gehört der Respekt vor der Gewerkschafts- und Organisationsfreiheit in den Betrieben.

HONDURAS

Noch ein Anti-Drogenzentrum?

(Tegucigalpa, 12. Januar 1998, pulsar-Poonal).- Der Vorschlag des scheidenden honduranischen Präsidenten Carlos Roberto Reina, den US-Luftwaffenstützpunkt Palmerola ähnlich dem Vorgehen in Panama (vgl. Poonal 321) in ein Anti-Drogenzentrum umzuwandeln, stößt bei den USA auf Gegenliebe. Botschafter James Frances Creagan spricht von einer „guten Idee“. Reina hatte sie auf einem Treffen auf den Bahía-Inseln einer Gruppe von US-Senatoren vorgestellt. Der Stützpunkt Palmerola in der Provinz Comayagua entstand Anfang der 80er Jahre. Derzeit sind dort 400 nordamerikanische Soldaten stationiert. Botschafter Creagan griff schon einmal vor: In dem zukünftigen Zentrum könnte die Ausbildung der honduranischen Polizei durch US-Experten für den Kampf gegen den Drogenhandel ausgeweitet werden.

BELIZE/USA

BID stoppt Kredit nach Indígena-Protesten

(Washington, Dezember 1997, pulsar-Poonal).- Zumindest ein vorübergehender Erfolg für die Mayas in Belize. Die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) behielt einen Kredit ein, der von Belizes Regierung für den Aus- und Weiterbau einer Straße durch die Gebiete der Indígenas beantragt worden war (vgl. Poonal 319). Dennoch wird allgemein damit gerechnet, daß die BID die Mittel am Ende für die Regierung freigibt. Die Entscheidung kann allerdings dazu dienen, die Verhandlungsposition der Indígenas gegenüber den einheimischen Behörden zu stärken. Sie fordern eindeutige Landtitel für sich. Anderenfalls befürchten sie, die Regierung werde das Land parzellieren und multinationalen Holzkonzernen zur Verfügung stellen. Über die neu gebaute Straße könnten diese dann die Urwaldbestände ausbeuten.

GUYANA

Erstmals eine Frau Präsidentin

(Georgetown, Dezember 1997, pulsar-Poonal).- Bei den Mitte Dezember in Guyana abgehaltenen Wahlen siegte die 77jährige Jane Jagan von der Fortschrittlichen Volkspartei mit gut 60 Prozent der Stimmen. Im Wahlkampf war sie ein Bündnis mit der linken „Bürgerbewegung“ eingegangen. Jagan wird die erste Frau im höchsten Staatsamt Guyanas sein. Die aus den USA stammende Politikerin ist die Frau des im vergangenen Jahr gestorbenen Präsidenten Cheddi Jagan.

ECUADOR

USA wollen Patente

(Quito, 7. Januar 1998, pulsar-Poonal).- Leslie Alexander, US- Botschafter in Ecuador, droht mit Wirtschaftssanktionen der USA, weil das Andenland das von beiden Ländern vor vier Jahren vereinbarte Abkommen über intellektuelles Eigentum nicht ratifiziert hat. Das Abkommen würde es erlauben, medizinische Pflanzen wie die Koka, die Ayaguashca oder das Drachenblut durch US-Forscher*innen patentieren zu lassen. Einmal im Besitz der Patente könnten nordamerikanische Pharma-Unternehmen ungehinderten Zugriff auf den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gewinn, den die Pflanzen erbringen, haben. Der ecuadorianische Außenminister wies die Drohungen zurück. Wenn das Parlament das Abkommen nicht ratifiziert habe, dann deshalb, weil es Absätze enthalte, die nachteilig für das Recht Ecuadors auf seine Biovielfalt seien. Das Land werde der Vergabe von Patenten nur zustimmen, wenn dies Produkt für Produkt und Pflanze für Pflanze analysiert werde.

URUGUAY

Unruhe unter Militärs

(Montevideo, 30. Dezember 1997, comcosur-Poonal).- Die Entscheidung des Präsidenten Julio Sanguinetti 41 unter der Diktatur von ihren Putschkollegen sanktionierten Offizieren ihre vollen militärischen Rechte zurückzugeben, hat für scharfe Reaktionen in der Armee gesorgt. Diese kann die moralische Wiedergutmachung für diejenigen ihrer Mitglieder, die den Staatsstreich von 1976 nicht guthießen und an den demokratischen Institutionen festhalten wollten, offenbar schlecht verkraften. Chefkommandant Raúl Mermont trat aus Protest zurück. Weitere Generäle sowie konservative und rechte Gruppen kritisierten den Schritt des Präsidenten. Einige Beobachter sprechen von einem geschickten Schachzug des gewieften Politikers Sanguinetti. Denn gleichzeitig weigert er sich beharrlich, neue Nachforschungen über den Verbleib der unter dem Militärregime verschwundenen Personen anzustellen.

SPANIEN/LATEINAMERIKA

Spaniens Präsident Aznar möchte unbequeme Prozesse gegen

lateinamerikanische Diktatoren loswerden

(Madrid, 5. Januar 1998, pulsar-Poonal).- Die spanische Regierung hat über den Bundesstaatsanwalt Eduardo Fungairino entscheiden lassen, daß es für die Nachforschungen spanischer Gerichte über das Schicksal der Spanier*innen, die während der Diktaturen in Argentinien und Chile verschwanden, keine rechtliche Grundlage gibt. Menschenrechtsgruppen zeigten sich empört. Die Untersuchungen über entsprechende Fälle von Folter und Verschwindenlassen fanden über ein Jahr lang im Rahmen von zwei Prozessen in Madrid statt, ohne daß die spanische Regierung sich offiziell dazu äußerte. Das staatliche Unbehagen wegen des strafrechtlichen Vorgehens gegen hochrangige Militärs in Argentinien und Chile war jedoch ständig spürbar. Die Prozesse komplizierten die Beziehungen Spaniens mit beiden Ländern, so ließen Funktionäre durchsickern. Das Angebot der US-Regierung den Madrider Richtern mit Dokumenten zu helfen, dürfte die Regierung von Präsident José María Aznar weiter beunruhigt haben. Die Richter wollen sich in ihrer Arbeit nicht stoppen lassen und berufen sich auf internationale Gesetze. Die spanischen Sozialisten und andere Oppositionsparteien forderten den Rücktritt des Bundesstaatsanwaltes.

CHILE

Guerilla will Kampf nicht aufgeben

(Santiago de Chile, 30. Dezember 1997, pulsar-Poonal).- Galvarino Apablaza, Führer der Guerilla-Bewegung Patriotische Bündnis Manuel Rodríguez (FPMR) erklärte in einem Interview mit der Zeitung „La Tercera“, seine Organisation habe sich neue Strukturen gegeben und suche die Verbindung mit politischen und sozialen Gruppen. Er schloß auch den bewaffneten Kampf nicht aus, sprach aber von einem „neuen politischen Projekt“. Die Guerilla entstand 1dD3 und setzte sich das bewaffnete Vorgehen gegen die Diktatur von General Augusto Pinochet zum Ziel. Bekannt als Comandante Salvador, gab Apablaza das Interview ein Jahr nachdem vier Führungsmitglieder des FPMR aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Santiago de Chile flohen. Von den vier flüchtigen Personen wurde Patricio Ortiz Montenegro am 4. September 1997 in der Schweiz verhaftet. Über die Rechtsgrundlagen seiner Verhaftung in der Schweiz gibt es heftige Auseinandersetzungen zwischen Familienangehörigen, FPMR- Sympathisant*innen und auch Menschenrechtsorganisationen auf der einen Seite sowie der Schweizer Regierung auf der anderen Seite. Die chilenischen Behörden haben die Auslieferung von Ortiz Montenegro beantragt.

Kein schöner Land in dieser Zeit für Pinochet

(Mexiko-Stadt/Santiago de Chile/Montevideo, 14. Januar 1998, comcosur/pulsar-Poonal).- In Chile wird der Widerstand gegen Augusto Pinochet immer größer. Eine breite Bewegung versucht doch noch zu verhindern, daß der General und Ex-Diktator Ende Januar ein Amt als Senator auf Lebenszeit antritt. Zwar gelang es der Führung der Christdemokratischen Partei, dem wichtigsten Mitglied der Regierungskoalition, die Initiative von fünf Abgeordneten aus den eigenen Reihen, eine Verfassungsklage gegen Pinochet anzustrengen, vorerst zu verschieben. Die Debatte über Pinochet stoppte sie aber nicht. Der Ruf nach einem politischen Prozeß gegen den greisen Militär verhallt nicht, obwohl der christdemokratische Präsident Eduardo Frei dies als „unangebracht“ bezeichnet hat. Etwa 100 Mitglieder des größten Koalitionspartners, der Sozialistischen Partei umringten am Dienstag das Senatsgebäude in einem symbolischen Akt der Ablehnung gegen Pinochet.

Die oppositionelle Kommunistische Partei (PC) hat eine Klage vor dem Appellationsgericht in Santiago gegen den Noch-Chef der Armee unter anderem wegen der Delikte „Völkermord“ und „Entführung“ eingereicht. Die Generalsekretärin Gladys Marín erklärte, damit solle nicht nur der Amtsantritt als Senator verhindert werden. Pinochet „soll ins Gefängnis kommen, wo er hingehört“, sagte sie. Die PC unterstützt die Bestrebungen innerhalb der Regierungsparteien, eine Volksbefragung über die Präsenz des Ex- Diktators im Senat anzustreben. In eben diesem Senat ist allerdings die politische Rechte stark genug, eine ausreichende Mehrheit für das Plebiszit zu verhindern.

Aus den Reihen der Militärs und von Pinochet persönlich sind drohende Stimmen gekommen. Der stellvertretende Armeechef Rafael Villarroel warnte die Politiker*innen, ihre Worte zu messen und die Beförderung Pinochets zum Senator auf Lebenszeit zu respektieren. Seine Institution werde diesen auch nach seinem Rücktritt von der Armeespitze unterstützen. Der Ex-Diktator selbst kündigte an, „Geheimnisse“ über mehrere Senatoren zu lüften. Die Einschüchterungsversuche zeigen nur begrenzte Wirkung. Am Montag (12.1.98) gründete sich formell die „Bewegung für die Würde Chiles“. In ihr haben sich Intellektuelle, Politiker*innen und sogar Kirchenführer zusammen mit Tausenden Bürger*innen gegen Pinochet zusammengeschlossen.

Am 26. Januar wird Pinochet das Chefkommando über die Streitkräfte an General Ricardo Izurieta abgegeben. 17 Jahre lang – nach seinem Putsch gegen die Regierung des Sozialisten Salvador Allende von 1973 bis 1990 – stand er den Militärs als Diktator vor, in der nachfolgenden Phase demokratisch gewählter Regierungen als faktisch unvermeidbare Erblast des alten Regimes. Wenn der 82jährige trotz des wachsenden Widerstandes am Folgetag in den Senat eintreten wird, kann er sich zumindest nicht vormachen, daß die Bevölkerung dies mit Jubelstürmen begrüßt.

PARAGUAY

Oviedo und kein Ende

(Mexiko-Stadt/Asunción, 13. Januar 1998, pulsar-Poonal).- In Paraguay bleibt der General Lino Oviedo ein Hauptgesprächsthema (vgl. verschiedene Poonal-Ausgaben Ende vergangenen Jahres). Am Wochenende hielt ihn ein Militärgericht trotz des Ablaufs einer vom Präsidenten verfügten 30tägigen Haftstrafe weiterhin für „unbegrenzte Zeit“ in einem Kasernengefängnis, nun wegen der Anklage des Putschversuches. Die Militärs übergaben den Fall dann jedoch überraschend an ein Zivilgericht. Dies könnte einer baldigen Freilassung des verhinderten Putschisten förderlich sein. Die Armee zeigt sich in offiziellen Stellungnahmen wichtiger Offiziere gegen Oviedo eingestellt. Der Divisionsgeneral Juan González Maldonado erklärte, mit einem möglichen Oberkommandanten Lino Oviedo in der Eigenschaft als Präsident Uruguays nicht einverstanden zu sein.

Aber die Frage, ob Oviedo als Präsidentschaftskandidat für die regierende Colorado Partei antreten kann, ist nach wie vor nicht endgültig geklärt. Die Regierungspartei bleibt darüber in zwei Lager gespalten. Die offiziellen Einschreibefristen für die allgemeinen Wahlen im Mai 1998 laufen 60 Tage vor dem Wahldatum ab. Zu einer Pro-Oviedo-Versammlung im Landesinneren kamen am 12. Januar etwa 10.000 Personen. Sie forderten unter anderem den Rücktritt von Präsident Juan Wasmosy. Teilnehmer an der Veranstaltung war Vizepräsident Angel Seifart. Selbst wer nicht für Oviedo ist, ist gegen den amtierenden Präsidenten Wasmosy. Bei dessen Neujahrsansprache fehlte ein Großteil der Prominenz seiner Colorado Partei.

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