Offenbar auch mexikanische Bundespolizei und Armee in Attacke auf Studenten von Ayotzinapa verwickelt

von Gerd Goertz

(Berlin, 13. Dezember 2014, poonal).- Am 7. Dezember konnte mit dem 19 Jahre alt gewordenen Alexander Mora Venancio der erste der 43 verschwundenen Studenten von Ayotzinapa anhand eines verkohlten Knochens identifiziert werden. Statt einer wirklichen Aufklärung des – so bisher angenommen – ausschließlich von lokalen Polizisten und dem Drogenkartell Guerreros Unidos (Vereinigte Krieger) im Auftrag des Bürgermeisterehepaares begangenen Verbrechens ist die Situation durch neue Enthüllungen in den vergangenen Tagen aber noch komplexer geworden. Die angesehene mexikanische Wochenzeitung Proceso berichtete am 13. Dezember in ihrer Titelgeschichte unter anderem unter Berufung auf Videos, dass die Attacke vom 26. September auf die studentischen Lehramtswärter von Ayotzinapa in wesentlichen Teilen „von der Bundespolizei orchestriert und ausgeführt wurde – mit der Komplizenschaft oder offenen Mitarbeit der Armee“.

Skeptiker hatten von Anfang an ihr Befremden geäußert: Weder die in Iguala, Bundesstaat Guerrero, stationierten Streitkräfte noch die nahe Bundespolizei waren eingeschritten, als die Studenten angegriffen und in den Nachbarlandkreis Cocula verschleppt wurden. Sollten sich die Information der für gewöhnlich gut recherchierenden Zeitschrift Proceso bestätigen, so ist die Regierung ein weiteres Mal mit ihren Vertuschungsversuchen bloßgestellt. Ihr wird von Menschenrechtsrechtsorganisationen und den Familienangehörigen der Opfer vorgeworfen, den Fall der Studenten nun so schnell wie möglich zu den Akten legen zu wollen, damit er über die Weihnachtszeit in Vergessenheit gerät.

EAAF widerspricht Bundesstaatsanwalt

In diesem Kontext genießt auch die Darstellung des Generalbundesstaatsanwaltes Jésus Murillo Karam keine Glaubwürdigkeit bei den Angehörigen. Karam legt immer wieder nahe, dass nach dem Ermittlungsstand alle 43 Studenten ermordet und vollständig verbrannt sind. Es werde kaum möglich sein, weitere Opfer zu identifizieren. Dem hat unter anderem das auf Initiative der Eltern der verschwundenen Studenten ebenfalls vor Ort arbeitende argentinische Forensikerteam (EAAF) diplomatisch widersprochen. Das EAAF stellt die Identifizierung von Alexander Mora Venancio nicht in Zweifel. Es setzt sich aber für eine weitere Suche nach den übrigen Studenten ein. Am Samstag den 13.12. entdeckte ein von Gemeinden aus Guerrero aufgestellter Suchtrupp der Vereinigung der Völker und Organisationen des Bundesstaates Guerrero (UPOEG) eine weitere Brandstelle in Cocula. Dem Vernehmen nach hat die UPOEG dort Knochen gefunden.

G36-Gewehre von Heckler & Koch im Besitz der Polizei von Iguala

Aus deutscher Sicht gewinnt ein weiteres Detail an Bedeutung, das am Donnerstag, den 11.12. zuerst ein deutsches Medium (taz) öffentlich machte: Nach der Attacke auf die Studenten beschlagnahmten die Ermittlungsbehörden unter anderem 97 Gewehre aus dem Depot von Felipe Flores Velázquez. Flores war damals Polizeichef von Iguala und ist immer noch flüchtig. Unter den Waffen befanden sich 36 Gewehre des Typs G36 des deutschen Rüstungsunternehmens Heckler & Koch (H & K). Das geht aus einer Liste der sichergestellten Gegenstände der Staatsanwaltschaft von Guerrero hervor, die inzwischen auch dem ND in Kopie vorliegt. Mehrfach ist in der Vergangenheit in deutschen und mexikanischen Medien über die Präsenz dieser deutschen Waffen in Guerrero berichtet worden. Nach den Bestimmungen der Exportgenehmigung hätten sie dort nie hinkommen dürfen. Es ist bisher nicht nachweisbar, aber denkbar: Auch aus G36-Gewehren könnten in der Nacht vom 26. auf den 27. September Schüsse auf die Studenten und die wohl mit diesen verwechselten Insassen des Busses einer jugendlichen Fußballmannschaft abgegeben worden sein. Vor der Verschleppung der 43 jungen Lehramtswärter waren so schon 6 Personen, darunter drei Studenten, ermordet worden.

Die Information über die deutschen Gewehre sowie die mögliche direkte Beteiligung von mexikanischer Bundespolizei und Armee an dem Verbrechen dürfte die deutsche Bundesregierung in weitere Rechtfertigungsnöte bringen. Sie hält bisher an dem Vorhaben fest, in Kürze ein Sicherheitsabkommen mit Mexiko abzuschließen. Bestandteil dieser Art Abkommen ist fast immer auch Polizeihilfe. Die oft angeführte Unterscheidung zwischen „böser“ Ortspolizei, die die mexikanische Regierung in ihrer bestehenden Form auflösen will, und „guter“ Bundespolizei scheint nicht haltbar.

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