Neue Abtreibungsregelung lässt auf sich warten

von Tamara Vidaurrázaga Aránguiz

(Santiago de Chile, Mai, SEMlac).- Der Gesetzesentwurf zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen, den die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet in ihrem Jahresplan 2014 vorgestellt hatte, liegt weiterhin auf Eis. Der Entwurf, der drei Indikationen für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch vorsieht, wurde zwar dem Parlament schon vorgelegt, befindet sich jedoch noch immer bei der Gesundheitskommission, wo feministische Verbände und Konservative über die Einzelheiten des zukünftigen Gesetzes streiten.

Bachelet will am Gesetzesprojekt festhalten

Die amtierende Präsidentin ließ am 21. Mai lediglich knapp verlauten, man halte trotz der aufgetretenen Widerstände an dem Projekt fest. Diese gehen von der katholischen Kirche und Aktivist*innen der rechten Parteien Democracia Cristiana (Christliche Demokratie), aber auch von der Regierungskoalition Nueva Mayoría (Neue Mehrheit) aus, die sich bei allen vorangegangenen Projekten zur Flexibilisierung der Abtreibungsregelung quergestellt hatte. Bisher sind Schwangerschaftsabbrüche in Chile ausnahmslos strafbar.

Der von der Präsidentin vorgelegte Gesetzesentwurf gestattet Schwangerschaftsabbrüche, wenn eine der drei folgenden Bedingungen gegeben ist: 1. wenn das Baby nicht lebensfähig ist; 2. wenn die Geburt das Leben der werdenden Mutter gefährdet; 3. wenn die Schwangerschaft das Resultat einer Vergewaltigung ist. Etwa drei Prozent der insgesamt etwa auf 120.000 bis 160.000 von Chilen*innen vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche gehen auf einen dieser Gründe zurück. Dies würde bedeuten, dass die Zahl der illegalen Abbrüche in Chile höher ist, als in den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern.

Nach dem Entwurf der Nueva Mayoría sollen Abtreibungen bis zur 12. Woche möglich sein. Ist die Schwangere jünger als 14 Jahre, ist der Abbruch bis zur 18. Woche möglich, da viele der jungen Mädchen sich der bestehenden Schwangerschaft erst viel später bewusst werden. Zwischen 1931 und 1989 war ein Schwangerschaftsabbruch zulässig, wenn eine ärztlich attestierte Fehlbildung des Fötus vorlag. Schwangerschaftsabbrüche aufgrund sozialer und wirtschaftlicher Gegebenheiten waren ebenfalls möglich.

Im Jahr 1989 wurde jedoch während der Diktatur Augusto Pinochets (1973-1990) den Interessen der rechtskonservativen Regierungspartei Unión Demócrata Independiente stattgegeben und ein generelles Abtreibungsverbot durchgesetzt. Die UDI steht bis heute im engen Verbund mit der ultrakonservativen kirchennahen Organisation Opus Dei, die auf dem Standpunkt steht, dass jeder Fötus als Gottesgeschenk zu betrachten und auszutragen sei.

Gesetz aus Pinochet-Diktatur gilt noch immer

Jaime Guzmán, Ideologe der Verfassung von Pinochet und ehemaliger Vorsitzenden der UDI, der zu Zeiten der Demokratie durch die Frente Patriótico Manuel Rodríguez getötet wurde, prägte zum Thema Abtreibung folgenden Ausspruch: „Eine Frau hat ihr Kind zur Welt zu bringen, auch wenn es abnorm oder unerwünscht ist, wenn es das Resultat einer Vergewaltigung ist und auch, wenn die Geburt sie das Leben kostet.“

25 Jahre nach der Wiedereinführung der Demokratie in Chile besteht immer noch das während der Diktatur eingeführte absolute Abtreibungsverbot. Zuwiderhandlungen werden mit drei bis fünf Jahren Gefängnis bestraft.

„Abtreiben ohne Verdacht“: Von der Treppe fallen oder Absatz verlieren und stürzen

Seither versuchen feministische Organisationen, die Einführung des Gesetzes durch verschiedene Aktionen voranzutreiben und fordern darüber hinaus, dass Frauen ein generelles Recht auf Schwangerschaftsunterbrechung zugestanden wird.

Die Organisation Miles-Chile forderte mit einer Videokampagne das Inkrafttreten der 3-Indikationen-Lösung. In früheren Zeiten hatten Frauen Unfälle vorgetäuscht, um eine ungewollte Schwangerschaft ohne Verdacht zu erregen, unterbrechen zu können. Der Videoclip bezieht sich in ironischer Weise auf diese Tradition und lässt Frauen zu Wort kommen, die Tipps geben, wie man durch einen Unfall einen Schwangerschaftsabbruch provozieren kann, ohne Verdacht zu erregen, zum Beispiel die Treppe hinunterfallen oder wegen eines gebrochenen Absatzes zu Boden stürzen.

Weltweit gilt in nur fünf weiteren Staaten absolutes Abtreibungsverbot

Die Kampagne “Derecho a decidir=Personas libres” (Ohne Entscheidungsfreiheit keine freien Menschen) wird von verschiedenen feministischen Organisationen getragen, die sich für ein freies Abtreibungsrecht aussprechen und davon ausgehen, dass Frauen ein Recht haben, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, unabhängig von bestimmten religiös geprägten Wertvorstellungen.

Diese Kampagne konzentriert sich wie alle internationalen Verbände und Konferenzen darauf, die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu beenden.

Neben Chile gilt in nur fünf weiteren Ländern der Erde ein absolutes Abtreibungsverbot: in El Salvador, Honduras, Nicaragua, Malta und im Vatikan.

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