Medien machen Machos – WACC-Bericht nennt Costa Ricas Medien sexistisch

von Markus Plate

(Berlin, 24. November 2015, npl-voces nuestras).- Die Welt aus Sicht der Medien bleibt weitgehend männlich. Mehr noch: Gerade in Lateinamerika sind die Medien nach wie vor sexistisch und tragen aktiv dazu bei, Stereotypen, Ungleichheit und patriarchale Gewalt zu zementieren. Der diesjährige weltweite Monitoringbericht über die Präsenz von Frauen der WACC in den Medien zeigt auf, dass Fernsehen, Radio, Zeitungen und Online-Medien weiterhin männliche Dominanz propagieren. Auch Costa Ricas Medien kritisiert der Bericht als sexistisch.

Neuer Bericht der Weltvereinigung für Christliche Kommunikation

Seit 1995 erstellt die Weltvereinigung für Christliche Kommunikation WACC (World Association for Christian Communication) alle fünf Jahre einen Monitoringbericht über die Präsenz von Frauen in der weltweiten Medienlandschaft. Der diesjährige Bericht basiert auf einem Monitoringtag, der von Tausenden Freiwilligen in mittlerweile über hundert Ländern am 25. März 2015 durchgeführt wurde. Dazu wurden in jedem teilnehmenden Land die Inhalte nationaler wie lokaler Fernseh- und Radioprogramme, Print- sowie Internetzeitungen analysiert.

In allen vier vorangegangenen Berichten wird konstatiert, dass Frauen in den Medien der Welt eine Minderheitenrolle (als Journalistinnen, Expertinnen und Protagonistinnen) spielen, auch wenn sich ihr Anteil weltweit von 1995 bis 2010 von 17 auf 24 Prozent gesteigert hat. Die Hauptbotschaft des Berichtes ist aber die folgende: Die Welt aus Sicht der Medien bleibt weitgehend männlich. Mehr noch: Gerade in Lateinamerika sind die Medien nach wie vor sexistisch und tragen aktiv dazu bei, Stereotypen, Ungleichheit und patriarchale Gewalt zu zementieren.

Rückschritte in monopolisierter Medienlandschaft Costa Ricas

Costa Ricas Medienlandschaft wird vom Privatkapital dominiert und zeichnet sich durch eine hohe geographische Konzentration in den Händen weniger Unternehmen aus. Fast alle Radio- und Fernsehsender senden aus der Hauptstadtregion, das ländliche Costa Rica kann zwar viele dieser Programme empfangen, kommt aber inhaltlich kaum vor. Öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es nicht, nur die Universität von Costa Rica betreibt zwei Radio- und einen Fernsehsender, die in den letzten Jahren allerdings massiv an Qualität eingebüßt haben.

Der Zeitungsbereich wird von der Grupo Nación beherrscht. Community-Radios sind in Costa Rica nicht vorgesehen, gegen eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung solcher Radios laufen der Radioverband CANARA (Cámara Nacional de Radio de Costa Rica), das rechte Parteienspektrum und ein Großteil der Medien Sturm.

Costa Rica macht in Lateinamerika nur insofern eine Ausnahme, dass es gegen den Trend im Vergleich zu 2010 in dem mittelamerikanischen Land sogar Rückschritte zu verzeichnen gab. Der Bericht der nationalen Kommission wurde unter anderem von der Universität Costa Ricas UCR (Universidad de Costa Rica) und dem Kommunikationszentrum Voces Nuestras erstellt. Er kritisiert, dass Herausgeber und Journalist*innen „keinerlei Bereitschaft zeigten, Veränderungen der sozialen, legalen, politischen und wirtschaftlichen Realität in die Art ihrer Berichterstattungen“ einzubeziehen.

Nur in einem ein Viertel der Nachrichten kommen Frauen vor, ihre Funktion ist dabei zumeist auf die einer Augenzeugin beschränkt. So erklärt Charo Rosales, Journalistin und Mitglied der costa-ricanischen Medienbeobachtungsstelle GEMA: „Die einzige Nachrichtenkategorie, in denen Frauen mehr al 15 Prozent Präsenz erreichen, ist „Vermischtes“, als Opfer von Gewalt.“

Experten sind männlich – Feminizide werden verschwiegen

Für Analysen, Kommentare und politische Einschätzungen zögen die Medien dagegen äußerst einseitig Männer heran. In Fotos oder Fernsehbildern würden Frauen vorrangig als Opfer oder, vor allem in der Werbung und in der Programmpräsentation, als Sexualobjekte stilisiert. Dementsprechend gibt es in Costa Rica wie überall in Lateinamerika Altersunterschiede zwischen den Geschlechtern: Journalistinnen und Moderatorinnen sind überwiegend jünger, ihre männlichen Kollegen mehrheitlich älter als 35 Jahre.

Gerade angesichts der steigenden Zahl von Frauenmorden in Costa Rica sei es nicht hinnehmbar, dass die Medien sich weiterhin einer Rolle als Förderer der Gleichheit der Geschlechter und als Verteidiger der Menschenrechte von Frauen und Mädchen verweigerten. Der Terminus „Feminizid“, also Morde an Frauen aus einer frauenfeindlichen, machistischen Gesinnung heraus, werde von den Medien systematisch unterschlagen. Morde würden in der Rubrik „Vermischtes“ unter Titeln wie „Verbrechen aus Leidenschaft“ als Einzelereignisse präsentiert. Die verbreitete Straffreiheit für Verbrechen an Frauen, insbesondere bei Vergewaltigungen, thematisierten die Medien ebenfalls nicht. Systematische Gewalt werde zu täglich stattfindenden Ausnahmefällen bagatellisiert. Durch ihre bagatellisierende Berichterstattung trügen die Medien dazu bei, Männer in ihren machistischen Verhaltensweisen zu bestärkten.

Kein Thema: Sextourismus, Frauenhandel und Schwangerschaften von Mädchen

Mitverursacht werde dies dadurch, dass Lateinamerikas Medien allgemein nicht in hintergründigen Journalismus investierten, um den großen Problemen des Landes auf den Grund zu gehen. Dass Costa Rica das zweitwichtigste Ziel für Sextourismus in Lateinamerika ist; dass es ein wichtiges Transitland für den Frauenhandel ist; dass Costa Rica entgegen seinem Ruf als „recht entwickeltes“ und „modernes“ Land weiterhin erschreckend hohe Fallzahlen von sexualisierter Gewalt, Inzest, Vergewaltigungen und Schwangerschaften von Mädchen aufweist – vor all diesem verschlössen die costa-ricanischen Medien die Augen.

Dies steht in starkem Gegensatz zum Umgang mit Rassismus, wie die Bloggerin Coral Herrera Gómez unterstreicht: „Heute sind Journalist*innen politisch äußerst korrekt, wenn es um Rassismen geht. Die Frage ist, warum Machismus nicht genau so negativ gesehen wird. Ist das nur Gleichgültigkeit oder gibt es nach wie vor Widerstände gegen Gleichberechtigung?“

Tochter, Schwester, Ehefrau

Auch ein unabhängiges Leben werde Frauen von den Medien verwehrt. In drei von vier Fällen werden lateinamerikaweit Frauen als Tochter, Schwester oder Ehefrau eines Mannes vorgestellt, Männer dagegen fast immer mit Berufsbezeichnung. Diese als Zementierung von traditionellen Geschlechterverhältnissen eingesetzte Stereotypisierung werde von den Medien freiwillig nur äußerst selten aufgebrochen, sondern meist nur dann, wenn Frauen in Positionen vorstießen, in denen sie nicht mehr ignoriert werden könnten.

Frauenkollektive und Menschenrechtsverteidiger*innen von Frauen würden in den Medien geflissentlich ignoriert, egal ob es um die Arbeit gehe, die sie leisteten oder Fälle von Gewalt, die sie auch gegenüber den Medien anzeigten. Im Gegenteil würden feministische Studien sowie Aktivistinnen in der Presse ignoriert, verschmäht oder der Lächerlichkeit Preis gegeben. Sexistische Witze gehörten dagegen nach wie vor zum Grundrepertoire, insbesondere im dominierenden Unterhaltungs- und Sportteil der Medien.

Gegensteuern und Aufklären: Beobachtungsstelle für Gender und Kommunikation

Als Konsequenz aus den Ergebnissen des Reports haben die zentralamerikanischen Autorinnen des WACC-Berichtes dieses Jahr eine regionale Beobachtungsstelle für Gender und Kommunikation (GEMA) gegründet. Deren Aufgabe wird es sein, eine auf den universellen Menschenrechten basierende Ethik in Journalismus und Werbung zu fordern und fördern. Die Medienberichterstattung soll von nun an jährlich analysiert werden, über die Stelle können Beschwerden über sexistische und diskriminierende Inhalte publik gemacht werden.

Hinzu kommen Angebote in der journalistischen Aus- und Weiterbildung, die aus Sicht der Verfasser*innen des Reports für Student*innen, Journalist*innen und Herausgeber*innen zur Pflicht werden sollten.

Doch wie desinteressiert die Medien an diesem Thema sind, zeigte sich bei der Vorstellung des Berichtes am vergangenen Montag: Trotz umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit und exponiertem Ort der Präsentation in der costa-ricanischen Journalist*innenvereinigung war kein namhaftes Medium auch nur anwesend. Auf Kritik reagieren nicht nur Costa Ricas Medien wie gewohnt, allergisch.

 

Dieser Artikel ist Teil unseres diesjährigen Themenschwerpunkts:

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