Krise, Freihandelsabkommen, Konkurrenz zu China: Mexikos Maquila-Industrie schrumpft weiter

(Mexiko-Stadt, 28. Juli 2009, cimac).- Die Maquila-Industrie in Mexiko ist eine zoll- und steuerpolitische Enklave, die Betriebe aus der Elektro-, Textil und Maschinenindustrie umfasst. Rohstoffe und Vorprodukte werden importiert, bearbeitet und wieder exportiert; die passend auch als ausländische Produktionszone definierte Industrie steht also ganz im Dienst des ausländischem Kapitals. Die aktuellen Entwicklungen in diesem Sektor bestätigen diesen Befund.

Zwischen Oktober 2008 und Februar 2009 sind 64.000 Arbeitsplätze in diesem Sektor verlorengegangen. Es wird mit einem Jahresrückgang der ausländischen Investitionen in dem Bereich um etwa 30 Prozent gerechnet. Und Ende diesen Jahres oder spätestens Anfang 2010 werde Mexikos Maquila-Industrie die Hälfte der 800.000 Arbeitsplätze – von denen die Hälfte von Frauen belegt war – verloren haben, welche in den ersten sieben Jahren des Freihandelsabkommens NAFTA zwischen 1993 und 2000 geschaffen wurden, und mittelfristig sei dieser Verlust nicht rückgängig zu machen. Das erklärte zumindest Josefina Morales Ramírez, Mitglied des Institutes für Wirtschaftsforschung IIEc (Instituto de Investigaciones Económicas) der Universität UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México).

Morales Ramírez gab an, dass zwischen Oktober 2000 und Dezember 2003 in Zusammenhang mit der Rezession in den Vereinigten Staaten 2001 an die 290.000 Arbeitsplätze verloren gingen. Auch wenn in den Folgejahren Arbeitsplätze langsam zurückgewonnen werden konnten, so blieb man doch weit entfernt vom Höchststand im Oktober 2000 mit 1.347.803 Arbeitsplätzen. Die Expertin vertrat die Ansicht, dass die derzeitige Krise, die schwerste seit den 1930er Jahren, ernste Folgen für die Maquila-Industrie haben werde.

Die im Rahmen des Projektes „Die Maquila-Industrie in Mexiko, Mittelamerika und der Karibik“ tätige Forscherin ermittelte, dass im laufenden Jahr im mexikanischen Bundesstaat Baja California 11.000, in Chihuahua 13.000 und in Coahuila 10.000 Arbeitsplätze verschwunden sind. So sind derzeit 30 Prozent der Maquiladoras in Tijuana und 25 Prozent in Ciudad Juárez stillgelegt.

Der von der Krise hauptsächlich betroffene Produktionszweig des Industriesektors werde wohl die Herstellung von Autoteilen sein, was sich auf andere Produktionen wie die der Elektroindustrie und der Textilverarbeitung auswirke, so Morales Ramírez. Zwar werde die gesamte Industrie von der aktuellen Situation in Mitleidenschaft gezogen. Jedoch werde die Maquila-Industrie wahrscheinlich am meisten betroffen sein: allein in den letzten Monaten haben die Manufakturen Produktionsrückgänge zwischen 9 und 11 Prozent verzeichnet.

In den Maquiladoras arbeiten nach wie vor vor allem Frauen: in den siebziger Jahren belief sich der Frauenanteil der Beschäftigten auf 70 Prozent, heute sind es mindestens 50 Prozent, nach Angaben von Lilia Domínguez Villalobos und Flor Brown Grossman, Expertinnen des Zentrums für Unternehmensentwicklung (Centro de Desarrollo Empresarial) an der Wirtschaftsfakultät der UNAM.

Eine weitere Problematik ist laut Morales Ramírez die Tatsache, dass der Großteil der Maquiladoras transnationalen Konzernen angehört. Allein im Jahr 2000 gehörten 90 Prozent der Maquiladoras ausländischen Unternehmen an, nur 10 Prozent waren in mexikanischer Hand. Zudem sei es kaum gelungen, andere mexikanische Produktionszweige in die Maquila-Industrie einzubinden; lediglich drei Prozent der zugelieferten Waren kommen aus Mexiko.

In den letzten Jahren hat China Mexiko als Hauptlieferanten des US-Marktes in der Textilindustrie abgelöst, ein Prozess der besonders seit dem WTO-Beitritt Chinas und der internationalen Liberalisierung des Sektors im Jahre 2005 deutlich wurde. Noch unmittelbar vor der Unterzeichung des NAFTA-Vertrages hielt Mexiko einen US-Marktanteil von 4,4 Prozent. Im Jahr 2000, also sieben Jahre später, war der Anteil auf 14,6 Prozent gestiegen, China dagegen lag bei 10,4 Prozent. Im Jahr 2007 erreichte der asiatische Gigant 31 Prozent, während der Anteil Mexikos auf sechs Prozent schrumpfte.

Welche Alternative gibt es?

Ein weiteres Element, welches die Situation verschärfe, stellt laut Josefina Morales Ramírez das Freihandelsabkommen zwischen der Dominikanischen Republik, Mittelamerika und den Vereinigten Staaten DR-CAFTA (engl. Dominican Republic – Central American Free Trade Agreement) dar, welches diesen Regionen die Teilnahme am Freihandel ermöglicht.

Doch auch Mexiko unterschrieb ein Abkommen mit diesen Staaten zur Erweiterung der Kooperation in der Textilindustrie. Der Export von Stoffen und anderen Materialien für deren exportorientierte Maquila-Industrie könnte der heimischen Industrie zusätzliche Absatzmöglichkeiten verschaffen.

Angesichts der aktuellen Weltkrise, so die Expertin, sei dem nationalen Maquila-Sektor außerdem angeboten worden, die Verluste durch Produktionsstopps mit Zahlungen an die Unternehmen abzumildern. Jedoch wisse niemand, ob dies die richtige Maßnahme sei und wie sie funktionieren soll.

Die derzeit aufgebotene Politik sei angesichts der Krise sowie gegenüber dem ganzen ökonomischen Feld der Maquiladoras ineffizient, weil sie auf dem neoliberalen Projekt beharre, welches Öffnung gegenüber und Privilegierung des Finanzkapitals vorsehe.

Für Morales Ramírez besteht das Problem in der Tatsache, dass die Maquila-Industrie ein transnationales Modell darstellt. Deshalb sei es sinnvoll, den Binnenmarkt durch eine Politik für Wachstum und wirtschaftliche Entwicklung zu stärken.

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