Internationales Tribunal verurteilt Massaker gegen MST

(Brasilia, Dezember 1996, alai-poonal).- Wenn die offizielle Justiz bisher unfähig war, eine Antwort auf zwei der sinnbildlichsten Massaker in Brasilien an Campesinos ohne Land zu geben, so hat zumindest das Internationale Tribunal zur Verurteilung der Massaker von Eldorado de Carajás und Corumbiara eine moralische Strafe ausgesprochen. Es weist die Verantwortung den Militärpolizisten und Pistoleros zu, die die Mitglieder der Landlosenbewegung (MST) umbrachten, aber genauso auch den Teilen der Gesellschaft, die angesichts dieser barbarischen Akte schwiegen. Das Tribunal nennt die Direktoren der Öffentlichen Sicherheit und die Kommandanten der Militärpolizei in den zwei Bundesstaaten, wo die Massaker stattfanden, es nennt die Gouverneure und die drei Gewalten, die den Bundesstaat bilden.

Etwa 800 Personen, mehr als die Hälfte davon Campesinos, nahmen an dem Tribunal teil, das am 28. November in einem Saal des Bundessenats stattfand. Die Initiative dazu hatten die Menschenrechtskommission der Abgeordnetenkammer, der Bundesrat der Anwaltskammer Brasiliens und die Bundesbehörde für die Rechte der Bürger*innen ergriffen. Das Vorhaben konnte zudem auf den Rückhalt durch das Nationale Forum gegen die Gewalt auf dem Land rechnen. In dieser Organisation sind 70 überwiegend landesweit arbeitende Bewegungen, darunter die MST, die Nationale Menschenrechtsbewegung, die Pastorale Landkommission, die ArbeiterInnenkonföderation in der Landwirtschaft und der Indianermissionsrat (CIMI). Das Ziel war es, die Straffreiheit anzuklagen, die angesichts der beiden Massaker, die mit der aktiven Beteiligung von Staatsangestellten durchgeführt wurden, aufrecht erhalten wird. In Corumbiara wurden am 10. August 1995 elf Menschen umgebracht. In Eldorado de Carajás starbem 19 Menschen am 17. April 1996 einen gewaltsamen Tod.

In seinem Urteil zieht das Tribunal die folgenden Schlußforderungen:

„1) Daß die Bundesregierung bei der Auflösung nicht-produktiven Großgrundbesitzes für die Anwendung der Agrarreform nicht mit Tatkraft vorgegangen ist;

2) Daß die Gerichtsbarkeit sich durch die Erteilung von Rechten (liminares) ohne eine angemessene Untersuchung der sozialen Frage mit den Interessen des Großgrundbesitzes verbündet hat;

3) Daß die Militärpolizisten, ob in Erfüllung von Befehlen der Bundesstaatsregierungen oder als tatsächliche Parallelmächte, direkt verantwortlich für die zwei Massaker sind;

4) Daß die Vorgehensweise der Exekutive und der Gerichtsbarkeit neu formuliert werden muß. Dies weil sie bei den hier behandelten Vorfällen die gesellschaftliche Funktion des geschriebenen Rechtes verkannt haben. (Gleiches gilt) bei der Legislative, weil sie die Verabschiedung der Gesetzesprojekte hinausgeschoben hat, die nach den durch die Menschenrechte festgelegten Prinzipien die Streitpunkte auf dem Land zwischen Eigentümer*innen und den Arbeiter*innen regeln müssen;

5) Daß es fundamental ist, eine unverkennbare Definition dessen anzuerkennen, was Verbrechen gegen die Menschenrechte sind, damit Prozeß und Verurteilung der Bundesgewalt unterliegen;

6) Daß die Rechtsprechung der Internationalen Gerichtshöfe, die über die Verletzung entscheiden, von brasilianischer Seite anerkannt wird;

7) Und abschließend, daß die Verantwortung der öffentlichen Verwaltung des brasilianischen Staates und der Regierungen der Bundesstaaten Rondonia und Pará bei den im Prozeß beschriebenen Massakern anerkannt werden muß.“

Das Gericht setzte sich zusammen aus dem Portugiesen José Saramango, dem derzeit wichtigsten Schriftsteller in portugiesischer Sprache; dem Franzosen Phillipe Texier, Richter des Berufungsgerichtshofes Frankreichs (das höchste Gericht dieses Landes) und Berater der UNO-Menschenrechtskommission; dem Franzosen André Jacque, Repräsentant des Weltkirchenrates und Vorsitzender des Internationalen Dienstes für die Rechte des Menschen; Marcelo Lavenére, ehemaliger Präsident der Anwaltskammer Brasiliens; der Senatorin Marina Silva (PT); Mons. Orlando Dotti, Voritzender der Pastoralen Landkommission; dem Rabbiner Henry Sobell, Leiter der jüdischen Gemeinde in Brasilien; dem Pastor Jaime Wright, Generalsekretär der Vereinigten Presbiterianischen Kirche Brasiliens und Koordinator des Projektes „Brasilien Nie Wieder“; Everaldo Gouveira, Vorsitzender der JournalistInnengewerkschaft von Sao Paulo und stellvertretender Präsident der Nationalen JournalistInnenvereinigung; und dem Anthropologen Alfredo Wagner, Autor verschiedener Werke über die sozialen Konflikte im brasilianischen Amazonas.

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