Cochabamba: Kommunalisierung der Wasserversorgung gescheitert?

von Thomas Guthmann

(Berlin, 11. November 2010, npl).- Im Juli 2010 beschloss die UN-Vollversammlung, das Recht auf sauberes Wasser in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aufzunehmen. Auf Initiative Boliviens stimmte eine Mehrheit von 122 der 191 Mitgliedstaaten dafür, das kostbare Nass zu einem Menschenrecht zu erklären. Boliviens UN-Botschafter Pablo Solón wies in einer Erklärung darauf hin, dass noch immer „Durchfall die zweithäufigste Todesursache bei Kindern ist“. Knapp eine Milliarde Menschen haben nur unzureichend Zugang zu Wasser.

Seit zehn Jahren wieder kommunale Wasserversorgung

In Bolivien erlangte die Stadt Cochabamba vor zehn Jahren Berühmtheit. Die Bewohner*innen wehrten sich damals erfolgreich gegen die Privatisierung des lokalen Wasserversorgungsunternehmens. Die Bewohner*innen der armen Stadtteile, im Süden der drittgrößten Stadt Boliviens, waren bei den Protesten an vorderster Front mit dabei.

Heute, zehn Jahre danach, ist das Wasserunternehmen in öffentlicher Hand. Die Unternehmensaktivitäten werden von sogenannten Bürgerdirektoren beaufsichtigt, die von der Bevölkerung gewählt werden. Nicht mehr Profitinteressen der privaten Investoren stehen im Vordergrund, sondern die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit gutem Trinkwasser.

Zona Sur sitzt weiter auf dem Trockenen

Luis Patiño hat sich – wie viele Bewohner*innen aus Mineros – an den Protesten beteiligt. Heute ist er enttäuscht: „Leider ist es so, dass viele Verantwortliche, die vorgeben sich für die Wasserversorgung einzusetzen, sich lediglich beim Wasserunternehmen SEMAPA (Servicio Municipal de Agua Potable Alcantarillado) engagieren, um Geld in die eigene Tasche zu stecken. Das Wasserunternehmen sollte uns mit Wasser versorgen. Leider gibt es aber im Unternehmen zu viele, die nur das Interesse haben, sich selbst zu bereichern.“

Die Bewohner*innen der Zona Sur, zu der Mineros gehört, erhofften sich damals, dass sich die Situation verbessern würde, wenn die Wasserversorgung wieder in die öffentliche Hand überführt würde. Als die Privatisierung zurückgezogen wurde, geschah jedoch nichts. Bis heute müssen viele Gebiete im armen Süden Cochabambas durch Tanklaster mit Wasser versorgt werden. Die Qualität dieses Wassers, so Luis Patiño, ist aber häufig sehr schlecht: „Oft sind Fäkalien im Wasser oder Mikroorganismen, die uns schaden. Wer kann, sammelt Regenwasser“.

Korruption und Ineffizienz

Während das Stadtzentrum und der Norden der Stadt an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen sind, ist der Süden immer noch weitgehend von gutem Trinkwasser abgeschnitten. Vergangenes Jahr sprach eine örtliche Tageszeitung bereits vom Scheitern der Kommunalisierung des Unternehmens. Anstatt die Wasserversorgung auszubauen, versank das Versorgungsunternehmen SEMAPA nach der Re-Kommunalisierung im Chaos.

Korruption und Ineffizienz machten sich im Unternehmen breit. Daneben gibt es aber auch ernsthafte praktische Probleme. So ist das Leitungsnetz unzureichend ausgebaut und die Frage, wie genügend Trinkwasser gewonnen werden kann, nicht gelöst, meint Rocio Bustamal von der Universität San Simón in Cochabamba: „Momentan wird ein Versorgungsnetz aufgebaut, ohne eine Garantie dafür zu haben, dass durch das Netz jemals Wasser geleitet wird. Bereits heute ist es nicht möglich, überall wo Wasserleitungen bestehen, die Bevölkerung mit ausreichendem Wasser zu versorgen.“

Regenauffangbecken statt Wasserleitung

In Cochabamba gibt es genügend Niederschlag – und damit genug Wasser. Die Regenfälle sind aber übers Jahr sehr ungleich verteilt. Um das ganze Jahr eine ausreichende Wasserversorgung zu gewährleisten wäre es notwendig, die Trinkwassergewinnung effektiver zu gestalten. In den letzten zehn Jahren sei in dieser Hinsicht viel Zeit verloren gegangen, so die Wissenschaftlerin. Es sei nicht gelungen, einen effektiven kommunalen Betrieb aufzubauen.

In Mineros hat man den Glauben verloren, dass SEMAPA die Wasserversorgung verbessert. Gemeinsam mit einer holländischen Stiftung haben sie mittlerweile ein lokales Wassersystem aufgebaut, so Luis Patiño: „Es ist ein Wasserversorgungssystem, bei dem das Wasser aus Regenauffangbecken kommt, die an ein lokales Leitungssystem angeschlossen sind und alle 1.200 Haushalte in unserem Stadtviertel versorgt. Das Material wird von unseren holländischen Partner*innen bezahlt. Wir als Nachbarschaft bauen unser Leitungssystem aus eigener Kraft auf.“

(Foto: Thomas Guthmann)

 

Vergleiche hierzu auch den Audiobeitrag des Autors im Rahmen der Kampagne „Menschen. Rechte. Stärken!“, der unter der URL http://www.npla.de/de/onda/content/1119 kostenlos angehört oder heruntergeladen werden kann.

 

Weitere Informationen:

Das blaue Wunder von Cochabamba. Sieben Jahre nach dem Wasserkrieg spaltet die Versorgungslage die Stadt (Von Thomas Guthmann. In: LN 406/April 2008)

Verschmutztes Wasser fordert mehr Menschenleben als Kriege (In: poonal 894/ März 2010)

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