Poonal Nr. 493

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischen Agenturen vom 14. September 2001

Inhalt


SONDERTHEMA: Kommentare und Stellungnahmen

SONDERTHEMA: Kommentare und Stellungnahmen zu

Von Frei Beto

Der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt

Das Bombardement hat begonnen

Sieben Thesen zur Lage

GUATEMALA

 

KOLUMBIEN

PERU

BOLIVIEN

CHILE/USA

URUGUAY

LATEINAMERIKA


SONDERTHEMA: Kommentare und Stellungnahmen

– Terrorismus- Brücken bauen, Gewalteskalation verhindern!

– Der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt – Das Bombardement hat begonnen – Sieben Thesen zur Lage GUATEMALA – Die Terms of Trade beim Kaffee

KUBA – Land sucht Wirtschaftskooperation in Asien

KOLUMBIEN – Friedenswoche – Humanitäre Hilfe verliert neutralen Charakter – Campesinos setzen auf Koka statt Kaffee

PERU – Anhängerinnen Fujimoris verlieren parlamentarische Immunität – Erweiterte Wahrheitheitskommission nimmt Arbeit wieder auf

BOLIVIEN – Trauer um Gewerkschaftsführer

CHILE/USA – Kissinger wegen Ermordung des Ex-Armeechefs von Chile angeklagt – US-Regierung und CIA sollen Pinochet-Putsch organisiert haben

URUGUAY – Vadora kann nicht ausgeliefert werden – Armee zeichnet Menschenrechtsverletzer aus

LATEINAMERIKA – Waffen und Korruption

 

SONDERTHEMA: Kommentare und Stellungnahmen zu

Terrorismus

Von Frei Beto

Die Welt droht nach dem 11. September 2001 kälter und kriegerischer zu werden. Mit dem Entsetzen und Mitgefühl für die Opfer und deren Angehörige verbindet sich auch die Furcht, dass die US- Administration nach dieser beispiellos brutalen Terroraktion in der Logik der Gewaltspirale zurückschlägt und neue Eskalationen folgen.

Nachzudenken ist auch über die politischen Bedingungen, die es möglich gemacht haben, dass ein Teil der Menschen in einigen Völkern „den Westen“ und insbesondere die USA so hasst, dass eine Gruppe von Terroristen anscheinend meint, sich bei ihrem Massenmord auf diese Unterdrückten beziehen zu können. Und auch wenn wir alle bei diesem entsetzlichen Leid mit den Menschen in den USA solidarisch sind, werden wir dem Rachegedanken und der möglichen Antwort mit staatsterroristischen Mitteln widersprechen müssen.

Erhärtet sich der Verdacht gegen die Gruppe Bin Laden oder andere islamische Fundamentalisten könnte die bereits schon länger von christlich-abendländischen Fundamentalisten (Hutchinson) proklamierte Ansicht vom „Kampf der Kulturen“ in den westlichen Gesellschaften gefährlichen Zulauf gewinnen. Schon spricht Bundeskanzler Schröder von einer „Kriegserklärung gegen die zivilisierte Welt“. Die Trennung in eine „zivilisierte“ und eine „unzivilisierte Welt“ vertieft die Gräben.

Es gibt keine Religion, die solche Terrorakte rechtfertigen würde. Jetzt kommt es darauf an, in unseren Gesellschaften keine Feindschaft gegen „den Islam“ generell zuzulassen sondern vielmehr Brücken zu bauen.

Gegenüber blankem Terror gibt es keinen hundertprozentigen Schutz. Eine Politik, die den Terrorismus wirksam bekämpfen und eindämmen will, muss ihm den sozialen, politischen und ideologischen Nährboden entziehen, in dem er gedeiht. Ein Klima des Hasses und der Intoleranz und eine Politik, die Gewalt mit Gegengewalt und Gegengewalt mit neuer Gewalt beantwortet, bereitet auch den Boden für neue Terrorakte. Dem Terrorismus durch zivile Maßnahmen und durch die Stärkung des Rechts und der Gerechtigkeit den Boden entziehen ist langfristig das bessere Mittel als der Gedanke an Rache und militärische Vergeltung.

Trotz aller Wut und Trauer appellieren wir an die US-Regierung und deren Verbündete, besonnen und nicht mit militärischer Gegengewalt zu reagieren. Dies kann unser Beitrag dafür sein, dass ein weiteres Drehen an der Gewaltspirale verhindert werden kann.

Für das Bonner Friedensbüro Manfred Stenner

 

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Der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt

Von Tobias Pflüger

1. Die Mega-Anschläge und die Opfer

Die brutalen Flugzeug-Anschläge bzw. Mega-Attentate (keines dieser Worte trifft die riesige Tragödie richtig) auf das World Trade Center, das Pentagon etc. in den USA am 11. September 2001 sind aufs Schärfste zu verurteilen. Es hat wohl Tausende Tote gegeben. Es ist entsetzlich. In diesen Tagen und Stunden sind unsere Gedanken und Mitgefühle bei den Toten, den Ermordeten, den Verletzten und ihren Angehörigen und Freund/innen. Die Anschläge und ihre Folgen hinterlassen einen in Fassungs- , Rat- und Sprachlosigkeit. Wer meint, solche Mega-Morde politisch begründen zu können, irrt total. Jegliche Rechtfertigung, Genugtuung oder Freude ist völlig fehl am Platz. Solche Anschläge sind ausschließlich menschenverachtend und barbarisch.

2. Die möglichen Täter

Zum derzeitigen Zeitpunkt (12.09.2001, 12.00 Uhr) ist noch völlig ungeklärt, wer diese Mega-Anschläge auf Symbole der US-Macht verübt hat oder verübt haben könnte. Für eine Durchführung dieser unvorstellbaren Anschläge sind umfassendes Know-How (als Piloten, als Techniker etc.), genaue Koordination, Logistik und totale Skrupellosigkeit erforderlich. Wer ist dazu in der Lage? Derzeit wird in den Medien über die „üblichen Verdächtigen“ spekuliert. Zuerst waren „die Palästinenser“ im Blickfeld. Es ist fatal ganze Gruppen von Menschen bestimmter Herkunft für diese Mordanschläge verantwortlich machen zu wollen oder sie zu verdächtigen. Die Form der Spekulationen in einigen Medien ist zum Teil hochproblematisch. Es ist dringend vor Vorverurteilung zu waren. Dann tauchte der Name Osama bin Laden auf und wird bisher immer wieder genannt. Was bisher fehlt sind Fakten und Hintergründe. Die Frage, was jemanden oder eine Gruppe dazu bringt, solche Mega-Anschläge durchzuführen, muß gestellt werden. Auch muß die Frage erlaubt sein, warum gerade die USA (und dort gerade das World Trade Center und das Pentagon) Ziel dieser Mega-Anschläge geworden sind. Sollte Osama Bin Laden hinter diesen Anschlägen stecken, muß kritisch angemerkt werden: Die US-Regierung haben über Jahre ihn und seine Komplizen finanziert und aufgebaut, als er nützlich erschien, um in Afghanistan gegen die Invasion der Roten Armee der Sowjetunion zu kämpfen. Ähnliches gilt für die Unterstützung von Saddam Hussein durch die USA und für andere Gruppen, die einst „nützlich“ erschienen. Jetzt zeigt sich der Effekt, dass die herbeigerufenen Zauberlehrlinge nicht mehr beherrschbar sind und sich gegen ihre einstige Ziehväter wenden. Es muß endlich Schluß sein mit einer doppelbödigen Moral in der internationalen Politik, die die Attribute „gut“ und „böse“ je nach aktueller Weltlage oder Opportunität verteilt.

3. Die mögliche Reaktion der US-Regierung

Die weltpolitische Lage hat sich nun grundlegend geändert. Der 11. September 2001 ist wohl der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt. Eine zentrale Frage lautet nun: Wie wird die US-Regierung reagieren? Es ist zu befürchten, daß sie in heftigster Form Rache üben wird. Die außen- und friedenspolitischen Implikationen dieser Mega-Anschläge könnten furchtbar sein. Die Außen- und Wirtschaftspolitik, aber insbesondere auch die Militärpolitik der Administration des derzeitigen US-Präsidenten George W. Bush waren schon bisher so, daß sie selten nach den Folgen ihrer Politik für Menschen außerhalb der USA, insbesondere in Gebieten außerhalb der westlichen Staaten fragte. Die Schwelle für die Anwendung von (militärischer) Gewalt war für die(se) Regierung der USA bisher immer sehr niedrig. Es ist zu befürchten, daß sich die Militärpolitik der USA weiter verschärfen wird. Weitere und direktere Kriege der US-Regierung gegen vermeintliche oder tatsächliche Gegner, staatlicher oder nichtstaatlicher Art, sind nach den brutalen Mega-Anschlägen leider sehr viel wahrscheinlicher geworden.

4. Verwundbarkeit der hochtechnisierten Welt

Die Mega-Anschläge zeigen die Verwundbarkeit der hochtechnisierten Welt. Der zivile und militärische Flugverkehr werden nach dem 11. September 2001 nicht mehr so durchgeführt werden können wie zuvor. Kommunikation, Mobilität und Finanzverkehr – drei zentrale Momente der westlichen Welt waren und sind durch diese Mega-Anschläge deutlich beeinträchtigt (Telefonverkehr und Internet waren und sind wegen Überlastung zum Teil zusammengebrochen, die Finanzmärkte spielen verrückt – nein, sie folgen ihrer eigenen immanent makabren Logik: die Kurse der Rüstungsfirmen und der Ölmultis steigen!) .

5. Die innenpolitischen Implikationen der Mega-Anschläge

Die innenpolitische Situation in den USA wird sich stark verschlechtern. Aber auch das innenpolitische Klima in Deutschland könnte sich enorm verschärfen. Repressionen gegen Menschen bestimmter Herkunft und gegen alle die berechtigte Kritik an der Politik der US-Regierung haben, sind zu befürchten. Jetzt werden viele diese Mega-Anschläge für ihre Politik instrumentalisieren, z.B. für eine verstärkte innen- und außenpolitische Aufrüstung. Für eine weitere Stärkung von Polizei und Militär, die Militarisierung wird wieder weiter vorangetrieben werden. Nein, es sind keine militärischen Reaktionen vonnöten, notwendig ist der Abbau wirtschaftlicher Ungleichheiten in der Welt. Statt repressiver und militärischer Reaktionen ist eine Veränderung von politischen Strukturen hin zu mehr Gerechtigkeit vonnöten.

Die groß erklärte Freiheit, die Globalisierung, ist zumeist nur eine Freiheit, eine Globalisierung des Handels, nicht der Menschen. Und dieser Handel, diese Globalisierung, hat seine/ihre Opfer.

Es ist Gerhard Schröder und Joschka Fischer entschieden zu widersprechen: Nein, es geht nicht um Solidarität mit dem USA, um Solidarität mit der Regierung der USA, um Solidarität der „zivilisierten Welt“. Nein, es geht um Solidarität mit den Menschen, die von den Mega-Anschlägen betroffen sind.

Text: Tobias Pflüger u.a. nach Diskussion mit einigen IMI-Vertreter/innen, 12.09.2001

Der Text kann weiter verbreitet werden, wie üblich bei Quellenangabe ( http://www.imi-online.de).

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Von M. Hammerschmitt

13.09.2001 13:57

Das Bombardement hat begonnen

Über den Medienkrieg vor dem Krieg und die moralische Mobilmachung in der Öffentlichkeit

Nein, ich spreche noch nicht von dem „Gegenschlag“, der „Vergeltung“, dem „militärischen Schritt“, der schon angekündigt ist. Ich spreche von dem pausenlosen medialen Trommelfeuer, das uns den kommenden Krieg schmackhaft machen soll. Von Solidarität ist die Rede, von Bündnistreue, davon, daß wir alle Amerikaner seien (wem die Reden von Wilhelm II. vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Erinnerung sind, dem dürfte es bei diesem Gewäsch eiskalt über den Rücken laufen). Das Heucheleibarometer schießt in ungeahnte Höhen: Sondersendungen, Gottesdienste, Pressekonferenzen bis hinab auf die Ebene von Kleinstadtbürgermeistern, lachhafte Debatten um die Austragung von Fußballspielen und dergl. bleuen dem Zuschauer ein, daß „wir“ angegriffen worden sind, „unsere“ Freiheit, ja „unser“ Leben bedroht ist, und daß dagegen mit allen nur zur Verfügung stehenden Mitteln vorgegangen werden muß. Was ist geschehen? Eine bisher nicht identifizierte Gruppe hat den größten Terroranschlag in der Geschichte verübt und Tausende von Menschen ermordet. Die Empörung ist groß, der Schock sitzt tief, und bevor noch irgend etwas klar ist, bevor sich auch nur irgend jemand dazu bekannt hat, soll diese Stimmung benutzt werden, damit sich die die gesamte westliche Welt im Brustton kollektiver Gekränktheit die Rüstung anlegen und mit dem Säbel rasseln, ja sich darauf vorbereiten kann, Krieg zu führen gegen – ja eigentlich gegen wen? Den Islam? Afghanistan? Osama bin Laden? Den „Weltterrorismus“?

Der Verteidigungsfall ist eingetreten, aber wer hat „uns“ eigentlich angegriffen? Sollte wirklich bin Laden für diese perverse Umsetzung eines schlechten Hollywood-Skripts verantwortlich sein (oder ein Gruppe, die er kontrolliert oder finanziert), und sollten die USA wirklich zu dem Schluß kommen, deswegen ausgerechnet Afghanistan in Schutt und Asche zu legen, dann wäre das einer der grausamsten und blutigsten Witze der Weltgeschichte. Afghanistan liegt bereits in Schutt und Asche, nach einem jahrzehntelangen Krieg, der unter anderem deswegen so destruktiv und grausam war, weil der Westen und besonders die USA eine Kriegspartei offen und verdeckt unterstützt, in Teilen sogar erst geschaffen haben, die in einem kaum entwickelten Land den verhaßten Sowjets den Krieg bis auf die Grundmauern angekündigt und mit massiver westlicher Hilfe auch bereitet hat.

Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie an meiner Schule die tapfere Junge Union mit der Sammelbüchse in der Hand durch die Korridore lief, um „Spenden für Afghanistan“ einzusammeln. Das war zu einer Zeit, als der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer mit einem Mudschahedin-Kaffeewärmer auf dem Kopf in Afghanistan herumstrunzte und der Welt verkündete, die Unterstützung der Gotteskrieger sei eine Pflicht aller freiheitsliebenden Menschen. Er ging sogar so weit, die Situation im damaligen Afghanistan als ein „tägliches Lidice“ zu bezeichnen. (Heutzutage ist ja überall dort Auschwitz, wo die deutsche Außenpolitik es hinphantasiert). Als die Sowjets vertrieben waren, begannen die edelmütigen Gotteskrieger so lange untereinander Krieg zu führen, bis sich die Taliban als Sieger aus diesem Streit um die Kriegsbeute herausstellten.

Osama bin Laden und seine Ressourcen waren ein integrativer Bestandteil des vom Westen gestützten Kriegsbündnisses gegen die Sowjets, und Selig Harrison, seinerzeit Sicherheitsberater in Washington berichtet, er habe die CIA damals bereits vor diesen Verbündeten gewarnt. „Ich sagte ihnen damals, sie wären gerade dabei, ein Monster zu kreieren.“ Die Antwort darauf, laut Harrison: „Sie sagten mir, daß diese Leute Fanatiker seien, und je fanatischer sie seien, desto fanatischer würden sie die Sowjets bekämpfen.“ Dieselben Leute, die damals als die Leuchte der Freiheit gegen den Weltkommunismus galten, sind heute das neue Weltböse, wie Tony Blair zu verkünden sich nicht entblödete. Wenn der amerikanische Präsident sich heute ein Bild von Osama bin Laden anschaut, dann schaut er in die Fratze der verfehlten Geopolitik seiner Vorgänger aus dem kalten Krieg.

Während diese Zusammenhänge am Tag 1 nach den Anschlägen noch hier und da in den Medien erwähnt werden durften, werden sie jetzt zugunsten einer allgemeinen moralischen Mobilmachung immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Gar nicht werden die offenkundigen Parallelen dieser Vorgänge zu der Unterstützung radikal islamistischer Kräfte in Europa erwähnt, die wie die farcenhafte Wiederholung des afghanischen Dramas in verkleinertem Maßstab wirken: Um mit Milosevic und dem Restsozialismus in Restjugoslawien fertig zu werden, züchtete man in vollem Bewußtsein ihrer vergifteten Quellen eine terroristische Armee von „Freiheitskämpfern“ heran, und sorgte dafür, daß sie bis heute auf dem Balkan die „albanische Frage“ offenhalten kann.

Während also jetzt das Weltübel der Zukunft auf dem Balkan erst noch aufgepäppelt wird, bereitet man sich im Zusammenhang mit den Anschlägen in den USA auf den Krieg gegen die Verbündeten von einst vor. In dieser Situation hat der deutsche Bundeskanzler nichts besseres zu tun, als diesem geschichtsvergessenen und heuchlerischen Geschrei nach Vergeltung seine uneingeschränkte Solidarität zu versichern, und dies natürlich im Namen aller Deutschen, weil er, wie einst Wilhelm II., in der Stunde der zusammendelirierten Gefahr keine Parteien, sondern nur noch Deutsche kennt, die heutzutage alle Amerikaner sind.

Ich fühle mich angegriffen durch die bodenlose Dummheit der offiziellen Medienberichterstattung.

Ich erkläre mich solidarisch mit meinem Gedächtnis.

Ich distanziere mich ausdrücklich von der demagogischen Verblödung, die als sinnvolle Antwort auf die Terroranschläge in den USA einen NATO-Krieg gegen wen auch immer vorschlägt.

Grüße,

M. Hammerschmitt

http://web.archive.org/web/20130820005032/http://www.cityinfonetz.de:80/homepages/hammerschmitt/high.html

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Sieben Thesen zur Lage

Von Christoph Spehr

1. Das ist kein Krieg. – Auch wenn die Dimension der Terroranschläge schockierend ist: Das ist kein Krieg. Bis jetzt noch nicht. Kriege sind bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Staaten oder Bürgerkriegsparteien in einem Land; Krieg erfordert einen bekannten Gegner, dessen militärische Struktur angegriffen werden kann. Das Etikett „Krieg“ lenkt ab von der Fragwürdigkeit von blinden Vergeltungsschlägen, die vorwiegend aus symbolischen und innenpolitischen Gründen forciert werden. Es sei daran erinnert, dass z.B. die „Ziele“ im Sudan, die 1998 von den USA bombardiert wurden, sich nachträglich als „Irrtum“ herausstellten. Terror wird durch Gegenterror nicht bekämpft, und er rechtfertigt ihn nicht.

2. Es kommt jetzt alles darauf an, keinen Krieg daraus zu machen. – Die Rhetorik vom Krieg und die Politik des Gegenschlags spielt in leichtfertiger Weise mit der Gefahr eines tatsächlichen Krieges, vor allem eines Krieges zwischen dem Westen und arabischen Ländern. Zweifellos geht Terror in der Welt auch vom Boden der USA und Europas aus; dass eine Bombardierung entsprechender „Zentren“ nicht verständnisvoll hingenommen werden kann, erleben wir gerade. Dasselbe gilt für Länder in Asien, Afrika oder Nahost aber auch. Aktuell ist es der Westen, der einen Angriffskrieg gegen arabische Staaten vorbereitet, der bereits als Krieg des Guten gegen das Böse abgefeiert wird. Die Geschwindigkeit, mit der angebliche „Erkenntnisse“ produziert werden, ist mehr als fragwürdig. Die Leichtfertigkeit, mit der das Risiko eines tatsächlichen Krieges in Kauf genommen wird, ist ebenso schockierend wie das Desinteresse an den Menschen, deren Leben direkt und indirekt gefährdet wird.

3. Das ist kein Anschlag gegen die Freiheit, nicht einmal gegen den Kapitalismus, und es läßt sich auch keiner draus machen. – Mit den verheerenden Anschlägen ist weder die „freie Welt“, sprich der Westen, noch die „zivilisierte Welt“, sprich die Industriestaaten, auch nicht die „Demokratie“, sprich der Kapitalismus angegriffen worden. Abgesehen davon, dass man bis jetzt nicht weiß, wer die Anschläge mit welchem Ziel durchgeführt hat, richten sie sich gegen Symbole der USA als weltweiter Interventionsmacht, ökonomisch und militärisch. Das ist eine relativ spezielle Botschaft. Die Rede vom „Angriff auf die Freiheit“ bäckt dieses spezifische Gewaltpotenzial mit allem und allen in der Gesellschaft zusammen und verdeckt gezielt, dass eben diese Interventionsmacht und -praxis seit langem bewusst und kalkuliert Risiken auch für die eigene Bevölkerung anzieht – vor allem indem sie anderswo Gewalt ausübt und Armut schafft, aber auch indem sie bedenkenlos Gruppen militärisch aufrüstet, über die sie dann die Kontrolle verliert.

4. Das ist kein Anschlag für die Freiheit, nicht einmal gegen den Kapitalismus, und es läßt sich auch keiner draus machen. – Man muss keine Sympathie für das Pentagon oder für das internationale Finanzkapital hegen, um festzustellen, dass die Anschläge eine faschistische Handschrift tragen. Ähnlich wie bei den Anschlägen in Bologna, Oklahoma und anderen sollten mit maximaler Gewalt möglichst viele Menschen getötet werden, Chaos und Krieg sind die kalkulierten, erhofften Folgen dabei. Der Tod von Zivilisten, die unmittelbare Lebensgefahr die für Palästinenser, für Israelis, für die Bevölkerung arabischer Staaten und viele andere hervorgerufen wird, sind den Tätern vollständig gleichgültig. Egal ob die Verantwortlichen arabische Fundamentalisten, amerikanische Rechtsextreme, eine Verbindung mehrerer Gruppen oder ganz Andere waren: hier läßt sich kein antikapitalistischer Kontext konstruieren, hier rechnet ein reaktionäres, organisiertes Machtpotential mit einem Gegner ab, der der eigenen Macht im Weg steht; hier wird geschlachtet, weil man sich von den Folgen eine Eskalation verspricht, von der das eigene Machtgebilde auf Kosten zahlloser Anderer profitieren soll.

5. Die Anschläge sind der Bankrott einer militärisch und polizeilich fixierten Sicherheitspolitik; ein Weitergehen in diese Richtung ist verantwortungsloser Hasard. – Die Rede vom Krieg verdeckt auch, dass es vor Terroranschlägen keinen absoluten Schutz gibt. Die eigene Sicherheit zu erhöhen, erfordert Politik, nicht militärische Schlagkraft. Es erfordert eine Politik, die zumindest in höherem Maße auf Kooperation, Ausgleich und Kompromiss bedacht ist, wenn es um ökonomische Politik und internationale Konflikte geht. Auch wenn die Terroranschläge nicht beanspruchen können, irgendjemand zu „repräsentieren“, haben sie einen verbreiteten realen Hass auf den Westen und die USA zur Voraussetzung, um ihre Söldner zu rekrutieren und sich erfolgreich vor Infiltration abzuschotten. Diesen Hass kann man militärisch nicht zerschlagen, er ist die Bilanz einer Politik, die weiten Teilen der Menschheit nichts zu bieten hat – nicht die Ambivalenz eines noch halbwegs auskömmlichen Lebens im Kapitalismus, sondern buchstäblich nichts außer Gewalt, Armut, Vertreibung und Demütigung. Sicherheitspolitik besteht heute im Protest gegen die Politik der G8. Wer findet, am wichtigsten sei, dass die Bundeswehr jetzt auch möglichst schnell ihre globale Interventionsfähigkeit weiter vorantreibt, ist nicht nur zynisch, er riskiert bereitwillig unser aller Leben um der Interessen von Eliten und „Systemzwängen“ willen.

6. Es ist notwendig deutlich zu machen, dass wir uns weigern, einen Krieg zu führen. – Die an sich bekannte Wahrheit, dass Krieg das Schlimmste ist, was passieren kann, wird derzeit beschleunigt zugedeckt. Wir erleben kriegsvorbereitende Propaganda. Es ist wichtig, klar zu machen, dass ein Krieg auf Widerstand stößt. Anteilnahme und Solidarität für die Getöteten in Amerika und ihre Angehörigen sind wichtig. Für die innenpolitischen Interessen von Bush und die strategischen Machtinteressen deutscher Eliten im Nahen Osten den Kopf hinhalten, hat damit nichts zu tun.

7. Es ist notwendig, einer Spirale von Rassismus entgegenzutreten. – Es gibt bereits Angriffe auf Ausländer, speziell auf Menschen aus arabischen Ländern oder aus mehrheitlich moslemischen Ländern, in den USA und auch hier. Das Spiel von oben ist dasselbe wie immer: Man will solche Übergriffe nicht haben, betreibt aber die Politik, die sie vorbereitet. Es geht eben nicht darum, dass „nicht alle Araber so sind“ oder der Islam auch ganz nett sein kann. Es geht um aktiven Schutz für Gefährdete, es geht um eine selbstkritische Haltung gegenüber der eigenen Politik und Dominanz. Es geht um das Anerkennen der Tatsache, dass es auch Hass gibt und dass er auch reale Gründe hat. Es geht um das Eingeständnis der Tatsache, dass der Westen jeder emanzipatorischen oder sozialen Alternative innerhalb des Islam oder innerhalb der arabischen Gesellschaften mit kompromißloser Härte entgegengetreten ist, einfach wegen des Öls. Und es geht darum, mit der realen Vielgestaltigkeit von Positionen, politischen Überzeugungen und sozialen Kräften endlich zu kooperieren, zu kommunizieren und zu verhandeln, anstatt sich die Feindbilder zu schaffen, die das eigene Draufhauen immer wieder aufs Neue legitimieren sollen.

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GUATEMALA

Die Terms of Trade beim Kaffee

(Bern, August 2001, arbeitsgruppe schweiz-kolumbien-Poonal).- Schon immer war der Kaffee- mit einem Umsatzvolumen von 55 Milliarden US-Dollar nach Erdöl das zweitwichtigste Handelprodukt auf den globalen Rohstoffmärkten – für die Solidaritätsbewegung des Südens ein Musterbeispiel der Ausbeutung. Aktuell hat nun die US-Zeitung The Boston Globe am Beispiel des guatemaltekischen Kleinproduzenten de la Rosa das ruinöse Kaffeegeschäft mit konkreten Zahlen illustriert. 90 Dollar kosten für ihn – wie für die meisten Produzenten in Guatemala – das Herstellen von hundert Pfund Kaffee. Aber nur 45 Dollar wird er in diesem Jahr ernten.

Für viele Kleinproduzenten ist somit schon der Weg in den Ruin vorgezeichnet. Sie werden sich in das von Jahr zu Jahr mehr verelendete Heer der Pflücker*innen einreihen, deren Lohn vor allem aufgrund von begrenzten Arbeitsverträgen gekürzt wird. Um nicht Sozialabgabe und Arbeitslosenkasse zu entrichten, sind die 3.500 Kaffee-Barone in dem mittelamerikanischen Land dazu übergegangen, die meisten Kontrakte mit unter drei Monaten Laufzeit abzuschließen.

Trotz Krise werden aber die Bohnen in der nördlichen Hemisphäre weiter ein profitables Geschäft bleiben. Der Ertrag der gesamten Ernte des guatemaltekischen Kleinpflanzers von 8.500 Dollar nimmt in den Industrieländern rasant an Wert zu. Nach Berechnung wird de la Rosa's Ernte am Ende der Kette, wenn der Verbraucher seine Kaffeetasse zubereitet, sich auf ein Umsatzvolumen von 750.000 US-Dollar addieren. Der Grund für die wundersame Wertsteigerung: Zwischen Kaffeebusch und Tasse gehen die Bohnen durchschnittlich durch 15 Hände. Wobei mehrheitlich für den Export sechs multinationale Unternehmen stehen (40 Prozent des Gesamtexports). Vier Unternehmen teilen sich dann das Geschäft der Vermarktung in den westlichen Industrienationen: Procter & Gamble Co., Phillip Morris Co., Sara Lee Corp. und Nestle SA.

 

KUBA

Land sucht Wirtschaftskooperation in Asien

(Havanna/Bangkok, September 2001, pl-Poonal).- Kubanische Wirtschaftskommissionen befinden sich in diesen Tagen in Thailand und China, um eine umfangreichere Zusammenarbeit mit beiden Ländern auszuloten. Das jährliche Handelsvolumen zwischen Kuba und Thailand wird derzeit auf nur zehn Millionen Dollar geschätzt. Die Delegation von der Karibikinsel folgte einer Einladung des thailändischen Außenministeriums. In China ist der Anlass für die Reise die internationale Investitionsmesse, die am 8. September begann. Die Gruppe kubanischer Funktionäre und Unternehmer hält sich jedoch bereits seit Anfang des Monats in China auf.

 

KOLUMBIEN

Friedenswoche

(Bogota, 5. September 2001, ac-Poonal).- In diesen Momenten, wenn die größten Skeptiker meinen, dass die politische Lösung des kolumbianischen Konfliktes kaum mehr zu retten ist, meldet sich die Zivilgesellschaft zurück und hat eine wichtige Rolle zu erfüllen. So wird vom 8. – 15. September im ganzen Land die Friedenswoche durchgeführt, welche das Recht zu träumen einfordert und darauf hinweist, dass die politische Verhandlung über den bewaffneten Konflikt hinausgeht und auch soziale und politische Konflikte miteinschließen muss.

Im Aufruf zur diesjährigen Friedenswoche, der diesmal vom Initiativennetz für den Frieden REDEPAZ gemacht wurde, heißt es: „Es gibt ein Volk, das träumt; es gibt ein lebendiges Kolumbien; es gibt ein Volk, das gegenüber dem offensichtlich umgehenden Tod, gegenüber dem dauernden Aufmarsch der autoritären Macht der Waffen, gegenüber der Angst und dem Schmerz, sagt ‚Kolumbien lebt!' Es ist notwendig, diese unaufhaltbare Kraft des Lebens, der Gewissheit des Kollektiven, der Hoffnung, etwas verändern zu können mit zwei, hundert, tausend multiplizieren zu können.“

 

Humanitäre Hilfe verliert neutralen Charakter

(Bogota, 5. September 2001, ac-Poonal).- Seit mehreren Jahren spricht man von der Degradierung des bewaffneten Konfliktes in Kolumbien. Man spricht damit unter anderem die Nicht-Unterscheidung von kämpfender und nicht-kämpfender Bevölkerung bei Kriegsoperationen an, sowie die Verallgemeinerung der Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, insbesondere des Artikel 14 des 2. Genferprotokolls, das den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe verbietet.

Eine der degradierendsten und unmenschlichsten Praktiken ist die Bevölkerung dem Hunger und der Bedürftigkeit mittels Lebensmittelblockaden, Besprühungen der Plantagen und der Zerstörung von Lebensmittelkulturen auszusetzen. Gerade in jüngster Zeit wurden gewaltsam humanitäre Hilfeleistung in umkämpften Gebieten verhindert.

So beschlagnahmten z.B. im vergangenen Jahr paramilitärische Gruppen im Süden des Dep. Bolivar die Güter der humanitären Hilfe des nationalen Solidaritätsnetzes, deren Funktionäre in Begleitung von Personal der Ombudsstelle (Defensoría del Pueblo), der Vizepräsidentschaft und der Aufsichtsbehörde den betroffenen Gemeinden zukommen lassen wollten. In Jamundí im Dep. Valle del Cauca brachte der Bürgermeister Libardo Pedregón die Vertriebenen in seiner Gemeinde mittels Täuschungen zum Verlassen des Ortes und ließ sie in Fahrzeugen der Gemeinde nach Buenaventura bringen, wobei er ihnen jegliche humanitäre Hilfe verweigerte, wie die Menschenrechtsorganisation Sembrar jüngst öffentlich erklärte. Im Chocó führten humanitäre Hilfsaktionen zum Teil zu Streit zwischen Gruppen von Vertriebenen, einerseits aufgrund von Bevorzugungen aber auch aus Mangel an Hilfsgütern. In diesem Departement kam es auch zum schwersten Zwischenfall in Bezug auf internationale Hilfe. Ein Boot mit Nahrungsmitteln für die Bevölkerung des mittleren Atrato-Flusses wurde von einem Boot der Paramilitärs angegriffen, wobei ein kolumbianischer Priester und der spanische Freiwillige Iñigo Eguiluz starben.

Im Fall des Putumayo hatten Gewerkschaften Hilfsgüter für Vertriebene gesammelt, konnten diese aber aufgrund der Militärsperren nicht direkt den Betroffenen übergeben. Die Armee nahm die Hilfsgüter entgegen und versprach, sie den Vertriebenen zukommen zu lassen. Damit wurde die Hilfe zu einem militärischen Objekt, in Verletzung ihres neutralen Charakters. Die Hilfsgüter selbst kamen nie bei den Betroffenen an. Was mit ihnen geschehen ist, ist bis heute nicht bekannt.

Die Mehrzahl der Übergriffe auf humanitäre Hilfeleistungen finden seitens des Militärs statt, weil die Bevölkerung als „Helfer der Guerilla“ angesehen wird.

 

Campesinos setzen auf Koka statt Kaffee

Von Delf Bucher

(Bern, August 2001, arbeitsgruppe schweiz-kolumbien-Poonal).- Die Seismographen der New Yorker Kaffeebörse haben es schon im November 2000 aus dem Kaffeesatz prophezeit: Der Kaffeepreis rutscht konstant in den Keller. Die schlechten Nachrichten aus New York ließen die Banker in Nicaragua aufhorchen. Als im März die Kleinproduzenten mit Jeeps und Maultieren ihre Kaffeesäcke aus dem Hochland nach Jinotega transportierten, standen die Betreibungsbeamten bereits parat, um den Produzenten ihre Bohnen abzuknöpfen. Wenig später ballten dann die Campesinos nicht nur die Faust in der Hosentasche, sondern zogen mit 5.000 Pflanzern vor die Lagerhäuser auf, um die Konfiskation ihres Ernteguts zu verhindern. „Wir lassen nicht unsere Fincas vernichten“, sagt Eduardo Rizo von der lokalen Kaffeepflanzer-Assoziation und hakt gegenüber den örtlichen Zeitungen nach: „Der Kaffeepreis deckt nicht einmal mehr die Produktionskosten.

Zur gleichen Zeit wurde auch in Kolumbien die Federación Nacional de Cafeteros aktiv und sendete einen Brief an die Regierung. Der 1927 gegründete Verband Federacafé hat ein besonderes Gewicht im politischen und wirtschaftlichen Gefüge Kolumbiens. Unter seiner Regie wurde früh eine strikte Qualitätskontrolle etabliert, was den Cafeteros bis heute 10 Cent mehr für den Arabica-Kaffee garantiert als der gleichen Sorte aus anderen Ländern. Mit technischer Assistenz und Frühwarnsystemen bei nahenden Pflanzenkrankheiten gelang es dem Verband, die Mehrheit der 570.000 Cafeteros zu organisieren.

Einzigartig war vor allem eines: Federacafé baute als Exportzentrale einen Fonds auf, in denen bei hohen Preisen die Cafeteros einen Teil des Überschusses einzahlten. Bei Kursverfall entnahm man wieder Mittel, um einen Mindestpreis zu garantieren. Als sich nun der Preis für kolumbianischen Kaffee innert zwei Jahre mehr als halbierte (1999: 1,12 Dollar; Juli 2001: 0,52 Dollar), ging dem Kompensationsfonds das Geld aus. Nun sollte die Regierung helfen.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, fand im April 2001 eine machtvolle Demonstration der Cafeteros in Bogotá statt. Mittlerweile hat die Regierung Fördermittel bereitgestellt, um 6.000 der hoch verschuldeten Cafeteros vor dem Ruin zu bewahren. Im August hat sich aber die Krise verschärft. Während die Regierung im Begriff war, weitere Umschuldungsmaßnahmen für die wirtschaftlich bedrängten Cafeteros auszuarbeiten, kündigte das für die Cafeteros wichtige Kreditinstitut Bancafé an, innert der nächsten 90 Tage auf die Rückzahlung aller fälligen Kredite zu bestehen. Während Federacafé-Sprecher Mario Gómez Estrada gegenüber der Zeitung El Tiempo von einer Provokation sprach, gab Bancafé-Präsident Pedro Nel Ospina kühl zu Protokoll: „Bancafé kann keine Unterstützungsgelder für die notleidenden Cafeteros gewähren. Das ist die Aufgabe der Regierung.“

Im Klima wachsender Verschuldung und sinkender Erträge verwundert es kaum: Zwischen den Kaffeesträuchern gedeiht immer mehr auch die Kokapflanze. Das bringt nun die us-amerikanischen Drogenkrieger auf den Plan, die sich derzeit intensiv mit dem kolumbianischen Kaffeeanbau beschäftigen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters Anfang Juni sieht der Landwirtschaftsattaché der US-Botschaft in Bogotá die größte Herausforderung für die Kaffeepflanzer in der Rationalisierung der Arbeitskraft. Tatsächlich ist der kolumbianische Anbau auf nahezu 600.000 Pflanzer verteilt, die auf einer Fläche von 800.000 Hektaren, also 1,4 Hektar im Schnitt, die Bohnen anbauen. Neben den Kleinproduzenten sind noch 170.000 Familien als Tagelöhner wirtschaftlich auf den Kaffeeanbau angewiesen. Kaffee-Anbau stellt so in der in der Arbeitsstatistik Kolumbiens das wichtigste Element dar.

Nach us-amerikanischen Vorstellungen soll der joviale Juan Valdez, die legendäre Logo-Figur, die seit 40 Jahren für Café Colombia wirbt, von seinem Maulesel gestoßen werden. Statt Maultieren sollen Camions, statt die Sonne zum Trocknen der Bohnen zu nutzen, sollen maschinelle Gebläse zum Einsatz kommen. Der Modernisierung der arbeitsintensiven kolumbianischen Kaffee-Kulturen im Hightech-Stil steht aber – zum Glück für die kleinen Pflanzer und Plantagenarbeiter – die andine Topographie der Anbauregionen entgegen. In den Kaffeeregionen zwischen 1600 bis 1800 Metern ist der maschinelle Großeinsatz wie beim weltgrößten Kaffeeproduzenten Brasilien nicht möglich.

Brasilien, auf dessen Hightech-Plantagen immerhin ein Drittel der Weltproduktion unterm Einsatz von chemischer Keule heranwächst, hat die Modernisierungsoffensive im Jahre 1994 begonnen. Damals zerstörten starke Fröste die traditionellen Anbaugebiete. Die Folge: Die Anbaugebiete wanderten mehr in niedrigere, von Frösten ungefährdete Regionen. Mit der kapitalintensiven Mechanisierung des Anbaus war auch sozial unwiderruflich klar gestellt: Der Kaffeeanbau gehört in die Domäne der Großgrundbesitzer-Klasse.

Der Preiszerfall an den globalen Rohwaren-Börsen trifft deshalb den Weltmarktführer weniger als die anderen Staaten, die sich im Verband der kaffeeanbauenden Länder ACPC organisiert haben. Die ACPC hat sich schon in den 60er Jahren konstituiert, um als eine Art Kaffee-Opec einen existenzsichernden Preis für das Produkt der Kaffeeanbauer zu erzielen. Schon seit 40 Jahren versuchen die kaffeeproduzierenden Länder mit Kaffeeabkommen die Preise zu stabilisieren. Der Kontrakt von 1976 verpflichtete Import- wie Exportländer zu festverankerten Preisen und Abnahmequoten. In den späten 80er Jahren witterte die Reagan/Bush-Administration planwirtschaftliches Ungemach und verweigerte der Verlängerung des Kaffee-Abkommens ihre Unterschrift. Die Kaffeepreise sanken ins Bodenlose.

Wenn auch keine Statistik Hunger und Verelendung der Kaffeeproduzenten festhält, waren die Schockwellen des Kaffee-Crashs in den Anbauländern unübersehbar. Im Sog niedriger Kaffeepreise wurde der grausame Bürgerkrieg in den ostafrikanischen Kaffeeländer Ruanda und Burundi ausgelöst. In Kolumbien und Bolivien verstärkte sich massiv der Coca-Anbau. Positiv dabei: Unterm Druck der Kaffee-Barone formierte sich auch der indigene Widerstand der Zapatisten (damit soll aber keiner kruden Verelendungstheorie für soziale Umwälzungen das Wort gesprochen werden).

Zwölf Jahre später, im Januar 2001, forderte die Pastrana-Administration die Wiederbelebung des internationalen Kaffeeabkommens. Da supranationale Kartelle (außer dem OPEC-Kartell, an dem die US-Öl-Lobby gleichermaßen daran verdient) für die USA einen Schritt in Richtung Staatssozialismus bedeutet, können für die Preis-Stabilisierung nur die Anbauländer selbst aktiv werden. Im Mai trafen sich dann die ACPC-Länder in London. Die Teilnehmer einigten sich darauf, mit einschneidenden Lieferbeschränkungen den Preis wieder auf 0.95 US-Dollar hochzubringen. Nun im August hat sich Kolumbien zusammen mit den mittelamerikanischen Ländern auf eine Vernichtung von 5 Prozent ihrer Lagerbestände geeinigt.

Offiziell trägt Brasilien die Linie der ACPC-Länder mit, hält sich indes bedeckt, eine konkrete Menge zu nennen, die für die Preisstabilisierung zurückgehalten werden soll. Für gut informierte Beobachter ist indes klar: Brasilien nutzt illegale Kanäle in anderen Ländern wie beispielsweise Paraguay, um die vorgeblich aus dem Markt genommenen Bohnen in den Weltmarkt einfließen zu lassen. Im britischen Economist wird beispielsweise die Meinung vieler Plantagenbesitzer angeführt, die ein Ausscheren aus dem Kartell und eine preisliche Schock-Therapie empfehlen, um langfristig das Überproduktionsproblem zu lösen. Die Strategie könnte tatsächlich die traditionellen mittel- und lateinamerikanischen Produzenten verdrängen. Dann wäre aber eines gewiss: Asiatische Anbauländer und nicht allein Brasilien würden diese Lücke füllen. Im rasanten Aufstieg vor allem der Teetrinker-Nation Vietnam liegt nämlich der Hauptgrund für die jetzige Schwemme an den internationalen Rohwaren-Börsen begründet.

Innerhalb einer Dekade ist das südostasiatische Land zu einer großen Kaffeeanbau-Nation der Welt aufgestiegen und hat mit einer Ernte von 14.000 Kaffeesäcken zu 60 Kilo im Jahr 2000 Kolumbien (12.000 Säcke) überholt. Die sozialistische Republik scherte sich kaum um internationale Solidarität. Nicht eingebettet in die Organisation der Kaffee anbauenden Länder ACPC, überschwemmte das Land mit seinen Billigbohnen den Weltmarkt. Vietnams Kaffee-Ernte macht mit 10 Prozent beinahe exakt das Volumen der globalen Überproduktion aus und löste die Achterbahnfahrt der Preise aus. Nun hat Vietnam verkündet, ein Drittel der bisherigen Anbaufläche der Kaffeesträucher herauszureißen. Auf dieses Statement reagierte die Börse nicht (Financial Times, 15.8.01), sondern der Sinkflug des Preises ging weiter und liegt nun tiefer als im Jahr 1965. Die Analysten vermuten, dass Vietnam nur alte Sträucher und weniger effiziente Anbauflächen aus dem Markt nehmen will, sonst aber weiter auf Expansionskurs bleibt.

Die Weltbanker plagt kein schlechtes Gewissen über den von ihnen initiierten Verdrängungsprozess im Kaffee-Business. „Es ist ein unaufhörlicher Prozess, der in allen Ländern der Erde stattfindet. Der effizientere, günstigere Produzent expandiert auf Kosten der weniger wirtschaftlichen Produzenten“, zitiert der San Francisco Chronicle den Weltbank-Chefökonomen Donald Mitchell. Ganz so harmlos ist die reine Lehre der Weltbank nicht. Der Kahlschlag fürs Kolonialprodukt im Regenwald von Vietnam treibt die ethnischen Minderheiten, die sich von den Kaffeepflanzern des Mehrheitsvolkes der Kinh ums Land betrogen fühlen, auf die Barrikaden. Im März zog ein Heer von Militärs und Polizisten im zentralen Hochland auf, um den militanten Protest zu unterdrücken.

Die Rezeptur für eine Gesundung des Kaffeemarktes heißt ganz sicher: Das internationale Kaffeeabkommen muss wieder wiederbelebt werden, um existenzsichernde Einkünfte für die Campesinos zu garantieren. Im Kleinen können hier die Konsument*innen indes einiges bewirken, wie Max Leuzinger vom Basler Fair-Trader Max Havelaar betont. Havelaar zahlt mit einem Abnahmepreisvon 1,24 Dollar pro Pfund Arabica mehr als das Doppelte des jetzigen Weltmarktpreises. Heute sind bereits 500.000 Personen Nutznießer des Fair-Trade-Kontraktes und viele Kleinproduzenten stehen in der Warteschlange. Um mehr Kaffee unter die Konsumentinnen und Verbraucher zu bringen, fordert Leuzinger die Erweiterung der Produktepalette. „Mehr Havelaar-Kaffee in den Regalen führt nur zu einer Kannibalisierung der Marken untereinander“, winkt Coop-Sprecher Karl Weisskopf ab. Der Global Player Nestlé, der immerhin weltweit mehr als die Hälfte des löslichen Kaffees in Umlauf bringt, will von Fair-Trade-Labels ebenfalls nichts wissen. Nur Migros könnte sich vorstellen, mehr als ihre bisherigen fünf Produkte ins Regal zu stellen. Trotzdem liegt die Schweiz mit fünf Prozent Marktanteil der Havelaar-Bohnen weltweit an der Spitze. Aber in der Gastronomie harzt der Absatz. Der Großkunde Swissair will beispielsweise vom Herbst an keinen Kaffee mehr mit Campesino-Siegel ausschenken, um 200.000 Franken Mehrkosten einzusparen. Und Starbucks, der in den USA Fair-Trade-Kaffee im Angebot hat, bietet in seiner Zürcher Filiale der ethisch bewussten Klientel keine entsprechende Alternative.

 

PERU

Anhängerinnen Fujimoris verlieren parlamentarische Immunität

(Lima, 10. September 2001, na-Poonal).- Die Kongressabgeordneten der Fujimori-Bewegung Cambio 90-Nueva Mayoría (Wechsel 90- Neue Mehrheit), Luz Salgado und Carmen Lozada, dürfen für die nächsten fünf Jahre kein öffentliches Amt bekleiden. Zusammen mit ihnen wurden 13 ehemalige Kongressabgeordnete und zwei ehemalige Minister der Regierung von Alberto Fujimori (1990-2000) bestraft.

Der Kongress stimmte am 16. August in seiner Mehrheit dafür, den Personen, die in einem Video gemeinsam mit dem ehemaligen De-facto-Chef des Geheimdienstes Vladimiro Montesinos zu sehen sind, wie sie Maßnahmen besprechen, die die Wiederwahl Fujimoris im Jahr 2000 garantieren sollten, wegen dieses schweren Verfassungsverstoßes ihre Bürgerrechte vorübergehend zu entziehen. Die genannten Personen planten, die Justiz, das Innenministerium und das Nationale Schwurgericht für Wahlen zu manipulieren und sich dort alle Stimmen zu sichern.

Außerdem stimmte der Kongress am 28. August einstimmig dafür, Fujimori verfassungsmäßig wegen Delikten gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Grundlage dafür sind das Massaker von Barrios Altos im Jahr 1991, bei dem 15 Personen starben, darunter ein Kind, und jenes an der Universität von La Cantuta, wo neun Studenten und ein Professor 1992 ermordet wurden. Ausgeführt wurden die Morde von der paramilitärischen Gruppe Colina, die aus Agenten des Geheimdienstes bestand.

Die Untersuchungskommission des Kongresses kam zu dem Schluss, dass die Gruppe Colina nicht ohne Wissen und Zustimmung von Fujimori gehandelt haben kann. Der Fall wird in die Hände der Justiz und des Innenministeriums übergehen, die den Antrag auf Auslieferung des Ex-Präsidenten stellen müssen. Dieser befindet sich unter dem Schutz der japanischen Regierung.

 

Erweiterte Wahrheitheitskommission nimmt Arbeit wieder auf

(Lima, 5. September 2001, alc-Poonal).- In Anwesenheit des neuen Staatspräsidenten Alejandro Toledo und um fünf Mitglieder verstärkt hat die peruanische Wahrheitskommission ihre Arbeit am 5. September wieder aufgenommen. Die jetzt zwölf Mitglieder sollen Menschenrechtsverletzungen im Zeitraum zwischen 1980 und 2000 im Land aufarbeiten und aufklären.

Die Komission zählt auf die Unterstützung des UNO-Entwicklungsprogramms (PNUD). Unter anderem soll damit ein „sauberer und verdachtsfreier Umgang mit der (Geld-)Mittel“ gewährleistet werden. Alejandro Toledo unterstrich die Pluralität der Wahrheitskommission. Jeder solle mit Unabhängigkeit vorgehen können, „die die Arbeit, die die Kommission der Regierung präsentieren wird, bereichern wird“. Besonders hob Toledo die Beteiligung des neuen Mitglieds General i.R. Luis Arias Grazziani hervor. Ein großer Teil der Untersuchungen beschäftigt sich mit Menschenrechtsverletzungen des Militärs.

 

BOLIVIEN

Trauer um Gewerkschaftsführer

(La Paz, September 2001, na-Poonal).- Der legendäre Gewerkschaftsführer Juan Lechín Oquendo starb mit 89 Jahren an Herzversagen.

Lechín, bekannt als „Meister“ der bolivianischen Arbeiter, gründete 1946 den Gewerkschaftsbund der Bergarbeiter und 1952 den Dachverband Central Obrera Boliviana. Beides sind Bastionen des Kampfes gegen die Militärdiktaturen und die neoliberale Wirtschaftspolitik, die seit 1985 durchgesetzt wird.

Er war Mitglied der Nationalistischen Revolutionsbewegung (MNR), die die Revolution von 1952 anführte, welche den Bergbau nationalisierte, das allgemeine Wahlrecht durchsetzte, die Agrarreform durchführte und die Bildungsreform anschob.

Mit Lechín endet die Dynastie politischer und gewerkschaftlicher Führer, die an der Revolution von 1952 teilnahmen. Im Juni starb Ex-Präsident Víctor Paz Estenssoro, der das Land ab 1952 mit Unterbrechungen vier Mal regierte, mit 93 Jahren.

 

CHILE/USA

Kissinger wegen Ermordung des Ex-Armeechefs von Chile angeklagt – US-Regierung und CIA sollen Pinochet-Putsch organisiert haben

Von Roberto Roa

(Santiago de Chile, 11. September 2001, npl).- Angehörige des 1970 ermordeten chilenischen Armeechefs Rene Schneider haben am Montag Klage gegen den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger und weitere hohe US-Beamte eingereicht. Den Anwälten zufolge wird den Beklagten „gemeinschaftliche Erschießung“ vorgeworfen. In der vor einem Bundesgericht in Washington eingereichten Zivilklage fordern die Familienangehörigen eine Entschädigung von drei Millionen US- Dollar.

„Die USA wollten nicht, dass Salvador Allende die Präsidentschaft in Chile antritt, und mein Vater war das einzige politische Hindernis für einen Putsch,“ erklärte Rene Schneider, gleichnamiger Sohn der früheren Generals nach Einreichung der Klage. „Ich will keine Rache, ich will nur, dass die Wahrheit ans Licht kommt,“ fügte er hinzu.

Grundlage der Klage sind Dokumente aus US-Archiven, die bis vor kurzem unter Geheimhaltung standen. Aus ihnen geht hervor, das die US-Regierung unter Richard Nixon und der Geheimdienst CIA aktiv an der Destabilisierung der Regierung des 1970 gewählten, sozialistischen Präsidenten Allende beteiligt gewesen waren. Der Armeechef Schneider war ihnen offenbar ein Dorn im Auge, weil er sich gegen eine politische Teilhabe der Streitkräfte sperrte. Bei einem Entführungsversuch im Oktober 1970, nur wenige Wochen nach Allendes Wahlsieg, wurde General Rene Schneider erschossen – im Auftrag der CIA, so die Meinung der Kläger.

In einem Bericht des US-Fernsehsenders CBS hatte am Sonntag Peter Kornbluh, Mitarbeiter des unabhängigen Nationalen Sicherheitsarchivs, die inzwischen freigegebenen Dokumente dahingehend interpretiert, dass das Weiße Haus die Militärs dazu bewegen wollten, die Macht in Chile zu ergreifen. Stellvertretend für die Witwe und seine zwei Brüder bekräftigte Rene Schneider in der CBS-Sendung, dass sein Vater offenbar unter Beteiligung von US-Beamten ermordet wurde und forderte Rechenschaft.

Die Klage richtet sich namentlich gegen Henry Kissinger, den damaligen CIA-Direktor Richard Helms und den damaligen US- Militärbeauftragten in Chile, Paul Wimert. Dem Anwaltsteam sitzt Michael Tigar vor, der sich bereits in mehreren Menschenrechtsprozessen einen Namen machte. Um die Aussichten auf einen Sieg vor Gericht zu steigern, entschied Tigar sich für eine Zivilklage: Hierbei muss die Schuld des Beklagten nicht ganz so einwandfrei festgestellt werden wie in Strafrechtprozessen – dies kam auch im Fall des Footballspielers O.J. Simpson zum tragen, der vor einem Strafgericht mangels Beweisen freigesprochen wurde, vor einem Zivilgericht jedoch wegen Mordes an seiner Frau verurteilt wurde.

Kissinger bestritt bereits in seiner 1979 erschienenen Biografie jegliche Verantwortung für den Tod des chilenischen Armeechefs. Doch der Name Henry Kissinger, Inbegriff für eine souveräne Außenpolitik der USA in den 60er und 70er Jahren, wird inzwischen immer öfter im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen und möglichen juristischen Konsequenzen genannt. Ein argentinisches Bundesgericht bringt Kissinger mit der Ermordung von Oppositionellen im Rahmen der „Operation Condor“ während der südamerikanischen Diktaturen in Zusammenhang. Ein französischer Richter wollte Kissinger zum Verschwinden französischer Staatsbürger in Chile unter Pinochet vernehmen, was die US- Regierung zu verhindern wusste. Und in Chile soll Kissinger wegen der Ermordung des US-Journalisten Charles Horman aussagen – der Fall, den der Politthriller „Missing“ zum Thema hat.

Gegen Kissinger, der 1973 den Friedensnobelpreis verliehen bekam, liegt inzwischen sogar eine umfassende Anklageschrift vor – in Form des Buches „The Trial of Henry Kissinger“, das der britische Journalist Christopher Hitchens vor wenigen Monaten in den USA veröffentlichte. Detailliert weist Hitchens dem heute 78-Jährigen massive Menschenrechtsverletzungen nach, unter anderem in Indochina und Ost-Timor, aber am deutlichsten in Chile, wo er 1973 den Putsch von Augusto Pinochet gegen Salvador Allende organisiert haben soll. Kissinger sei ein Kriegsverbrecher, der vor ein internationales Tribunal gestellt werden müsse, so die Schlussfolgerung von Hitchens.

 

URUGUAY

Vadora kann nicht ausgeliefert werden

(Montevideo, 6. September 2001).- Die uruguayische Regierung „enthält sich“, die Forderung nach Festnahme des ehemaligen Chefs der uruguayischen Armee, General a.D. Julio César Vadora, zu erfüllen. Die Festnahme war vom argentinischen Richter Rodolfo Canicoba Corral gefordert worden.

Stattdessen bereiteten sich die Ordnungskräfte darauf vor, die „Grenzüberwachung“ zu verbessern, um die Ausreise des angeklagten Militärs zu verhindern, der den uruguayischen „Flügel“ des Plan Condor darstellt. Im Zusammenhang mit dem Plan Condor ist der Militär angeklagt, für Folter, Verschwindenlassen und Tod von zahlreichen Urugayer*innen, die nach Argentinien exiliert waren.

Die Maßnahme der Regierung ist dieselbe, die sie einige Wochen zuvor bei der Forderung von Richter Corral nach Festnahme der urugayischen Offiziere José Gavazzo, Manuel Cordero, Jorge Silveira und Hugo Campos Hermida ergriff. Damals sah die Regierung die Grenzsicherung als Maßnahme, die die Festnahme nicht ausschließe, und wollte auf das Auslieferungsbegehren warten.

In einer Resolution des Innenministeriums wurde deutlich, dass „in dem Fall allgemeine, öffentliche und kollektive Interessen im Spiel“ seien, was bedeutete, dass sie keinen Druck ausübten weil sie dazu nicht in der Lage waren.

Vadora nahm an den Versammlungen teil, die1973 zu den Erhebung des Militärs führten, und nach nun freigegebenen Dokumenten des Pentagon gehörte er also an den verdeckten Operateuren, die die Zerschlagung oppositioneller Gruppen und das Verschwindenlassen uruguayischer Menschen, vor allem in Argentinien, organisierte.

Somit ist General Vadora gezwungen, sich in Uruguay aufzuhalten, dem einzigen Land, in dem der internationale Haftbefehl, der gegen ihn besteht, nicht vollstreckt wird.

 

Armee zeichnet Menschenrechtsverletzer aus

(Montevideo, 8. September 2001).- Die uruguayische Armee hat Hauptmann a.D. Jorge Silveira, gegen den wegen Menschrechtsverletzungen ein Haftbefehl besteht, in Anerkennung der geleisteten Dienste eine Medaille verliehen. Die Verleihung fand anlässlich des nationalen Veteranentages statt, bei dem alle ehemaligen Offiziere und Befehlshabende ausgezeichnet werden. Nach Informationen der Tageszeitung „La República“ wurden dabei Orden an zwei Dutzend ehemalige Militärs vergeben, unter ihnen auch der unter dem Namen „Pajarito“ bekannte Folterer Jorge Silveira.

Silveira gehörte zu Gruppen, die in der „Koordinierenden Organisation für antisubversive Operationen“ (OCOA) arbeitete, die Teil des „Plan Condor“ waren. Zu seiner Funktion als Folterer in La Tablada gibt es eine Reihe von Zeugenaussagen. Außerdem leitete er den psychologischen Krieg gegen die Politischen Gefangenen in dem Internierungslager für Frauen, Punta Rieles. Er gehört zu denjenigen, die direkt in die Entführung und das Verschwindenlassen der Nichte des argentinischen Dichters Juan Gelman, das der Lehrerin Elena Quinteros und des Sohnes von Sara Méndez, Simón Riquelo, verwickelt ist. Aufgrund dieser Verbrechen wird seine Auslieferung von argentinischen und spanischen Richtern gefordert.

 

LATEINAMERIKA

Waffen und Korruption

(Lima, 10. September 2001, na-Poonal).- Die südamerikanischen Länder haben zwischen 1991 und 2000 über 210 Milliarden US-Dollar für Waffen ausgegeben. Diese Zahl, die vom Internationalen Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI) veröffentlicht wurde, bedeutet eine Zunahme von 59 Prozent gegenüber den 80er Jahren und die zweithöchsten Militärausgaben weltweit. Nur die nordafrikanischen Länder hatten eine größere Steigerung , nämlich 74 Prozent im gleichen Zeitraum. In Zentralamerika wuchsen die Käufe von Rüstungsgütern während des vergangenen Jahrzehnts von 2,2 auf 2,9 Milliarden US-Dollar.

Zwar brachen in diesem Zeitraum keine längeren bewaffneten Konflikte zwischen den südamerikanischen Ländern aus – mit Ausnahme der Zusammenstöße zwischen Peru und Ecuador im Jahr 1995- doch der Anstieg der Waffenkäufe ist vor allem inneren Kriegen geschuldet, besonders der Bekämpfung von Untergrundbewegungen oder der Zerschlagung von Organisationen des Drogenhandels in Ländern wie Kolumbien und Brasilien.

Die strategische Verteidigung der Grenzen und der Rüstungswettlauf zwischen Kolumbien und Venezuela, Chile und Argentinien, Peru und Ecuador und Peru und Chile ist immer noch ein wichtiger Faktor für den Anstieg der Militärausgaben. Man befürchtet, die Absicht Chiles, ein Dutzend Kampfflugzeuge vom Typ F 16 von den USA zu kaufen, werde den Kauf ähnlicher Waffen in den Nachbarländern anregen.

Brasilien kündigte kürzlich an, es werde 24 neue Kampfflugzeuge für 700 Millionen US-Dollar kaufen. Das ist anscheinend nur die erste Etappe eines Gesamtkaufs von 100 Kriegsflugzeugen für drei Milliarden US-Dollar.

Der peruanische Präsident Alejandro Toledo forderte Ende Juli, den Kauf von Angriffswaffen einzufrieren. Am 19. August beschuldigte der peruanische Verteidigungsminister David Waisman Chile, das strategische Gleichgewicht der Region zu zerstören.

Publikationen wie die britische Jane's oder die us-amerikanische Defense News weisen darauf hin, dass die Korruption ein weiterer Faktor hinter dem Anstieg der Waffenkäufe ist. In Peru steckte die Regierung von Ex-Präsident Alberto Fujimori (1990-2000), die verantwortlich für einen der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des Landes ist, 1,9 Milliarden US-Dollar in den Erwerb von Rüstungsgütern.

In einem Schritt hin zur Reduzierung der Militärausgaben in der Region haben Argentinien und Chile am 28. August ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die Länder, beraten durch die Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL), ein gemeinsames System zur Messung der Militärausgaben schaffen wollen. Dieses System soll dabei helfen, den Verteidigungshaushalt beider Länder anzugleichen. Die CEPAL plant zum Jahresende die Durchführung eines Seminars, auf dem auch den anderen Ländern der Region die standardisierte gemeinsame Messmethode für Militärausgaben angeboten werden soll.

 

 

 

   

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