Hohe Erwartungen – Papstbesuch in Mexiko

von Gerd Goertz

(Mexiko-Stadt, 11. Februar 2016, npl).- Schon Tage vorher war es das beherrschende Thema in den mexikanischen Medien. Seit Freitag Abend, 12. Februar, hält sich Papst Franziskus zu einem fünftägigen Besuch in Mexiko auf. Erwartungshaltung und Spannung sind groß. „Einige fürchten ihn, andere machen sich Illusionen“, brachte dies ein Zeitungskommentar auf den Punkt. Es gibt viele sensible Themen, die der Papst ansprechen wird. Die Frage ist, in welcher Form und Deutlichkeit. Mariano Palacios Alcocer, der mexikanische Botschafter im Vatikan, beeilte sich im Vorfeld zu erklären, niemand habe Francisco gebeten, mögliche brisante Aussagen abzuschwächen.

Dennoch dürfte in der Regierung und bei Präsident Enrique Peña Nieto eine gewisse Nervosität herrschen. Bis zuletzt wurde offenbar mit der mexikanischen Bischofskonferenz und der Regierung verhandelt, ob die Familienangehörigen der 43 verschwundenen Lehramtsstudenten der Landuniversität von Ayotzinapa im Bundesstaat Guerrero von Franziskus angehört werden. In dem paradigmatischen Fall arbeiteten Ende September 2014 der Bürgermeister der Stadt Iguala, die lokale Polizei und das Organisierte Verbrechen Hand in Hand. Die genaue Rolle der an den Tatorten präsenten Bundespolizei und des Militärs ist immer noch ungeklärt.

Visiten in Ciudad Juárez und Chiapas

Wie deutlich wird der Papst die Armut und soziale Ungleichheit, die erniedrigende Behandlung mittelamerikanischer Migrant*innen auf ihrem Weg in die USA, die mehr als 26.000 Verschwundenen, die Umweltverbrechen in Mexiko ansprechen? Wird er auf die Forderung des Obersten Indigenen Rates des Bundesstaates Michoacán eingehen, sich für „Plünderung und Verfolgung“ der spanischen Eroberer zu entschuldigen, weil die katholische Kirche eine Rolle als Komplize und Verbündeter eingenommen habe? Was hat Franziskus zu den Priester-Päderasten in der mexikanischen Kirche zu sagen, die über Jahre von der Kirchenhierarchie geschützt wurden? Wird er auf deren Opfer zugehen? Wie klar wird der Papst in Ciudad Juárez, traurig berühmt wegen der hohen Anzahl von Feminiziden, die staatliche Mitverantwortung erwähnen? In dieser Stadt wird Franziskus sich mit Migrant*innen und Gewaltopfern treffen.

Ein weiteres schwieriges Feld: Geht der Papst nicht auf erkennbare Distanz zur machtnahen und konservativen Mehrheit der mexikanischen Bischofskonferenz, wird dies sicherlich Kritik auf sich ziehen. Aber zeigt er zu viel offene Sympathie für Bischof Raúl Vera, dem mit Abstand kritischsten der mexikanischen Bischöfe, riskiert Franziskus möglicherweise einen diplomatischen Eklat. Vera wird nicht müde, Staat und Regierung wegen der „strukturellen Gewalt“ im Land anzuprangern. Derzeit führt er eine Kampagne für eine verfassungsgebende Versammlung „von unten“.

Das Programm des Papstes für die fünf Tage ist minutiös geplant, das Sicherheitsaufgebot enorm. Während des gesamten Aufenthaltes wird er die Nächte in der päpstlichen Nuntiatur in der Hauptstadt Mexiko City verbringen. Von dort aus sind Besuche, Messen und Großveranstaltungen in den Bundesstaaten México, Chiapas, Michoacán und Chihuahua vorgesehen. Je öfter Franziskus das Protokoll und die Diplomatensprache durchbricht, desto spannender dürfte sich seine Mexikoreise gestalten.

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