Feuer ist unverkäuflich … und Wasser auch – große Lücken im geplanten Wassergesetz

von Luis Ángel Saavedra

(Lima, 18. November 2009, noticias aliadas).- „Wasser und Feuer werden gemeinschaftlich genutzt“, beteuern die Alten der Quichua-Indígenas in den ecuadorianischen Anden. Darum verstehen sie nicht, weshalb versucht wird, Wasserquellen oder Flussläufe zu verkaufen. Sie sagen: „Feuer ist unverkäuflich … und Wasser auch!“

Diese Überzeugung der Indígenas spiegelt sich in mehreren Artikeln der neuen ecuadorianischen Verfassung, vor allem in den Artikeln 3 und 12. Die Verfassung schreibt fest, dass Wasser ein Menschenrecht ist und nicht privatisiert oder beschlagnahmt werden darf. Auch ist eine Rangfolge für die Nutzung des Wassers festgelegt, wobei der Konsum durch die Menschen Priorität hat. Erst danach folgt die Bewässerung für die Landwirtschaft, dann die Wasserversorgung für Vieh und Aquakultur, um die Ernährungssicherheit zu garantieren, anschließend die Sicherung der ökologisch notwendigen Mindestwassermenge, die ein Fluss führen muss, dann produktive Tätigkeiten, und schließlich die Nutzung für Erholung und Kultur.

Die sekundären Rechtsvorschriften und die Entwicklungspläne der Regierung müssten sich an den in der Verfassung verankerten Prinzipien orientieren. Das neue Wassergesetz jedoch (Ley de Recursos Hídricos), das in der Nationalversammlung behandelt wird, enthält eine Reihe von Festlegungen, die dem Geist der Verfassung widersprechen. Zu den am heftigsten umstrittenen Punkten zählt Artikel 3 des Gesetzesvorhabens, in dem just vom Verbot der Privatisierung des Wassers die Rede ist. Es heißt darin, dass die Vergabe von Konzessionen an „ausschließlich private“ Unternehmen verboten sei. Der Umweltexperte Ricardo Buitrón weist jedoch darauf hin, dass „der Artikel 3 die Möglichkeit offen lässt, gemischte Gesellschaften aus lokalen Regierungen oder der Zentralregierung und privaten Unternehmergruppen zum Zwecke der Vermarktung des Wassers zu bilden.“

Beispiele für diese Art und Weise, sich das Wasser anzueignen und damit äußerst rentable Geschäfte zu machen, sind in verschiedenen Gemeinden des Landes zu beobachten. Zukünftig könnten sich die Privatunternehmen, die derzeit Wasserkonzessionen haben, in gemischte Gesellschaften verwandeln, um weiter am Wasser zu verdienen. Andererseits regelt das Gesetzesvorhaben auch nicht, wie der Staat die schon vergebenen Konzessionen von den privaten Unternehmen zurückerlangt, bzw. inwieweit die mit der Wasserversorgung verbundenen Dienstleistungen privatisiert werden sollen, etwa die Verbrauchsmessung, die Abrechnung, die Installation der Infrastruktur u.ä.

Die Konzessionsinhaber haben die mit den Gemeinden abgeschlossenen Verträge größtenteils nicht eingehalten. Das haarsträubendste Beispiel bietet Interagua. Das Unternehmen hatte den Zuschlag für die Wasserversorgung der Stadt Guayaquil erhalten, weil es sich zu Investitionen in die notwendige Infrastruktur verpflichtet hatte, um die marginalen Stadtviertel der Metropole mit Wasser zu versorgen. Dieses Versprechen wurde nie erfüllt. Außerdem konnte Interagua für den Rest der Stadt nicht für die Wasserqualität garantieren, weshalb das Unternehmen vom Nationalen Rechnungshof beobachtet wurde, der bald darauf empfahl, den Vertrag mit dem Unternehmen aufzuheben. Die Regierung von Präsident Rafael Correa gestattete jedoch die Weiterführung der Tätigkeit von Interagua, womit sie sich nicht nur gegen die Meinung des Rechnungsprüfers stellte, sondern auch gegen die während der eigenen Regierungszeit verabschiedete Verfassung verstieß.

Versiegende Wasserressourcen Umstritten ist außerdem das Agieren der Regionalregierungen, vor allem der Verwaltungen größerer Städte, die sich oftmals einfach Wasserquellen aneignen und damit der Bevölkerung in den umliegenden Gegenden schaden. So etwa im Falle von Quito: Im Bemühen, die eigene Bevölkerung mit Wasser zu versorgen, dachte die Stadtverwaltung nicht darüber nach, was mit den Flüssen geschieht, die in den Regionen entspringen, aus denen das Trinkwasser entnommen wird. In den Bergen östlich von Quito, in denen sich mehrere Trinkwasserreservoire der Stadt befinden, entspringen Flüsse, die ins Amazonasgebiet fließen. Vor allem mit Gemeinden in der Amazonasprovinz Napo ist Quito deshalb in Konflikt geraten.

Auch auf dem Land, wo Agrarexportunternehmen sowie Latifundien über weitreichende Konzessionen für Wasserquellen und Wasserläufe verfügen, gibt es ähnliche Konflikte. Ein Beispiel dafür ist der im Norden Ecuadors gelegene Kanton Cotacachi, der zum ersten ökologischen Kanton des Landes erklärt wurde. Auki Tituaña, der ehemalige Bürgermeister von Cotacachi, der sich während seiner Amtszeit (1996-2009) engagiert für eine ökologische Politik im Kanton einsetzte, hat es nicht geschafft, die Wasserressourcen umzuverteilen, welche sich die Großgrundbesitzer aus der Umgebung angeeignet hatten. Der jetzige Bürgermeister Alberto Andrango strebt ein Wassergesetz an, das ihm ermöglicht, die Wasserressourcen wieder zurückzugewinnen und neu unter den Gemeinden der Gegend aufzuteilen. Dieses Vorhaben steht ganz oben auf seiner Prioritätenliste. So, wie das Gesetzesprojekt allerdings derzeit aussieht, sind die Aussichten auf einen Erfolg gering. „Das Gesetz bestraft keine Anhäufung von Konzessionen“, so Andrango.

Wasserrechte in den Händen Weniger

Da das Gesetzesvorhaben weder eine Rückgabe der Wasserkonzessionen an den Staat noch eine Bestrafung illegaler Wassernutzung vorsieht, wird es in der Tat dazu kommen, dass sich nichts an der derzeitigen Situation ändert. Nach Angaben des Staatssekretariats für Wasserressourcen SENAGUA (Secretaría Nacional del Agua) werden 55 Prozent der Wasserressourcen illegal genutzt, und 65 Prozent befinden sich in der Hand von nur einem Prozent der Nutzer*innen, darunter Agrarexporteuren, Bergbaufirmen und der Industrie.

Die industrielle Nutzung des Wassers ist ein weiterer kritischer Punkt, an dem sich die ecuadorianische Verfassung und die sekundären Rechtsvorschriften widersprechen: Zwar schreibt die Verfassung den Schutz des Wassers und der Natur vor, die derzeit geplanten Gesetze ignorieren diese Prinzipien jedoch. In Artikel 52 des Wassergesetzes ist von der Notwendigkeit die Rede, das Wasser und die Wassereinzugsgebiete zu schützen, damit sich die Wassermenge nicht verringert, auch soll eine Verschmutzung der Ressourcen vermieden werden – doch von einer Bestrafung derer, die gegen diese Verfügung verstoßen, findet sich kein Wort. „Artikel 52 gibt eine allgemeine Richtlinie vor, beinhaltet aber keine Vorgaben, wie die Kontamination aufgehalten werden soll und wie diejenigen bestraft werden, die das Wasser kontaminieren und Wasserressourcen beeinträchtigen oder zerstören. Solange das Gesetz keine Sanktionen beinhaltet, ist es nichts als ein Papiertiger”, erklärt der Umweltexperte Ricardo Buitrón.

Die Agrarexporteure können nach Belieben in die Wasserressourcen eingreifen. Sie können sogar die Niederschlagszyklen verändern, wie es in den Gemeinden nahe dem Ort Pujilí in den zentralecuadorianischen Anden geschah. Dort beschloss ein Brokkoliexporteur vor drei Jahren, die Wolken mit Chemikalien zu beschießen, um sie aufzulösen und starke Regenfälle zu verhindern, die seine Kulturen beschädigen könnten. Bald wandten alle Produzenten von Monokulturen in der Gegend diese Maßnahme an, und durch den ausbleibenden Regen trockneten die von den Gemeinden genutzten Wasserläufe aus. Obwohl der Richter von Pujilí die Maßnahme für illegal erklärte, konnten die Agrarexporteure nicht bestraft werden, weil es dafür keine gesetzlichen Regelungen gibt.

„Die betroffenen Gemeinden müssen der mündlichen Zusicherung der Agrarexporteure vertrauen, die versprochen haben, die Wolken nicht weiter zu beschießen“, so die Anwältin Mélida Pumalpa von der ecuadorianischen Menschenrechtsberatung INREDH (Fundación Regional de Asesoría en Derechos Humanos), die die Klage der betroffenen Gemeinden betreute.

(Auch Wasserkraftprojekte stellen nach wie vor ein Problem dar. Der Río Upano in der Provinz Morona Santiago hat infolge der Realisierung eines Wasserkraftprojektes des Unternehmens Hidroabanico an einem seiner Zuflüsse so viel Wasser verloren, dass er nicht mehr schiffbar ist. Siehe auch http://web.archive.org/web/20150910001239/http://ecuador.indymedia.org/es/2006/04/14127.shtml, Anmerkung der Übersetzerin).

Die stärkste Bedrohung für das Wasser geht jedoch von dem neuen Bergbaugesetz aus, das zwar die Zuständigkeiten für die industrielle Nutzung des Wassers regelt, aber weder Normen zur Verhinderung der Verschmutzung des Wassers festlegt noch Strafen für diejenigen vorsieht, die das Wasser verschmutzen.

Präsident Correa versichert, das Wasser werde nach seiner Nutzung im Bergbau gereinigt und wieder so in die Flussläufe zurückgeleitet, wie es entnommen worden war. Diese Aussage überzeugt jedoch die Indígenabewegung nicht. Deshalb protestierten die Indígenas im September dieses Jahres sowohl gegen das Wasser- als auch gegen das Bergbaugesetz, da das Wasser ebenso wie das Land eine Grundlage für ihr Überleben als Völker darstellt. „Wasser und Feuer sind gemeinschaftlich, ebenso wie der Durst und das Kältegefühl, und deshalb darf es niemand an sich reißen“, sagen die Indígenas, und wenn man sich ihre bisherigen Reaktionen anschaut, kann man davon ausgehen, dass sie bereit sind, ihre Überzeugung lautstark geltend zu machen.

 

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