Ein Armutszeugnis

von Gerhard Dilger

(Berlin, 02. Juni 2009, taz).- Selten gab es eine Chance für ein solch hochkarätiges Streitgespräch wie Ende letzter Woche in Venezuelas Hauptstadt Caracas: In seiner TV-Sendung “Aló Presidente” lud Hugo Chávez die unweit tagenden rechtsliberalen Intellektuellen gleich vier Mal zu einem öffentlichen Schlagabtausch mit ihren Pendants aus dem linken Lager ein. Bemerkenswert – denn üblicherweise reden und schreiben auch in Lateinamerika Vertreter der Pole des Meinungsspektrums lieber über- statt miteinander.

Doch nach einer ersten Zusage bestanden die Ultraliberalen auf einer Zweierdebatte zwischen Chávez und dem peruanischen Schriftsteller Mario Vargas Llosa: “Wir wollen lieber mit dem Zirkusdirektor reden als mit den Clowns”, lautete die Begründung von Mexikos Exaußenminister Jorge Castañeda, der wie viele seiner Mitstreiter den langen Weg von links unten nach rechts oben gegangen ist.

Ein Duell mit dem scharfzüngigen Vargas Llosa wiederum war dem sozialistischen Volkstribun offenbar nicht geheuer. Er wolle nur “mitdiskutieren”, sagte Chávez, der in der Öffentlichkeit gerne auf lange Monologe setzt, in ungewohnter Bescheidenheit. Außerdem spiele Vargas Llosa nicht in seiner Liga, befand der Präsident äußerst unsouverän.

Nach diesem Zwischenerfolg zogen aber auch die Wortführer der “Freiheit” den Schwanz ein und verzichteten am Samstag ganz auf einen Auftritt in “Aló Presidente”. Zu groß sei das Risiko eines “Hinterhalts”, behauptete Vargas Llosa und beschimpfte Chávez als Autisten. Offensichtlich ist der neoliberalen Rechten an der Dämonisierung des venezolanischen Staatschefs mehr gelegen als am Austausch von Argumenten. Auf diese Art zementiert sie die Polarisierung in Venezuela, die sie sonst immer lauthals beklagt. Ein Armutszeugnis.

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