Digitales Radio und Fernsehen – Das Ende der alternativen Medien?

von Markus Plate, Guatemala-Stadt

(Berlin, 08. Oktober 2008, npl).- Auf dem III. Amerikanischen Sozialforum (FSA) wird auch über die Chancen und Risiken bezüglich des Zugangs zu Information und Kommunikation angesichts der digitalen Revolution debattiert. Alternative Medienexpert*innen referierten über das Ende der analogen Übertragung und die Möglichkeiten, die digitale Technologien zur Stärkung der freien Radios und zur Verringerung von Ungerechtigkeiten beim Zugang zu Informationen bieten.

Klar ist: die analogen Radiosignale über die herkömmlichen FM- und AM-Frequenzen werden irgendwann ausgedient haben. Entweder werden sie abgeschaltet oder es werden schlichtweg keine Empfangsgeräte mehr produziert. Digitale Formate stehen in Europa und den USA längst in den Startlöchern. Doch ob DAB, DRM, HD-Radio oder FmeXtra: Welches digitale Radioformat am Ende in Lateinamerika zum Zuge kommen soll, müsse sich in erster Linie am Recht auf Kommunikation orientieren, so der Tenor der Teilnehmer*innen des FSA. Das heißt, dass bei der Einführung von digitalen, terrestrischen Frequenzen der Zugang für Community-Radios technisch, rechtlich und vor allem ökonomisch möglich sein muss. Die Einführung digitaler Technologie müsse dazu dienen, eine vielfältigere und demokratische Radioübertragung zu ermöglichen. Und die Radioempfangsgeräte müssten für Haushalte mit geringem Einkommen erschwinglich sein.

Diese Forderungen sind wohl berechtigt, bekämen doch in den meisten Ländern diejenigen die Frequenzen, „die am lautesten schreien, also am meisten zahlen“, d.h. potente Medienkonzerne und Mobilfunkunternehmen für ihre zahllosen Zusatzdienste. Und dies könne, so Pablo Vannini von FM La Tribu in Buenos Aires, schwerwiegende Auswirkungen für die freien Radios haben: denn wenn Radio in Zukunft nicht mehr über herkömmliche Sender und Empfänger übertragen werde, sondern über das Internet, bedeute das zumindest, dass in Zukunft jeder Mensch Zugriff auf das Internet haben müsse, um sein Recht auf Kommunikation und Information zu verwirklichen. Davon sei man aber noch weit entfernt, nicht nur in den ärmsten Ländern der Welt, auch in Argentinien oder Mexiko.

Vor allem in armen und Schwellenländern, in denen der Internetzugang komplett einem, im schlechtesten Falle monopolisierten Markt überlassen wird, ist Internet teuer und längst nicht überall verfügbar. Was wird also aus dem Recht auf Information, wenn analoge Programme abschalten, ein Zugriff auf digitale Programme, ob terrestrisch oder per Internet, aber nicht möglich ist? Wenn zum Beispiel, wie in Argentinien, viele Regionen ohne Zugang zu einem Breitbandkabel bleiben, weil private Unternehmen Investitionen scheuen und der Staat weder Rahmenbedingungen setzt noch selbst investiert? Oder in Ländern wie Guatemala, wo ein Breitbandinternetanschluss viel teurer ist, als in Deutschland, obwohl das Durchschnittseinkommen der Menschen auf dem Land nur einen Bruchteil dessen beträgt, was ein Haushalt in Europa zur Verfügung hat. Die Verstaatlichung von Telekommunikationseinrichtungen böte eine Möglichkeit, den Zugang zum Internet staatlich zu steuern, so dass er nicht nur ökonomischen Erwägungen unterläge. Mehr und engagiertere staatliche Aufsicht und Förderprogramme könnten es aber auch tun.

Die alternativen Medien müssten also gemeinsam mit den sozialen Bewegungen den politischen Druck erhöhen, damit ihre Forderungen nach einem demokratischen Zugang aller zu den neuen Informationstechnologien umgesetzt werden. Schon seit langem fordern Medienaktivist*innen, die Informations- und Kommunikationsmedien müssten dazu dienen, den Menschen einen besseren Zugang zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse und zur Einklagung ihrer Rechte zu gewährleisten. Würden die Medien aber weiter wie im bisherigen Umfang dem freien Markt überlassen, würden auch die neuen Informationstechnologien nur dazu dienen, bestehende Ungerechtigkeiten und Exklusionen aufrecht zu erhalten und zu verstärken, statt sie zurück zu drängen.

Aber: die neuen Informationstechnologien bieten für die alternativen Medien auch eine Menge Chancen. Das Radio könne in entlegenen und armen Gemeinden den Menschen als eine Art Scharnier zum Internet dienen, indem es Inhalte aus dem Internet ziehe und über seine Frequenz an seine Hörer*innen weitergebe, so Pablo Vannini. Und was die Nutzung der Potenziale des Internets (Podcast, Programmaustausch oder Livestream) oder der Mobiltelefonie (z.B. SMS) betreffe, hätten die zahllosen freien Radios Lateinamerikas ja schon heute einiges zu bieten.

Das Fazit könne also nur lauten: die neuen Technologien dürfe man nicht nur ablehnen und konsumieren, sondern man müsse sie begreifen, sich ihrer bemächtigen und sie kontrollieren. „Die technologische Revolution bedeutet für die Radios eine Herausforderung, aus Produktionssicht, aber auch bezüglich der Übertragung und der Empfangsgeräte. Aber die Erfolge, die wir über die Koexistenz verschiedener aktueller Radiosysteme erzielen konnten, lässt erwarten, dass Radiomachen auch in Zukunft ebenso viel Leidenschaft bringen wird wie zuvor“, sieht es Vannini optimistisch.

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