„Blitzkrieg“ gegen die Lehrer*innen

Militarisierung der Stadt Oaxaca

Als ob die Lehrer*innen eine Bedrohung der nationalen Sicherheit wären, brachte der „Blitzkrieg” aus der Präsidentenresidenz „Los Pinos“ tausende Uniformierte nach Oaxaca: 4.000 Bundespolizisten und drei Brigaden der Militärpolizei mit jeweils 660 Truppenstärke. Hinzu kommen noch die 4.000 in der Militärzone stationierten Soldaten.

Und als ob dies noch nicht genügte, ließ die Regierung strategische öffentliche Gebäude und Einrichtungen besetzen und Hubschrauber über die Landeshauptstadt fliegen. Sie fror illegal die Bankkonten der Lehrer*innengewerkschaft und einiger ihrer Führungspersönlichkeiten ein und ließ über deren Köpfen das Damoklesschwert einer möglichen Verhaftung schweben.

Handstreich gegen dezentrale Bildungsinstitution IEEPO

Ganz nebenbei verschwand per Dekret und ohne irgendeine Benachrichtigung das Staatliche Bildungsinstitut Oaxacas IEEPO (Instituto Estatal de Educación Pública de Oaxaca). Einseitig wurden so die Vereinbarungen gebrochen, die die Arbeits- und Berufsbeziehungen zwischen der Regierung des Bundesstaates und den Lehrer*innen regulierten. Das IEEPO ist das Äquivalent zu den Bildungsministerien in anderen Bundesstaaten.

Es entstand 1992 unter dem damaligen Gouverneur Heladio Ramírez im Rahmen des Nationalen Abkommens für die Modernisierung der Grund- und Landschulbildung Anmeb (Acuerdo Nacional para la Modernización de la Educación Básica y Normal). Dieses Abkommen war vom 1992 amtierenden Präsidenten Carlos Salinas angestoßen worden, um die Probleme des aufgeblasenen und bürokratisierten Apparates des Bildungsministeriums (SEP) zu lösen.

Obwohl die Lehrer*innen der Gewerkschaftssektion 22 sich gegen die länderbasierte Aufteilung der Lehrtätigkeit wandten, akzeptierten sie die Gründung des Instituts als dezentralisiertem Organ. Am 28. Oktober 1992 unterschrieben sie das Hauptprotokoll. Es stimmt nicht, dass sie sich der Institution bemächtigten. Der Direktor und sein Vorstand sind stets vom jeweiligen Gouverneur eingesetzt worden. Die Lehrer*innen wählten auf der Grundlage akademischer und berufsbezogener Kriterien einige Funktionär*innen der mittleren Ebenen aus.

Von Los Pinos aus wird das Verschwinden des alten IEEPO als die Maßnahme dargestellt, die es der Regierung des Bundesstaates erlauben wird, die Oberhoheit über das Bildungssystem zurückzugewinnen. Das ist falsch. Die Oberhoheit hat sie bereits an die Bundesregierung verloren. Das neue Organ schafft faktisch die Dezentralisierung des Bildungssystems ab und gliedert den Vorstand in das SEP ein. Nebenbei integriert es in seine Leitung in Bildungsangelenheiten so bewanderte Personen wie die Minister für Inneres, Gesundheit, Finanzen, Verwaltung, Soziales, Kultur und Künste, Kontrollwesen und Transparenz der Regierung in Oaxaca.

IEEPO: Fragwürdige Kompetenzen des neuen alten Chefs

Eine der Ironien der Bildungsreform besteht darin, dass der Direktor des neuen IEEPO derselbe ist, der das alte IEEPO seit Oktober 2014 leitete: Moisés Robles Cruz. Ausgebildet als Anwalt und Teil der Gruppe, die dem Ex-Gouverneur Diódoro Carrasco nahesteht – während Carrasco Bundesinnenminister war, arbeitete Robles Cruz mit ihm als Koordinator für Dokumentation und Controlling zusammen – hat der nun für die Grund- und Landschulbildung in Oaxaca zuständige Robles Cruz von der Welt der Pädagogik keine Ahnung.

Statt für einen obersten Bildungsfunktionär ist sein Werdegang eher für einen Polizeichef geeignet: er war Ermittlungsbeamter der Generalstaatsanwaltschaft von Oaxaca und später Direktor für Juristische Angelegenheiten der Bundespolizei unter deren unbeschreiblichem Chef Genaro García Luna.

Laut der Regierungskampagne in den Medien beruht die Repräsentation der Gewerkschaftsführer der Sektion 22 nicht auf dem Mandat ihrer Basis, sondern auf der angeblichen Kontrolle über das IEEPO. Die Regierung hat die Idee verbreitet, dass die Nationale Koordination der Bildungsbeschäftigten CNTE (Coordinadora Nacional de Trabajadores de la Educación) ausschließlich von Oaxaca abhängig ist. Und einmal auf diesem Trip, machen sie sich Illusionen, mit dem Handstreich gegen die „Oaxaqueños/as“ die Proteste im Rest des Landes zu stoppen.

Doch dies wird nicht geschehen. Der „Blitzkrieg“ wird den landesweiten Unmut der Lehrer*innen nicht bremsen. Deren aktuelle Unzufriedenheit beschränkt sich nicht auf die Mitglieder der CNTE. Genauso wenig, wie sich die Stärke der Koordination auf Oaxaca beschränkt, ungeachtet dessen, dass sich dort ihre stabilste Basis befindet. Es stimmt nicht, dass die Legitimität der Führung der Sektion 22 von ihrem Einfluss im IEEPO abhängt.

Institutionelle Ressourcen haben als Druckmittel nicht funktioniert

Die demokratische Bewegung im Bundesstaat entstand im Mai 1980. Im Zeitraum bis 1992 – dem Gründungsjahr des IEEPO – agierte sie auf der politischen Bühne in Oaxaca und landesweit mit starker Kraft und Mobilisierungsfähigkeit. Sie schaffte dies, obwohl sie in verschiedenen Momenten nicht formal als gewerkschaftliche Lehrer*innenvertretung anerkannt war, denn zwischen 1985 und 1989 hatte sich der nationale Gewerkschaftsboss Carlos Jonguitud einem ordentlichen Kongress widersetzt. Die Lehrer*innengewerkschaft in Oaxaca bekam damals keinen einzigen Cent aus den Gewerkschaftsbeiträgen. Trotzdem blieb sie aktiv und bereitete den jeweiligen Gouverneuren permanent Kopfschmerzen. Mit oder ohne institutionelle Ressourcen – für die Proteste spielte dies keine Rolle.

Die derzeitige Führung der Sektion 22 in Oaxaca hat einen befristeten Job. Dies ist so, seit der erste demokratische Vorstand 1982 ernannt worden ist. Kein Gewerkschaftsfunktionär, keine Gewerkschaftsfunktionärin kann wiedergewählt werden. Am Ende ihrer Gewerkschaftsperiode kehren sie in die Schule zurück. In ihren 35 Jahren Lebensjahren hat die Bewegung hunderte von Führungspersönlichkeiten geformt. Einige von ihnen ins Gefängnis zu bringen, kann misslich sein, wird die Organisation aber nicht enthaupten.

Werden sie dann einen Gendarm in jede Schule schicken?

Die oaxaqueñische Lehrer*innenschaft hat eine über Jahrzehnte erprobte politische Kampfmoral. Zum Teil nährt sie sich vom über Jahrhunderte entwickelten Widerstand der indigenen Gemeinden. Ihr tatsächliches Handeln hat wenig gemein mit der Karikatur, die die Machtinhaber*innen von der Bewegung zeichnen. Sie weiß vorzustoßen und sich wieder zurückzuziehen, Druck auszuüben und intelligent zu verhandeln.

Jetzt befinden sich Polizei und Armee in Oaxaca. Wie lange können sie im Bundesstaat bleiben? Es ist Ferienzeit. Wenn die Schule wieder beginnt, werden sie dann einen Gendarm in jede Schule schicken? Die Regierung muss an vielen Fronten im Einsatz sein und sie kann ihre Kräfte dort nicht endlos konzentrieren. Diese Bewegung ist 35 Jahre alt. Und sie hat alle Attacken gegen sich überlebt. Dieser Konflikt ist nicht entschieden.

Dieser Artikel ist Teil unseres diesjährigen Themenschwerpunkts:

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