Back to Banana?

von Markus Plate

(San José, 07. Mai 2012, voces nuestras).- In Costa Rica paktiert die regierende PLN mit einer Splitterpartei, um die Kongressmehrheit zurückzugewinnen und akzeptiert einen Vorbestraften als Kongresspräsidenten

 

 

 

 

 

 

Am Dienstag den 1. Mai gelang es der regierenden PLN (Partido de la Liberación Nacional) von Präsidentin Laura Chinchilla die Mehrheit im Kongress Costa Ricas zurückzugewinnen. Zuvor hatte ein breites Bündnis sämtlicher Oppositionsparteien von links bis neoliberal den Kongress kontrolliert. Die Kleinstpartei PASE, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und für Barrierefreiheit einsetzt, wechselte kurzerhand die Seiten und koaliert nunmehr mit den regierenden Liberalen. Die vier Abgeordneten, über die die Pase im Parlament verfügt, sorgen für den von der PLN angestrebten Mehrheitswechsel.

Für Präsidentin Chinchilla dürfte das Regieren nun erheblich einfacher werden. Zunächst bedeutet die Wiedererlangung der Kongressmehrheit, dass die Regierung nun nicht mehr mit der Opposition über jedes Gesetzesvorhaben und den Haushalt verhandeln muss. Vor allem um eine grosse Haushalts- und Steuerreform hatten sich Regierung und Opposition über fast ein Jahr gegenseitig blockiert.

Eine Hand wäscht die andere

Der neue Pakt zwischen PLN und PASE ist für beide Parteien von Vorteil. Während PASE sich politisch der PLN fast komplett unterordnete, die Zustimmung zu allen Gesetzesinitiativen der Liberalen versprach und die uneingeschränkte Kontrolle der PLN über die Haushaltspolitik (die PLN behält alle Schlüsselpositionen im Finanzausschuss) akzeptierte, wird die Kleinpartei mit drei wichtigen und gutbezahlten Pöstchen im Kongress entlohnt, darunter dem des Kongressvorsitzenden, dem zweitwichtigsten Amt in Costa Rica, das Arbeit und Agenda des Kongresses entscheidend mitbestimmt. „Was die Verhandlungen erleichtert hat, ist, das wir nicht gierig auf Pöstchen schielen“, teilte PLN-Fraktionschef Luis Gerardo Villanueva mit. Man mag das durchaus als Seitenhieb auf die Pase werten.

Doch eben diese Wahl des PASE-Abgeordneten Victor Emilio Granados ist seither Gegenstand heftiger Diskussionen in Costa Rica. Der 46-jährige Anwalt ist vorbestraft wegen Veruntreung von Geldern einer staatlichen Bank. Der Fall liegt zwanzig Jahre zurück und Granados hat seine Strafe verbüßt. Dennoch wird auch in Costa Rica auf die Vorbildfunktion von Politiker*innen in wichtigen Ämtern hingewiesen, gerade weil der Politikbetrieb des Landes in den letzten Jahren mehrfach für Korruptionsskandale gesorgt hatte. Gegen drei Ex-Präsidenten ist in den letzten Jahren ermittelt und prozessiert worden, sichtbares Zeichen für die Wandlung Costa Ricas von einer „Schweiz Lateinamerikas“ hin zu einer Selbstbedienungsrepublik. Selbst die regierungsnahe Presse wertet die Wahl Granados als verhängnisvolles Signal für den Ruf des Landes und als Gefahr für die Wiederwahlchancen der PLN bei den nächsten Wahlen im Jahr 2014.

Auch politisch dürfte der Schachzug von PLN und Pase einige Auswirkungen haben. Die Regierung kann ihre haushalts- und steuerpolitischen Pläne nunmehr ohne Rücksicht auf die Opposition durchsetzen. Um das Haushaltsloch in Höhe von über fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu stopfen, hatte die PLN bereits vor Monaten einschneidende Maßnahmen vorgeschlagen, die von der Opposition um die sozialdemokratische PAC als sozial vollkommen unausgewogen abgelehnt und verhindert wurden. Gerade die costarricanische Mittelschicht und die ärmeren Bevölkerungsteile werden sich auf kräftige Steigerungen ihrer Lebenshaltungskosten einstellen müssen, auf eine erhöhte Mehrwertssteuer, auf steigende Gebühren für öffentliche Dienstleistungen und auf Einschnitte in den öffentlichen Sozialleistungen.

Hingegen werden Projekte zur Modernisierung der costaricanischen Gesellschaft bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Dazu gehören unter anderem die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung und die gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, beides vieldiskutierte Gesetzesvorhaben, bei denen es durchaus Übereinstimmungen zwischen regierender PLC und oppositioneller PAC gibt. Mit der neuen Allianz im Kongress macht sich die PLC jedoch abhängig von zwei evangelikalen Parteien und der PASE, die allesamt beide Gesetzesvorhaben vehement ablehnen.

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